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Patient Vereinsfußball: Zwischen Leben und Tod

LAOLA1-Reportage aus dem Unterhaus: Wer gründet noch? Wer kämpft? Wer gibt nicht auf? Was sind die größten Probleme? Welche Lösungen gibt es?

Patient Vereinsfußball: Zwischen Leben und Tod Foto: © SV Radmer

Der 10. September 2022 war ein großer Tag für den FC Frojach. Ein Tag, auf den die Verantwortlichen einige Jahre hingearbeitet haben.

Gegen den WSV St. Lambrecht fand nämlich das erste Heimspiel der Vereinsgeschichte statt. Ein vielumjubelter 5:1-Sieg vor immerhin 250 Zuschauern war der Lohn für die harte Arbeit im Vorfeld.

Der FC Frojach stieg im vergangenen Sommer neu in den ÖFB-Spielbetrieb ein und ist damit ein absolutes Positivbeispiel in schweren Zeiten für viele Amateur-Vereine.

Vereinsleben/Vereinssterben nennt sich diese Reportage, in der sich LAOLA1 die Situation im österreichischen Unterhaus genauer anschaut – exemplarisch anhand einiger Klubs.

Wir haben uns bei Vereinen umgehört, die 2022 den Spielbetrieb eingestellt haben, die Fusionen oder Spielgemeinschaften eingegangen sind oder die trotz aller Widerstände nicht aufgeben.

Letztlich geht es ums Rückgrat des österreichischen Fußballs. Doch gerade in Abwanderungsgebieten wird es immer schwieriger, genügend Funktionäre, Spieler und Nachwuchs aufzustellen.

Zudem gehen wir der Frage nach: Wie können mögliche Lösungen aussehen?


Weitere Episoden der Reportage "Vereinsleben/Vereinssterben":

Wie gründe ich überhaupt einen Fußballverein?

Warum sterben in Niederösterreich so viele Vereine?

Fusionen: Gemeinsam leben statt einsam sterben


"Neuzugänge" nur in Wien und der Steiermark

2018/19 waren laut ÖFB noch 2.087 Vereine für den Spielbetrieb gemeldet, in der Saison 2021/22 nur noch 2.015. Dies ist ein erheblicher Rückgang.

Eine Nachfrage bei allen neun Landesverbänden konkret das Jahr 2022 betreffend ergibt, dass die Situation regional sehr unterschiedlich ist.

Vorarlberg, Kärnten und das Burgenland hatten keine Abmeldung vom Spielbetrieb zu vermelden. Salzburg eine, Tirol deren zwei, auch in Oberösterreich spielten zwei Vereine weniger als in der Saison davor.

In Niederösterreich waren es dafür gleich 13 Vereine, die zurückgezogen haben – eine Problematik, auf die wir im folgenden Text gesondert ein Auge werfen.

Wien und die Steiermark sind die einzigen Bundesländer, die neben Abgängen auch Neu- oder Wiederanmeldungen verzeichneten. In der Hauptstadt stehen fünf Vereinen, die den Spielbetrieb eingestellt haben, immerhin sechs Neuanmeldungen gegenüber.

Die Steiermark hat einige Fusionen zu vermelden, zudem haben sich sechs Klubs zumindest vorübergehend abgemeldet. Vier Vereine sind komplett neu oder wieder mit dabei.

Im ersten Heimspiel feierte der FC Frojach einen 5:1-Sieg
Foto: © FC Frojach

Vereinsleben eines der Motive in Frojach

Ein klassischer Neueinsteiger ist der FC Frojach.

Einen Fußballplatz gibt es in Frojach – im steirischen Bezirk Murau gelegen - schon lange. Was fehlte, war der dazugehörige Fußballverein. Die Gründung eines solchen ist im Prinzip über Generationen hinweg gescheitert. (Wie gründe ich einen Fußballverein?>>>)

"Mein Vater hat mir erzählt, dass sie schon probiert haben, einen Verein zu gründen. Finanziell sei das vor der Gemeinde-Zusammenlegung jedoch nie möglich gewesen," erzählt mit Christian Lackner einer der Initiatoren des Projekts.

