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Offene ÖFB-Fragen für eine erfolgreiche EM-Quali

Österreich ist gut gerüstet. Aber einige Fragen brauchen eine positive Antwort:

Offene ÖFB-Fragen für eine erfolgreiche EM-Quali

Ein Gänsehaut-Moment, der rot-weiß-rote Fußball-Geschichte geschrieben hat.

Der Jubel nach der geschafften Qualifikation für die EURO 2016 in Stockholm - es ist definitiv eines der emotionalsten Bilder dieses ÖFB-Jahrzehnts.

Seither gab es rund um das Nationalteam bekanntlich nicht nur Sonnenschein. Aktuell sind die Vorzeichen allerdings ähnlich wie vor dem Start in die damalige Qualifikation. Man darf dem derzeitigen ÖFB-Kader eine Endrunden-Teilnahme zweifelsohne zutrauen.

So gesehen könnte die EURO 2016 sogar als Zusatzmotivation dienen, es diesmal bei einem Turnier besser zu machen - zumindest für jene, die damals schon dabei waren.

"Der Anteil jener, die ein Teil davon waren, ist mittlerweile relativ klein, aber es ist trotzdem ein Ansporn, weil man Blut geleckt und gemerkt hat, wie toll einerseits eine erfolgreiche Qualifikation und andererseits so ein großes Turnier sein kann. Da möchte man wieder hin! Dieses Kalenderjahr steht absolut im Zeichen der Quali", verdeutlicht Kapitän Julian Baumgartlinger.

Polen (20:45 Uhr im LIVE-Ticker und als LIVE-TALK) werde zeigen, wo man steht, war im Laufe der Vorbereitung aus diversen ÖFB-Mündern zu hören.

Die darin mitschwingende Ungewissheit ist verständlich. Man weiß, dass das Potenzial groß genug ist, um sich in dieser Gruppe zu qualifizieren. Aber das war es auch bei der verpassten Qualifikation für die WM 2018. Das durchschnittliche Abschneiden in der UEFA Nations League hat auch nicht alle Zweifel beseitigt.

Dennoch scheint Österreich gut gerüstet. Einige Fragen sollte man dennoch nicht außer Acht lassen. Eine Bestandsaufnahme mit vergleichendem Blick in den Rückspiegel:

WIE GUT GREIFEN FODAS IMPULSE?

Besagte Ungewissheit muss nichts Schlechtes sein. Auch im Herbst 2014 vor dem Startschuss in die erfolgreiche EM-Quali 2016 konnte man nicht zwingend von jenem Selbstläufer ausgehen, zu dem sich diese Kampagne in der Folge entwickelt hat.

Franco Foda ist inzwischen lange genug Teamchef, um dem Kader seine eigene Handschrift verliehen zu haben - sei es personell oder taktisch. Er hat jenen Umbruch, den 2017 schon sein Vorgänger Marcel Koller begonnen hat, weiter vorangetrieben und dem ÖFB-Team vor allem auf dem Platz neue Impulse gegeben. Stichwort Flexibilität.

Baumgartlinger: "Unsere Arbeit in den letzten eineinhalb Jahren ist darin gelegen, dass wir ein wenig unsere Identität gesucht haben. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir flexibel geworden sind und mehrere Systeme spielen können, dass wir diese Systeme aber nicht beinhart 90 Minuten durchziehen müssen, sondern im Match auch auf den Spielstand reagieren können."

Es steht außer Frage, dass das ÖFB-Team inzwischen schwieriger ausrechenbar ist. Dieser Fortschritt ist ein großer Vorteil. Der Nachteil ist, dass das ÖFB-Spiel naturgemäß weniger eingespielt wirkt als in der besten Phase unter Koller, als ein Rädchen perfekt ins andere griff.

Da gerade auf Nationalteam-Ebene besonders wenig Zeit bleibt, um Inhalte zu verinnerlichen, ist Eingespieltheit ein großer Trumpf. Foda bewältigt den Spagat zwischen vertrauten Inhalten und neuen Akzenten bislang jedoch so, dass es kein gravierendes Problem darstellt. Im Gegenteil, er versucht die gleichbleibenden Prinzipien immer und immer wieder zu verfestigen.

