Ob dieses Tief beim Länderspiel-Doppel im September - dem ersten Lehrgang nach dem herzzerreißenden Aus bei der EURO - retrospektiv gesehen vielleicht sogar positiv für die Entwicklung des ÖFB-Teams gewesen sei, will man nach dem Spiel in Linz von Teamchef Rangnick wissen.
"Ja, vielleicht war es im Nachhinein gut", antwortet der Deutsche. Angesichts der ausbaufähigen Leistungen von Ljubljana und Oslo habe man im aktuellen Lehrgang bei jedem Training und jeder Besprechung der Mannschaft versucht, klar zu machen, dass es nur gemeinsam, dass es nur mit voller Überzeugung geht.
"Unser Spiel lebt von der Energie, die innerhalb der Mannschaft versprüht wird, aber auch von der Anzahl an Sprints, von der Intensität der Sprints. Ich glaube, es war heute einfach der Schlüssel, dass wir extrem viel in dieses Spiel investiert haben, extrem viel gesprintet sind, extrem viele zweite Bälle gewonnen haben. Wir haben fast jeden zweiten Ball gewonnen", staunt der Teamchef.
Gleichzeitig dürfe man nicht vergessen, dass der EURO-Kater im September noch deutlich größer war, als er es mittlerweile ist: "Dieses Ausscheiden gegen die Türkei hat schon sehr an jedem genagt. Ich selber kann mich nicht erinnern, jemals so lange gebraucht zu haben, ein Spiel zu verarbeiten. Und so ging es den Jungs auch. Wir sind auch alles Menschen. Es war nicht so einfach, den Schalter wieder umzulegen und das auszublenden."
Ausgleichstreffer "schon ein bisschen billig"
Umso wichtiger war es, den ÖFB-Fans mit dem Kantersieg über Norwegen nun ein weiteres rot-weiß-rotes Jahreshighlight geliefert zu haben.
Noten: Acht Einser! Jede Menge ÖFB-Musterschüler
Gegen die Skandinavier hatte man dabei durchaus Glück mit dem Spielverlauf, findet Rangnick. Er meint damit den frühen Pfostenschuss von Erling Haaland. Komplett auszuschalten sei der Manchester-City-Star eben nicht.
"Aber danach haben wir die erste Halbzeit dominiert und wir hätten höher als nur 1:0 führen müssen", so Rangnick, der seine Mannschaft beim Zwischenstand von 1:1 zur Kabinenansprache empfang.
Den Ausgleichstreffer, den man kurz vor Seitenwechsel vom nach einem Freistoß freistehenden Alexander Sörloth eingeschenkt bekam, bezeichnet er als "schon ein bisschen billig".
Umso beeindruckender sei der Auftritt nach Wiederanpfiff gewesen: "Die Reaktion in der zweiten Halbzeit war schon richtig, richtig gut. Vier Tore in der zweiten Halbzeit, und vor allem drei Kopfballtore gegen die größte Mannschaft der Welt, musst du auch erstmal machen. Was mir besonders gefallen hat, war, dass wir bis zum Schluss auf dem Gaspedal geblieben sind. Selbst nach dem vierten und fünften Tor hat die Mannschaft nicht aufgehört zu attackieren."
Es sage schon einiges aus, dass die Norweger nach dem fünften Gegentor eine kurze Mannschaftsbesprechung einlegten, auf der beschlossen wurde, alles dafür zu tun, nicht mit einer noch höheren Pleite im Gepäck nach Hause verabschiedet zu werden.
"Totalschlachtung"? Rangnick: "Können das richtig einschätzen"
Der Schaden war zu diesem Zeitpunkt freilich schon angerichtet. Von der heimischen Presse werden Norwegens Superstars nach der Schmach von Linz in der Luft zerrissen; von einer "Totalschlachtung" schreibt das "Dagbladet".
Rangnick selbst muss auf der Pressekonferenz den norwegischen Medienvertretern erklären, warum ihr Nationalteam trotz eines solch hohen Marktwerts noch immer so unerfolgreich ist.
Der nach der zigsten Frage in diese Richtung sichtlich genervte Deutsche nennt Norwegen "eines der spannendsten Teams Europas", welches für jeden Coach interessant wäre zu coachen. Er sieht Norwegen als Teilnehmer an der WM 2026 und hält fest: "Die Leistung Norwegens wurde auch durch unsere Leistung beeinflusst."