Anfang 2015 entstand aus den Gemeinden Frojach-Katsch und Teufenbach die neue Gemeinde Teufenbach-Katsch. Soll heißen, Frojach war ab sofort "nur" mehr ein Ortsteil.

"Da unser Platz aber in Frojach liegt und der Name nicht ganz in Vergessenheit geraten soll, heißt unser Verein so", erläutert Lackner.

Lackner fungiert als Kassier und Goalgetter (12 Saison-Tore), ist 27 Jahre alt und damit der Zweitälteste einer Truppe, die den Verein 2019 ins Leben rief und vorerst in einer Hobbyliga antrat. Eigentlich wollte man immer schon in den geregelten Spielbetrieb einsteigen, erhielt jedoch aufgrund damals noch fehlender Anlagen beim Platz keine Genehmigung des steirischen Fußballverbands. Diesmal half die Gemeinde.

Das Miteinander bei den Heimspielen sei eines der Hauptmotive. Einerseits wolle man einen Beitrag leisten, um die fusionierten Gemeindeteile zusammenzubringen, andererseits auch selbst die Wochenenden gemeinsam verbringen.

Lackner: "Jeder hat woanders gekickt. Das hat beispielsweise Pläne für Geburtstagsfeiern schwierig gemacht. Eigentlich haben wir genügend Leute hier, also haben wir uns gesagt, wir machen das selber und verbinden das Vereinsleben auch noch mit dem privaten Leben."

Der integrative Faktor eines Fußballvereins ist nicht zu unterschätzen. Dies würde man auch beim Nachwuchs merken. Es sei eine Erleichterung für Eltern, wenn sie ihre Kids nicht mehrmals pro Woche in diverse Nachbargemeinden zum Training chauffieren müssten.

Ganz nach dem Motto: Fahr nicht fort, bleib im Ort.

Dies kann man auch aus dem Blickwinkel einer Gemeinde mit wenig Vereinen oder Angeboten für die Jugend sehen. Wenn in einem Ort nichts passiert, würden die Leute verschwinden, so Lackner.

Aktuell sei indes der gegenteilige Effekt zu beobachten: "Jetzt, mit dem Fußballverein, ist es wirklich so, dass einige Studenten nach dem Studium in Wien oder Graz zurückkommen und sich daheim eine Arbeitsstelle suchen. Ohne Verein würden sie wahrscheinlich in einer Stadt wohnen."

Erstmals nach 70 Jahren keine Kampfmannschaft

Der FC Frojach stellt sich damit gegen allgemeine Trends in Österreich: Vereinsgründungen sind eher selten. In manchen Landesverbänden gibt es jährlich nur ein bis zwei Anfragen – bevorzugt geht es dabei aber meist um Futsal- oder Frauen-Vereine.

Noch rarer sind zudem Neugründungen abseits der Städte. Laut dem OÖ-Landesverband seien beispielsweise "neue Mitgliedsvereine fast ausschließlich in urbanen Gebieten angesiedelt."

Auch ein positives Beispiel wie der FC Frojach kann die Probleme von Vereinen, die kämpfen oder gar zusperren mussten, andeuten. Die Schwierigkeiten können vielfältiger Natur sein, die Abwanderung ist sicherlich eine davon.

Schauen wir uns einige Beispiele von Vereinen an, die 2022 den Spielbetrieb eingestellt haben.

"Oberzeiring – als Teil der Gemeinde Pölstal – ist ein Abwanderungsgebiet. In der mittlerweile geschlossenen Volksschule wurden im Vorjahr keine 30 Kinder unterrichtet. Mit anderen Worten: Es fehlt der Nachwuchs."

Gerhard Köck, USV Oberzeiring

Bleiben wir in der Steiermark. Dort konnte der USV Oberzeiring für diese Saison erstmals nach 70 Vereins-Jahren keine Mannschaft nennen, weil man die Mindestanzahl von 20 Spielern für den Meisterschaftsbetrieb nicht zusammengebracht hat.

