...dann bleibt einer übrig. Aber wer?
Viele Zukunfts-Entscheidungen der Formel 1 fanden in diesem so ungewöhnlichen Jahr auch ungewöhnlich früh statt. Ferrari und McLaren haben ihre Fahrer für 2021 sicher, auch Mercedes und Red Bull machen momentan wenig Anstalten, an ihrem Duo etwas zu ändern. Mit anderen Worten: Bei den Top-Teams wird es kein Unterkommen geben.
Und Sebastian Vettel droht, beim Sesseltanz übrigzubleiben. Vier WM-Titel, die der Königsklasse abhanden kommen - einfach, weil kein Platz mehr ist.
Wenn da Racing Point nicht wäre. Und die Transformation des pinken Farbtupfers im Feld zum Werksteam von Aston Martin ab kommender Saison.
Ein schillernder Name, der in die Formel 1 zurückkehrt, und nach einem schillernden Namen hinter dem Lenkrad schreit. Den tragen weder Sergio Perez, noch Lance Stroll.
Dass sogar bei Mercedes und Red Bull angesichts eines der erfolgreichsten F1-Fahrer am Markt wenigstens zwischenzeitlich mit der Grübelei begonnen wurde, macht die Überlegung für einen bisherigen Mittelständler, der den nächsten Schritt macht, eigentlich einfach.
Wenn da die Umstände auf der einen Seite, und die Ansprüche des Gegenübers auf der anderen Seite nicht wären.
Aston Martin? Es wäre nicht nur ein Jahr
Vettel will und muss nicht um jeden Preis hinter dem Lenkrad bleiben. Er will Rennen gewinnen. Und um einen fünften WM-Titel kämpfen. Zumindest für Letzteres ist Racing Point noch nicht soweit - und wird es auch unter Flagge von Aston Martin nicht sofort sein.
Die Richtung in rosa stimmt aber, so die ersten Eindrücke der Saison 2020. Ob die Fortschritte auf legalem Wege zustande gekommen sind, oder ein logisches Ergebnis einer frechen Mercedes-Kopie darstellen, wird sich nach einem laufenden Protest noch weisen. Dass die Mittel für Erfolg da sind, lässt sich aber erahnen.
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Die Entwicklung zum WM-Anwärter ist trotz dieser guten Ansätze ein längeres Projekt, und Vettel dürfte es nicht zu kurzfristig ansetzen. Mit 33 Jahren ist er noch kein "altes Eisen", dessen Karriere zwangsläufig auf die Zielgerade biegen muss. Die Rückkehr von Fernando Alonso, in Kürze 39, ist nur eine weitere Stütze dafür.
Vettels großer deutscher Vorgänger, der nochmal drei Titel mehr auf dem Konto hatte und wichtige Entwicklungsarbeit vor der Mercedes-Dominanz leistete, sei da auch nicht unerwähnt - Michael Schumacher. Der gleichermaßen als Warnung dasteht, dass ein neues Projekt dem eigenen Namen nicht nur zum Vorteil gereichen kann.
Die Familie ruft auch
Die Frage ist, ob Vettel es noch will. Wer mit 33 schon konkrete Gedanken an ein Ende wälzt und Frau samt dreier junger Kinder daheim sitzen hat, könnte seine Prioritäten im Kopf verschoben haben. Und die Corona-Krise samt Zwangs-Auszeit ein Turbo für diese Gedanken gewesen sein.
Die Überlegungen, sie kreisen. Daraus macht Vettel keinen Hehl. Nicht einmal eine Tendenz ist dem Deutschen abzuringen. Er hält sich völlig bedeckt. Die Ratlosigkeit kann ihm abgekauft werden. Schließlich steckt immer eine Prise Unberechenbarkeit in der Sache.
Alexander Albon hat seine Probleme mit dem neuen Red Bull, der auf Max Verstappen zugeschnitten ist. Es wäre zwar nicht der Stil des Teams, das sich seine Stars selbst aufbaut, nun einen Altmeister einzusetzen - aber die Bünde zu Vettel sind nach den vier gemeinsamen Titeln stark.
Nicht völlig ausgeschlossen, dass sich Vettel mit einer überschnellen Entscheidung doch die Red-Bull-Tür zuschmeißt, die einen winzigen Spalt offen steht.