Besonderen Wert legt der Deutsche auf kompaktes Auftreten. Defensiv scheint das Nationalteam auch wieder ähnlich gefestigt wie in der erfolgreichen EM-Quali, in der man in zehn Spielen nur fünf Gegentreffer hinnehmen musste - zwei davon in Montenegro nach bereits geschaffter Quali. In der Ausscheidung für die WM 2018 blieb man nur in den beiden Duellen mit Moldawien ohne Gegentreffer, was sich letztlich als zu große Hypothek erwies.

"Wenn wir so kompakt auftreten wie zuletzt, wissen wir, dass es für die Gegner schwer ist, gegen uns Chancen herauszuspielen oder auch Tore zu machen", betont Torhüter Heinz Lindner.

WER HEIZT DEN KONKURRENZKAMPF ERFOLGREICH AN?

Der aktuelle Lehrgang ist ob der zahlreichen verletzungsbedingten Absagen vielleicht nicht das beste Beispiel, aber dennoch hat sich der Kampf ums Leiberl in der Startelf deutlich verschärft. Auch gegen Polen wird der eine oder andere Akteur auf der Bank Platz nehmen müssen, dem man durchaus zutrauen kann, von Beginn an eine Bereicherung zu sein.

Im September 2014 startete Österreich beim 1:1 gegen Schweden mit folgender Elf in die EM-Qualifikation: Almer; Klein, Dragovic, Hinteregger, Fuchs; Alaba, Baumgartlinger; Harnik, Junuzovic, Arnautovic; Janko.

Dies ist übrigens die exakt gleiche Elf, die knapp zwei Jahre später bei der EURO das erste Gruppen-Spiel gegen Ungarn bestritt. "Stammelf-iger" geht's nicht mehr. Die damalige Stammelf kann wohl heute noch fast jeder ÖFB-Fan im Schlaf herunterbeten und sie brachte auch viele bereits zu Genüge diskutierte Vorteile mit sich.

Foda setzt ebenfalls gerne auf ein relativ fixes Gerüst. Sein Vorteil ist jedoch tendenziell, dass sich inzwischen mehr Herausforderer gefunden haben, die in die Startformation drängen. Auf diversen Positionen finden sich Kandidaten auf ähnlichem Niveau, der Teamchef kann gegner- und formabhängiger rochieren.

Baumgartlinger tut sich auch deshalb schwer, die damalige Gruppe mit der aktuellen zu vergleichen: "Denn die Kader-Struktur und die Spielertypen sind verschieden. Es sind einige gut reingewachsen durch ihre Qualität, die sie tagtäglich in ihren Ligen beweisen. Dieser Konkurrenzkampf ist auch ganz wichtig für unsere Gruppe. In den Trainings sieht man einfach, wie gut ausgebildet selbst die jungen Spieler, die noch nicht oft dabei waren, sind. Das ist eine gute Voraussetzung, um in eine Qualifikation zu starten."

Sagen wir so: Die Wahrscheinlichkeit, dass im Falle einer geschafften Qualifikation die Startelf beim ersten Gruppen-Spiel der EURO 2020 ident ist mit jener des Auftakts gegen Polen, ist diesmal überschaubar hoch.

Umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der eine oder andere Akteur, der sich noch nicht als Stammkraft fühlen darf, im Laufe dieser Qualifikation den Sprung zum Leistungsträger schafft. Kandidaten gibt es einige, zum Beispiel Xaver Schlager, Konrad Laimer oder Hannes Wolf, der diesmal verletzt absagen musste. Auch bei den jungen Innenverteidigern wie Stefan Posch, Maximilian Wöber, Philipp Lienhart oder Kevin Danso ist eine entsprechende Entwicklung alles andere als ausgeschlossen.