Arrivierte Akteure hätten aufgehört, jüngeren würde teils die Bereitschaft fehlen, nach drei Mal Training unter der Woche auch den Samstag zu "opfern", berichtet Gerhard Köck.

Der Obmann-Stellvertreter beklagt: "Oberzeiring – als Teil der Gemeinde Pölstal – ist ein Abwanderungsgebiet. In der mittlerweile geschlossenen Volksschule wurden im Vorjahr keine 30 Kinder unterrichtet. Mit anderen Worten: Es fehlt der Nachwuchs."

Bereits 2012 habe man im Kinderfußball den FC Murtal gegründet – ein Gemeinschaftsprodukt der Gemeinden Pölstal, Pöls, St. Peter/Judenburg und St. Georgen/Judenburg.

Köck: "Obwohl wir Funktionäre dieser Vereine seit nunmehr zehn Jahren das Kirchturmdenken aufgegeben haben und gemeinsame Nachwuchsarbeit leisten, ist es selbst hier nicht einfach, lückenlose Jahrgangs-Mannschaften zu führen. Als Abwanderungs-Gemeinde ziehen auch viele junge Erwachsene weg und stehen somit dem Verein nicht mehr zur Verfügung."

Trotz aller Widrigkeiten sei man bemüht, für 2023/24 wieder eine Kampfmannschaft zu nennen. 

In Fernitz-Mellach soll aus dem FC ein SC werden

Selbiges gilt für den USV Rollsdorf, bei dem sich laut Obmann Christoph Simon diverse Spieler neue Herausforderungen gesucht hätten und von den Jugendlichen viele nicht in der letzten Klasse spielen wollen.

Außerdem würden sich immer weniger freiwillige Helfer finden. Auch der Sportplatz sei nicht mehr wirklich spieltauglich und eine Finanzierung im mittleren fünfstelligen Euro-Bereich für Gemeinde und Verein nicht zu stemmen.

Beim Tiroler Verein FC Finkenberg beklagt Obmann Hannes Pirker wiederum: "Eine zügellose Transferpolitik anderer Vereine und eine fehlende Vereinsloyalität seitens der Kaderspieler sowie ein doch etwas zu spätes Agieren am Transfermarkt führten zu einem massiven Personal- beziehungsweise Spielermangel, den man nicht mehr kompensieren konnte. Weiters haben auch Routiniers das aktive Spielen in der Kadermannschaft beendet."

Somit musste man den Spielbetrieb ruhend stellen. Kommende Saison steigt der bisherige Gebietsliga-Verein in der 2. Klasse wieder ein, nachdem man keinen Kooperationspartner gefunden hat.

Die junge Fernitzer Führungsriege: Tulnik, Trainer Mörk und Skringer

Auch der FC Fernitz-Mellach kennt das Problem, wenn plötzlich große Teile der Mannschaft und dazu auch noch der Trainer weg sind. Dies geschah zwei Wochen vor dem Saison-Start, also zu kurzfristig.

Der Klub aus dem Grazer Vorort sei schon zur Auflösung beim steirischen Fußballverband gelegen, als sich – junge – Nachfolger für die Vereins-Spitze gefunden haben.

Obmann Raphael Tulnik und sein Stellvertreter Stefan Skringer sind jeweils 25 und arbeiten seither an der Neuaufstellung des Vereins. "Wir haben bereits einen Kader von 18 Leuten fixiert und werden in den Kampfmannschaftsbetrieb zurückkehren", kündigt Tulnik an.

Die Übernahme sei schon ein "Riesen-Brocken" gewesen, denn "extrem viel Geld war nicht da". Schwierige Zeiten können aber auch neue Wege bedeuten.

"Wir wollen unser sportliches Angebot erweitern und einen Volleyball-Verein integrieren. In Fernitz spielen 35 Leute aktiv Volleyball. Wir machen aus dem FC einen SC", erläutert Tulnik.