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Vettel will sich mit seiner Entscheidung deswegen nicht drängen lassen, aber die Zeit tut es trotzdem, denn Racing Point braucht Klarheit. In Kürze läuft die Frist aus, aus dem Vertrag mit Sergio Perez - für einige Millionen Euro "Schmerzensgeld" - auszusteigen und Vettel überhaupt einen Sitz anbieten zu können.
Er steckt im Dilemma, eine Entscheidung treffen zu müssen, die sein Leben längere Zeit in eine Richtung lenkt.
Und an der vermeintlich persönlichen Entscheidung des Weltmeisters von 2010 bis 2013 hängen letztlich auch die Schicksale zweier Fahrer-Kollegen.
Sohn sein allein reicht irgendwann nicht mehr
Sergio Perez und Lance Stroll: Kommt Vettel, muss einer der bisherigen Fahrer natürlich gehen. Trotz Vertrags für 2021 in der Tasche. Aber wer? Daran scheiden sich die Geister.
Stroll hat sein Cockpit sicher - immerhin ist er der Sohn des Chefs! So tönt es aus fast allen Mündern, die sich in den letzten Tagen näher mit dem Thema beschäftigten. Aber was Perez schon feststellte, gilt für seinen Teamkollegen nicht weniger: Die Formel 1 ist ein Geschäft. Und im höchsten Motorsport-Geschäft der Welt muss der Nachname allein als Argument irgendwann zu wenig sein.
Ja, Vater Lawrence Stroll hat seine Hände (und Millionen) auch in der Zukunft der britischen Traditionsmarke tief drin, aber das macht ihn nicht zum alleinigen Entscheidungsträger.
Und dass ein Duo Vettel-Perez nicht nur das erfahrenere, für die Weiterentwicklung nützlichere und wohl bessere Tandem für die ersten Schritte als Aston Martin wäre, müsste auch Papa Stroll eigentlich einsehen.
Mehr als ein Mitläufer war und ist sein Sohn Lance in vier Jahren Formel 1 meistens nicht. Einzelne Lichtblicke mit gutem Material und wie jetzt mit einem gewissen Druck im Rücken ändern an dieser langfristigen Einschätzung noch nichts.
Muss der Retter gehen?
Trotzdem: Der 21-Jährige hat seinen Vertrag und im Gegensatz zu Perez auch keine Ausstiegsklausel. Angesichts der Gerüchte stehen dem Mexikaner die Schweißperlen auf der Stirn.
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Es wäre schade um "Checo", dem allerdings die ganz großen Erfolge seit seiner F1-Beteiligung 2011 auch nicht gelingen wollen.
Was der ganzen Sache bitteren Beigeschmack verleiht: Ohne ihn stünde das Team nicht da, wo es sich befindet. Vielleicht würde es gar nicht mehr existieren.
Perez' Gehaltsforderungen gegenüber Force India trieben den Vorgänger-Rennstall 2018 in die Insolvenz, das war aber goldrichtig. Denn dadurch wurde die Übernahme durch das Stroll-Konsortium ermöglicht und die Fortführung garantiert.
Perez hat deswegen bei den Mitarbeitern ein Stein im Brett, aber das gute Standing wird nicht reichen, wenn eine Ablöse seines Vertrags wirklich die einzige Möglichkeit für ein Vettel-Engagement sein sollte.
Immerhin haben sich schon jetzt andere Teams bei Perez erkundigt. Teams, zu denen Vettel nicht gehen würde. Vielleicht doch eine Variante, die nicht mit einem Total-Verlierer endet.
Eine richtungsweisende Entscheidung
Die Angelegenheit ist letztlich ein Balance-Akt: Um die weitere Zukunft Vettels. Um den würdigen Umgang mit zwei "Unschuldigen". Gegebenenfalls um einen Abschied erhobenen Hauptes, und sei es nicht jenes von Vettel.
Umstände, die vielleicht auch in seine Überlegungen einfließen. Denn ein würdiges "Arrivederci" wäre ihm nach dieser Saison auch so nicht beschert, entwickeln sich die ersten Anzeichen von Ferraris Performance weiter in diese Richtung. So könnte der bemitleidenswerte Zustand der Scuderia sogar dazu führen, Vettel noch länger seine Kreise fahren zu sehen.
Das neue Projekt Aston Martin anzureißen, wäre aber ein Risiko. Und eine Verpflichtung. Auch, aber nicht nur sich selbst gegenüber.