"Wir haben viele hungrige Spieler mit hoher Qualität. Wenn wir Ausfälle haben, werden Spieler nachberufen, die potenziell auch direkt in die Startformation rutschen könnten", unterstreicht Baumgartlinger.

BILDET SICH EINE GUT FUNKTIONIERENDE HIERARCHIE?

Das ähnliche Leistungslevel vieler Spieler bringt viele Vorteile mit sich. Andererseits verfügt dieser Kader momentan über keine wirklich klare Hierarchie. Dies muss nicht zwingend ein Nachteil sein, andererseits fühlte sich Foda zuletzt wohl nicht ohne Grund bemüßigt, den einen oder anderen Spieler herauszufordern, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Und der Teamchef wird es vermutlich ebenso nicht ohne Grund für notwendig befinden, mit Sebastian Prödl einen der vier klaren Leader dieses Kaders trotz fehlender Vereins-Spielpraxis zu nominieren, um weiterhin auf dessen umsichtige Führungsqualitäten zurückzugreifen.

Baumgartlinger, Marko Arnautovic und David Alaba sind die anderen drei Anführer. Dass Marc Janko nun beim dritten Lehrgang in Folge nachnominiert wurde, ist gerade auf diesem Gebiet ebenso ein Plus.

Martin Hinteregger, Aleksandar Dragovic und Florian Grillitsch nannte Foda bei seinem Aufruf namentlich. Aber auch andere Spieler sind eingeladen, voranzugehen und diesbezüglich den nächsten Schritt zu machen.

"Letztendlich geht es immer auch um Hierarchien innerhalb einer Mannschaft", betont der Teamchef, "mit Julian, Marko, David und Basti haben wir absolute Führungsspieler. Mir ist trotz allem wichtig: Auf dem Platz muss jeder Spieler Verantwortung übernehmen, nicht nur verbal. In jedem Spiel gibt es schwierige Situationen, und da benötigt es Spieler, die genau in diesen Phasen bereit sind, Bälle zu fordern, das Spiel zu gestalten und zu lenken, die Mitspieler mitzureißen."

Am einfachsten steigt man in der Hierarchie natürlich durch Leistung. Es wäre wünschenswert, wenn man nach dieser Qualifikation beim ÖFB-Team von mehr als vier Häuptlingen sprechen könnte.

Auf diesen Gebiet besteht im Vergleich zur 2016er-Quali definitiv noch Nachholbedarf. Damals war die Hierarchie unter zahlreichen Chefs flach. Denn auch Akteure wie Janko, Zlatko Junuzovic, Martin Harnik, Christian Fuchs oder Robert Almer waren es gewohnt, auf und abseits des Platzes voranzugehen. Gerade die Kommunikation nach außen ist ein Gebiet, das man nicht unterschätzen sollte.

Andererseits ist es nicht so, dass das aktuelle Aufgebot nicht genügend Kandidaten bieten würde, denen man sowohl Leistung als auch Sprachrohr-Funktion zutrauen könnte.

WER SCHIESST DIE TORE?

Die Beantwortung dieser an sich banalen Frage ist im Laufe dieser Qualifikation besonders wichtig. Gleichzeitig verdeutlicht dieser Punkt auch recht schön, wie sich die Zeiten ändern.

Beim Auftakt in die Qualifikation für die EURO 2016 war die Torsperre von Arnautovic ein großes Thema, er hatte damals seit Juni 2012 kein Länderspiel-Tor mehr erzielt. Erlöst wurde er schließlich im März 2015 beim 5:0 in Liechtenstein.

In der Zwischenzeit ist er Österreichs verlässlichster Torschütze.

Die Stürmer-Problematik ist eine vieldiskutierte und muss hier wohl nicht mehr im Detail analysiert werden. Klar ist allerdings: Ohne die entsprechende Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor wird es auch in dieser Ausscheidung schwierig.

Das weiß auch Arnautovic: "In der WM-Qualifikation hatten wir auch sehr gute Spiele, aber wir haben ein bisschen mit der Chancenverwertung gehadert."