Der Fußballplatz wiederum wurde auch ohne Liga-Betrieb relativ hochklassig genutzt. In den vergangenen Monaten trainierte dort die Zweitliga-Vertretung des SK Sturm Graz.

Wie geht es in der "Joachim-Standfest-Arena" weiter?

Die "Blackies" sind wiederum einer der Ex-Vereine von Joachim Standfest. Nach dem früheren Nationalspieler ist zumindest inoffiziell die Arena benannt, die das Titelbild dieser Reportage ziert.

Der SV Radmer ist der Jugendverein Standfests, vergangenen Sommer musste die Kampfmannschaft abgemeldet werden.

"In Radmer wohnen aktuell rund 500 Einwohner. Einen Kindergarten haben wir Gott sei Dank noch, aber keine Volksschule. Aufgrund der Einwohnerzahlen können wir keinen Nachwuchs vorweisen", berichtet Obmann Michael Loidl.

Er habe 2017 übernommen, schon damals sei eine Auflösung der Kampfmannschaft im Raum gestanden. Spieler aus Graz oder Leoben bedeuteten einen finanziellen Mehraufwand, der sich jedoch über Sponsoren abdecken ließ.

Mit Corona hätten jedoch viele Spieler begonnen, lieber ihre Freizeit zu genießen. Andere wiederum hätten ein Alter erreicht, in dem sie die Schuhe an den Nagel hängen.

Eine Option wäre, für nächste Saison eine Mannschaft mit Spielern aus der Umgebung aufzubauen.

"Das bedeutet allerdings auch, dass vielleicht andere Vereine den Schlüssel umdrehen müssen", sagt Loidl, "meine Idee wäre, teilweise zu fusionieren." Und genau daran wird aktuell auch gebastelt.

Das Ende des Kirchturmdenkens?

Erfreulich ist, dass diverse Vereine, die vergangenen Sommer "den Schlüssel umdrehen" mussten, an ihrem Comeback – in welcher Form auch immer - arbeiten.

Gerade Fusionen oder zumindest Spielgemeinschaften können in weniger dicht besiedelten Gebieten eine Lösung sein. Zumindest eine, über die es sich nachzudenken lohnt.

Auch wenn dies in der Theorie leichter gesagt als in der Praxis getan ist. Denn das "Kirchtumdenken", dass jede Gemeinde auch ihren eigenen Fußballverein braucht, ist weit verbreitet.

Ein Umstand, der historisch gesehen mehr als verständlich ist. Schließlich lebt gerade der Amateurfußball von der Identifikation mit dem eigenen Ort und auch von der Rivalität mit der Nachbar-Gemeinde. Dies aufzugeben und mit dem "geliebten Feind" plötzlich gemeinsame Sache zu machen, ist kein leichter Schritt.

Wir haben uns dafür drei Beispiele aus der Steiermark angeschaut und in folgender Reportage näher beleuchtet. Konkret die Fusions-Vereine FC Oberes Feistritztal, SC St. Barbara und die Spielgemeinschaft SG Sonnhofen/Rabenwald.

"Über kurz oder lang geht es ohne Spielgemeinschaften nicht. Die Kinder beim Fußball werden immer weniger, weil die Geburtenrate sinkt und es viele andere Möglichkeiten gibt. Da müssen die Vereine in den unteren Klassen ein anderes Denken entwickeln und im Nachwuchsbereich mehr zusammenarbeiten. Denn ohne Nachwuchs wirst du a la longue keine gute Kampfmannschaft mehr haben. Das geht sich nicht aus", so St.-Barbara-Obmann Rainer Schlang.

Das Problem im Mürztal: Die mangelnde Identifikation mit dem neuen Verein. Trotz der Zusammenlegung der drei Orte Veitsch, Mitterdorf und Wartberg zu St. Barbara hängen die Emotionen an den eigenen Klubs.

Ganz anders geht es im Feistritztal zu. Dort wird die Vereinszusammenlegung von Union Birkfeld, dem UFC Strallegg und dem USV Waisenegg nach der Not als Tugend betrachtet, die sportliche Ambitionen nach oben schrauben kann.

Mangelnder Identifikation wird mit einer Aufteilung der Heimspiele begegnet, die auch einen Heimvorteil mit sich bringt, denn in Strallegg gibt es einen Kunstrasenplatz. In Birkfeld wird im nach dem ehemaligen Nationalteam-Goalie benannten Robert-Almer-Stadion gespielt.

Straßwalchen-Obmann Wilhelm Hofmann vor 25 Jahren und heute

Vereine leben von Funktionären und Funktionäre für ihre Vereine

Von Spielgemeinschaften hält man wiederum beim SV Straßwalchen relativ wenig.

Der in der Salzburger Liga - vierhöchste Leistungsstufe im ÖFB - beheimatete Verein lehnt solche sogar ab beziehungsweise geht sie nur ein, "um Nachbargemeinden zu unterstützen, falls diese in bestimmten Altersgruppen keine Mannschaft stellen können", erzählt Präsident Wilhelm Hofmann.

Amateurvereine leben von ihren Funktionären und Funktionäre teilweise für die Vereine. Hofmann zählt ohne jeden Zweifel zu den längstdienenden Obmännern im heimischen Fußball. Schon 1978 wurde er Sektionsleiter in Straßwalchen, damals war er gerade einmal 20 Jahre jung und selbst Spieler in der Kampfmannschaft.

Der Verein bestand zu jener Zeit noch aus den Sektionen Fußball, Judo und Stockschießen - nachdem sich Judo "im Jahr 2002 eigenständig machte, habe ich das Amt des Präsidenten aufgebrummt bekommen", erläutert Hofmann.

Der Präsident steckt seit 45 Jahren sein Herzblut in den Verein, aber auch viel Geld. Um eine neue Sportanlage zu errichten, übernahm er 2011 gemeinsam mit seinem Vizepräsident Herbert Schwab Bankhaftungen in der Höhe von 200.000 Euro. "Zielsetzung war, diese Summe in zehn Jahren zu begleichen – das ist uns auch gelungen", ist Hofmann stolz darauf.

Wie lange Hofmann sein Amt noch ausüben wird, ist ihm selbst noch unklar. Ursprünglich hätte 2021 Schluss sein sollen.

"In der Zwischenzeit gab es die Corona-Pandemie, daher sind wir immer noch im Amt. Geplant wäre jetzt, 2024 unser 75-jähriges Vereinsjubiläum zu feiern und dann sehen wir, was passieren wird", hält sich der Präsident offen, wann er wirklich aufhört.

Ein Nachfolger wäre jedenfalls bereits in Sicht: "Wenn er mir nicht absagt, wäre dies geklärt."

SV Neuberg: Regionalliga war gestern

Eine geregelte Nachfolge ist mitunter gar nicht so einfach. Man frage nach beim SV Neuberg, ein gutes Beispiel für einen Verein, der sich schon seit Jahren durchbeißt.

Beheimatet ist der Klub in der gleichnamigen südburgenländischen Gemeinde, die nicht einmal 1.000 Einwohner zählt und der Heimatort von LAOLA1-Redakteurin Daniela Kulovits ist.

Als Arsenal gegen Neuberg kickte
Foto: © GEPA

Seine Hoch-Zeit erlebte der Verein in den späten 90er- und frühen 2000er-Jahren, als er in der Regionalliga Ost mitmischte. Damals fanden von Neuberg aus Kicker wie der kürzlich verstorbene Thomas "Schutti" Wagner oder Joachim Parapatits den Weg in die Bundesliga. Testspiele gegen den FC Arsenal oder die kroatische Nationalmannschaft lockten tausende Zuschauer an.