Ein verlässlicher Torjäger wie es Janko war, wäre Gold wert für dieses ÖFB-Team. Sollte sich das Toreschießen auf mehrere Schultern verteilen - auch gut. Stand jetzt ruhen die größten Hoffnungen jedenfalls auf Arnautovic.

"Aber deswegen verspüre ich überhaupt keinen Druck. Gegen Polen und Israel werde ich das Gleiche machen, was ich in den letzten zehn Jahren im Nationalteam gemacht habe. Ich werde alles geben und versuchen, der Mannschaft mit einem Assist oder einem Tor zu helfen."

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AGIERT MAN WIEDER GNADENLOS ERGEBNISORIENTIERT?

Nachdem man in der Quali für die WM 2014 teilweise in Schönheit gestorben ist - vor allem beim 1:2 im Showdown mit Schweden -, haben sich die ÖFB-Spieler unter Anleitung von Koller im Vorfeld der Qualifikation für die EURO 2016 auf gnadenlose Ergebnisorientiertheit eingeschworen und dies auch eiskalt durchgezogen.

Nach der geschafften Quali ging dies ein wenig verloren. Foda ist ein Trainer, bei dem man sich wenig Sorgen machen muss, dass er im Fall der Fälle nicht besonders nüchtern das Resultat an die oberste Stelle stellt.

Ein gewisses Spiel-für-Spiel-Denken ist vielleicht langweilig, aber gerade in einer relativ ausgeglichenen Gruppe kein Fehler.

Auch Arnautovic fordert diese Mentalität: "Schön, dass wir mit zwei Highlights gegen Polen und Israel starten, aber meine Motivation wäre gegen Lettland oder Mazedonien keine andere. Alle Nationen machen Fortschritte, deswegen dürfen wir in dieser Gruppe auf keinen Fall auch nur eine Mannschaft unterschätzen. Wir müssen in jedes Spiel mit 110 Prozent reingehen! Wenn wir das machen, können wir gegen jede Mannschaft bestehen."

GELINGT ES, WIEDER EINE EINHEIT MIT DEN FANS ZU BILDEN?

Stimmen die Ergebnisse, werden so wie in der Qualifikation für die EM 2016 auch Tickets für die Heimspiele wieder zu einem begehrten Gut. In der damaligen Phase musste man sich durchaus beeilen, um sich eine Eintrittskarte zu sichern.

Diesen Stellenwert hat sich die aktuelle ÖFB-Generation noch nicht erarbeitet. Einen Tag vor dem Duell mit dem stärksten Gruppen-Gegner Polen waren noch genügend Karten zu haben, wenngleich die im Vorverkauf abgesetzten 37.500 Tickets für eine gute Kulisse sorgen sollten.

"Man kann sicher happy sein, dass wir nicht ins Stadion kommen und nur 12.000 Zuschauer dort sitzen, sondern dass es voller ausschauen wird", freut sich Arnautovic, "wir brauchen die Unterstützung und versuchen natürlich, die Fans und unsere Nation happy zu machen."

Der Hinweis auf die Notwendigkeit der Unterstützung ist keine Floskel. Am Weg nach Frankreich bildeten das Nationalteam und seine Anhänger eine Einheit, deren Bedeutung für den Erfolg man nicht unterschätzen sollte.

Sollte die überwiegende Mehrheit der aktuell noch zumindest zum Teil offenen ÖFB-Fragen im Jahr 2019 eine positive Beantwortung finden, muss man sich um den Publikums-Zuspruch in der näheren Zukunft wohl kaum Sorgen machen.

Umso wichtiger ist ein gelungener Start gegen Polen und Israel.


LAOLA1 begleitet das Duell mit Polen nicht nur wie gewohnt mit dem LIVE-Ticker, sondern erstmals auch mit unserem beliebten LIVE-TALK "Out Of The Box".

Johannes Kristoferitsch und Harald Prantl werden ab 20:45 Uhr das Spiel live kommentieren und dabei alle wichtigen Fragen rund um das Match beziehungsweise das Nationalteam erörtern.

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