In diesen Sphären ist man in Neuberg heute höchstens noch beim sonntäglichen Frühschoppen in der Sportplatz-Kantine unterwegs, wenn beim Blick auf die Fotos an der Wand in Erinnerungen an die erfolgreichen Zeiten geschwelgt wird. Die Realität heißt 2. Liga Süd, die zweithöchste Spielklasse des Burgenlandes, wohin man in der Saison 2017/18 erstmals nach 22 Jahren wieder abstieg.

Obmann Martin Konrad ist seit 31 Jahren im Amt, hat also einiges mitgemacht.

"Eine der größten Herausforderungen war das Bosman-Urteil. Dadurch haben wir die Basis der Finanzierung verloren", erinnert er sich zurück. Vor dem richtungsweisenden Urteil wurden teilweise bis zu 50 Prozent des Budgets durch Ausbildung und Verkauf junger Spieler zu Profi-Klubs generiert.

Eine "Aktion scharf" der Burgenländischen Gebietskrankenkasse ab dem Jahr 2007 brachte so einige Vereine gehörig ins Wanken, auch den SV Neuberg. "Wie die Prüfungen abgelaufen sind, das war eine Sauerei. Die Vereine, die am erfolgreichsten waren, haben sie sich herausgepickt", bringt Konrad das Thema noch immer in Rage. "Damals haben wir dann gesagt, so kann man nicht mehr in der Regionalliga spielen, weil das nicht mehr zu finanzieren ist."

Geld spielt im Fußball immer noch die Hauptrolle. Mit den finanziellen Mitteln schmolz auch die Kader-Qualität. Es dauerte, bis man sich in Neuberg mit der „neuen“ Realität abgefunden hatte.

Mittlerweile hat man seit einigen Jahren einen eingeschworenen Stamm an Spielern - eine Handvoll davon sind "echte Neuberger" -, der mit Legionären aus Kroatien ergänzt wird.

Im Nachwuchs-Bereich ist man längst auf Spielgemeinschaften mit den umliegenden Ortschaften angewiesen, geringe Geburtenraten und Abwanderung von Familien sind nur zwei Gründe dafür. Dass der Blick in die Zukunft nicht nur trist sein muss, zeigt die Tatsache, dass es mittlerweile zwei Mädchen-Mannschaften gibt.

Zum immer größeren Problem wird hingegen das Ehrenamt. Trainer, Kantinen-Personal, Kassiere... Das Team rund um Obmann Martin Konrad, der gleichzeitig als Zeugwart fungiert, werkt teilweise seit Jahrzehnten.

Langsam wird es Zeit für frischen Wind, finden einige. "Wer soll sich das antun?", fragen sich andere.

Vollzogener Generationenwechsel beim FC Doren

Rund 700 Kilometer entfernt, am anderen Ende Österreichs im Bregenzerwald, wurde der Generationenwechsel bereits vollzogen.

Beim FC Doren, einem Klub aus der 1. Landesklasse (dritthöchste Liga Vorarlbergs), hat seit 2020 Obmann Marcel Kert das Sagen. Mit seinen 28 Jahren liegt er sogar über dem Altersdurchschnitt des neuen Vorstandsteams.

"Wir haben im Ort schon eine Vereinskultur, das Ehrenamt ist noch viel wert", sagt Kert, weist aber auch darauf hin, dass die Freiwilligen nicht in Scharen kommen.

So wurde unter anderem die Schwester seines Vorgängers von der Konkurrenz abgeworben. "Sie war beim Nachbarverein und ist jetzt wieder zurückgekommen", erzählt Kert, "auch aktive Spieler müssen als Vorstandsmitglieder mithelfen, weil es so wenige sind."

Doren hat knapp 1.000 Einwohner, ganze 200 davon sind Mitglieder des 1978 gegründeten Fußballvereins, sei es aktiv oder passiv. Der aktuelle Vorstand ist großteils auch privat sehr gut befreundet. "Wir brauchen fast keine Sitzung mehr. Es macht echt Spaß", sagt Kert.

In Doren bemüht man sich aktiv um den Nachwuchs. "Wir gehen direkt an die Schulen und werben für den Verein", erzählt Kert. Zwar kann man sich über den Zulauf im Nachwuchs nicht beschweren, „die Herausforderung ist aber, die Jungen zu halten, speziell im Alter zwischen 14 und 16.“

Eine weitere Herausforderung ist es, Trainer für die diversen Teams zu finden. Dabei bezahlt der FC Doren sogar eine Aufwandsentschädigung an die Freiwilligen. Nur eine kleine Wertschätzung, sagt der Obmann, trotzdem nicht selbstverständlich. Vor allem in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten.

"Wir machen viel, um den Verein am Leben zu erhalten", sagt Kert und erzählt von diversen Veranstaltungen, um Geld in die Kasse zu bekommen.

Einen Verein sterben zu lassen, scheint in Vorarlberg ohnehin keine Option zu sein. "Bevor es so weit kommt, würde man alles versuchen, um das zu verhindern", sagt Kert und betont noch einmal die ausgeprägte Vereinskultur im Ländle: "Man würde sich fast gar nicht trauen, einen Verein abzumelden."

"Vereinscoaching" in Oberösterreich

Eine Abmeldung ist generell als Ultima Ratio einzuordnen. Aber wie schauen mögliche Lösungen abseits von Fusionen aus?

Blicken wir nach Oberösterreich, wo der Landesverband schon vor einer Dekade die Initiative übernommen und das "Vereinscoaching" ins Leben gerufen hat.

Dabei handelt es sich um ein spezielles Fortbildungsprogramm, das sich gezielt an Funktionäre von Amateurfußballvereinen richtet. Das Programm hat seine Wurzeln im Jahr 2011. Seither wurde es stetig weiterentwickelt und soll dem Personalschwund auf Funktionärsebene entgegenwirken.

"Die Entscheidungsträger müssen entlastet und die Last auf mehrere Schultern verteilt werden."

Raphael Oberndorfinger

Beim OÖFV will man Funktionäre bestmöglich unterstützen, da sie die "Existenzgrundlage der Vereine darstellen und die Basis für die Aufrechterhaltung des organisierten Spielbetriebs legen", so Raphael Oberndorfinger, der im Verband für das Projekt verantwortlich zeichnet.

"Das Angebot wird mit Hilfe von Experten umgesetzt, die in Broschüren, Kampagnen und vor allem Workshops Inputs liefern. Wir wollen den Vereinen Werkzeuge in die Hand geben und den Ehrenamtlichen Kompetenzen vermitteln, die sie in der Praxis einsetzen können. Über allem steht das große Ziel der Professionalisierung – in einem Ausmaß, wie es Amateurvereinen und ehrenamtlichen Mitarbeitern eben zumutbar ist", erklärt Oberndorfinger.

Dabei spielt auch die finanzielle Komponente (k)eine große Rolle. Das Thema Geld ist für viele Amateurklubs durch Pandemie und Inflation noch elementarer geworden. Diese Hemmschwelle fällt beim Vereinscoaching vollends weg, das umfangreiche Angebot ist völlig kostenfrei.

Immer weniger Personen übernehmen immer mehr Aufgaben

Der Funktionärsschwund führte dazu, dass immer weniger Personen immer mehr Verantwortung und Aufgaben übernehmen. Dies nimmt man auch beim Verband wahr. "Das führt irgendwann zu einer Frustration. Aus diesem Muster müssen wir ausbrechen", weiß Oberndorfinger.

"Die Entscheidungsträger müssen entlastet und die Last auf mehrere Schultern verteilt werden", führt er weiter aus. Denn für "die Ebene darunter gibt es sehr wohl Menschen, die sich für Tätigkeiten gewinnen lassen. Vereine, die das erfolgreich praktizieren, schildern, dass der Schlüssel dazu eine konkrete Ansprache ist", erklärt Oberndorfinger.

Das heiße konkret, man solle "gleich die exakten Aufgabenfelder aufzeigen, wenn man auf potenzielle neue Vereinsmitglieder zugeht. Daher hat der OÖFV sogenannte Jobprofile für die wichtigsten Funktionen erstellt, die als Grundgerüst herangezogen werden können", erklärt er.

Vereine sind mittlerweile wie kleine Unternehmen zu führen
Foto: © GEPA

Die Lage habe sich in den letzten Jahren verändert, "Vereine sind mittlerweile wie kleine Unternehmen zu führen. Das macht es für Ehrenamtliche nicht einfacher, zumal auch gesellschaftliche Entwicklungen reinspielen", weiß er.

Umso wichtiger sei es daher, den Verein als "Fußballverein für alle zu positionieren, als sozialer Anker in der jeweiligen Gemeinde."

Freilich: Oberösterreich ist hier ein Positivbeispiel, in anderen Bundesländern gibt es zudem andere Projekte, um die Klubs zu unterstützen. Eine Sonderstellung hat man in Oberösterreich trotz des erfolgreichen Projekts Vereinscoaching nicht, was man dort auch selbst so sieht.

"Es ist nicht so, dass wir auf dem Elfenbeinthron sitzen und 'Heureka' rufen. Es gibt auch in unserem Bundesland genug Vereine, die händeringend nach Ehrenamtlichen suchen", weist Oberndorfinger darauf hin, dass deswegen längst nicht alles eitel Wonne ist.

Was sich aber jedenfalls sagen lässt: Der Erfolg gibt dem Angebot recht. Zunächst einmal durch die schlichte Dauer des Bestehens (mittlerweile 12 Jahre). Aber auch durch Zahlen, die der OÖFV erhoben hat.

"Wir haben Ergebnisse von Erhebungen, bei denen 98 Prozent der Teilnehmer glauben, dass das Vereinscoaching für eine Weiterentwicklung und Professionalisierung des Fußballs in Oberösterreich sorgt. Und 97 Prozent können die Inhalte gezielt im Verein einsetzen", schildert Oberndorfinger.

Zusammengefasst lässt sich somit sagen, dass es gezielter Maßnahmen bedarf, die sich an den Bedürfnissen der Klubs und deren Verantwortlicher orientieren. Und es braucht Zeit, damit diese ihre Wirkung entfalten können.

Das Vereinscoaching des OÖFV soll hier stellvertretend stehen, als eine von mehreren Möglichkeiten, wie den vielfältigen Herausforderungen des Amateurfußballes jetzt und in Zukunft begegnet werden kann.

Das sind die Maßnahmen des ÖFB

Auch der ÖFB ist sich der Herausforderung bewusst und versucht, auf mehreren Ebenen Akzente zu setzen. Einerseits mit gezielten Angeboten für Frauen. Aktuell liegt der Anteil an Frauen, die in verschiedenen Funktionen im österreichischen Fußball aktiv sind, bei unter zehn Prozent. Ein Blick in die Niederlande – dort sind 150.000 Fußballerinnen aktiv, hierzulande nur 13.000 – zeigt das riesige Potenzial.

Zudem bastelt der ÖFB an einer Lösung für jene Menschen, die beim Übergang vom aktiven Sport zum Funktionärsleben verlorengehen. Viele Spieler über 30 Jahren sind nicht mehr bereit – und oft auch körperlich nicht in der Lage – Großfeldfußball zu spielen. Sie kehren den im ÖFB organisierten Vereinen den Rücken, treffen sich privat regelmäßig zum "Hobbykickerl".

Das ist genau jene Alterskategorie, in der diese Menschen für gewöhnlich für andere Tätigkeiten innerhalb eines Vereins zu gewinnen wären. Dem ÖFB schweben Spielformen bzw. Formate vor, um auch in die Jahre gekommene Fußballer weiter an die Vereine zu binden und somit den Pool an potenziellen Ehrenamtlichen wesentlich zu vergrößern.

Wie gestaltet sich das Vereinsleben in deiner Gemeinde? Welche Herausforderungen gibt es? Welche Lösungen wurden dafür gefunden? Lass es uns in den Kommentaren wissen!


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