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ÖFB-Team: Was ist da passiert?

Warum Teamchef Foda nach schwierigem Lehrgang Bedenken für die Zukunft hat.

Dass Österreich soeben seine Nations-League-Gruppe gewonnen und somit zu den A-Nationen aufgestiegen ist, konnte man nach dem 1:1 gegen Norwegen nicht erahnen.

Im Happel-Stadion dominierte eher die Irritation über das Dargebotene gegen eine zusammengewürfelte Mannschaft aus dem hohen Norden, die am Montag nominiert wurde und insgesamt ein Mal miteinander trainierte.

"Wir wollen jetzt nicht nach Ausreden suchen, sondern Fakt ist, dass dieser Lehrgang insgesamt vom spielerischen Niveau, das wir uns vorstellen und auch schon gezeigt haben, natürlich nicht am höchsten Level war. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren, das steht fest", gibt Teamchef Franco Foda zu und meint:

"Trotz allem muss man immer das gesamte Spektrum sehen, und das muss ich als Trainer eben auch dementsprechend beurteilen."

Es stellt sich die Frage nach dem Warum. Was ist da passiert? Warum hat das ÖFB-Team zwar ergebnistechnisch einen guten Länderspiel-Herbst hingelegt, aber in dessen Verlauf seinen Flow zunehmend verloren?

Foda hat einige Erklärungsansätze, und um es vorwegzunehmen: Der 54-Jährige ist nicht allzu optimistisch, dass es 2021 auf Anhieb einfacher wird.

Grbic rettet das ÖFB-Team:

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

KEINE LUST?

Die pandemiebedingte Situation ist, wie sie ist. Marcel Sabitzer hat sein Unverständnis über das Stattfinden dieses Lehrgangs zum Ausdruck gebracht und dafür Zustimmung geerntet.

Daraus abzuleiten, dass manche Spieler keinen Bock auf diesen Lehrgang hatten, lässt der Teamchef überhaupt nicht gelten:

"Die Spieler hatten Lust auf das Nationalteam. Sie wollen ja spielen, sie wollen erfolgreich spielen, sie wollen auch gut spielen. Es ist ja keiner hier bei uns, der absichtlich Fehler macht oder nicht gut spielt."

Sabitzers Aussage habe sich auf die hohe Belastung für die mit ihren Vereinen auch international tätigen Nationalspieler bezogen - und bei diesem Argument ist Foda voll dabei.

DIE HOHE BELASTUNG:

Immer wieder würden ihn Vereine kontaktieren, ob es nicht möglich sei, ihre Spieler zu schonen.

"Das ist halt nicht immer möglich, gerade wenn es um ein Wettbewerbsspiel geht", betont Foda, "letztendlich wollen wir auch Spiele gewinnen. Ich bin Trainer des Nationalteams, wir müssen auch erfolgreich sein. Die Spieler stehen dann immer zwischen Nationalteam und Verein."

Trotz allem würden alle gerne kommen: "Zum Beispiel Marko Arnautovic, der alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, damit er anreisen kann. Das hat nichts mit Lust zu tun, sondern man sieht einfach, dass der eine oder andere vielleicht etwas überspielt ist. Und das wird noch dramatischer werden."

Noch dramatischer?

DIE BEDENKEN FÜR DIE ZUKUNFT:

Foda erinnert an die guten Phasen während der beiden Camps im September und im Oktober. "Aber dieser Lehrgang war extrem schwierig", weiß der Deutsche.

"Ich habe natürlich meine Bedenken für die Zukunft, auch für den nächsten Lehrgang im März. Von der Intensität her wird es für die Spieler, die international spielen, noch mehr. Im Winter haben sie kaum eine Winterpause."

Franco Foda

Man habe die fehlende Frische einiger Spieler gespürt, in gewissen Situationen die fehlende Dynamik. Entsprechend bereitet es Foda enorme Sorgen, dass das Programm für seine Schützlinge nicht gerade entspannter wird:

"Ich habe natürlich meine Bedenken für die Zukunft, auch für den nächsten Lehrgang im März. Von der Intensität her wird es für die Spieler, die international spielen, noch mehr. Im Winter haben sie kaum eine Winterpause. Manche haben nur drei Tage Urlaub, Anfang Januar beginnt in Deutschland wieder die Meisterschaft, und dann spielen sie eigentlich das Jahr komplett durch."

Ob und wie sich das beim großen Highlight, der EURO niederschlägt, wird sich weisen. Vor dieser steht aber immerhin eine längere Vorbereitung auf dem Programm, in der man die Belastung entsprechend steuern kann.

Davor geht es jedoch im März mit der WM-Qualifikation los, also mitten in der heißen Vereins-Phase. Schon diesmal hat man versucht Rücksicht zu nehmen, weshalb einige Kadermitglieder erst nach dem Luxemburg-Spiel ins Camp eingestiegen sind.

Gut möglich, dass Foda und sein Betreuerstab im Hinblick auf 2021 weitere Erkenntnisse aus diesem Lehrgang ziehen. Zumindest kündigt der Teamchef Maßnahmen an.

GEPLANTE ÄNDERUNGEN:

"Ich denke, dass wir in naher Zukunft vielleicht die eine oder andere Situation innerhalb unserer Mannschaft verändern werden", meint Foda.

Ein Satz, der natürlich hellhörig macht. Was konkret?

Der ÖFB-Coach denkt weniger an gravierende Änderungen am Personal, auch wenn die Rückkehr von Shootingstar Christoph Baumgartner oder Konrad Laimer sicher keinen Nachteil darstellen werden.

"Da geht es nicht explizit um die Mannschaft, sondern um alles", will Foda diesen Lehrgang erst intensiv analysieren und dann beispielsweise an den Abläufen schrauben.

Laut UEFA-Vorschrift hockt der Kader ein komplettes Camp lang quasi in seiner Bubble aufeinander, abseits von Trainings und Spielen habe man das Hotel nur einmal verlassen - zu einem gemeinsamen Spaziergang.

"Es gibt Überlegungen, was man verändern könnte, damit wir uns nicht zehn Tage immer nur in unseren Räumen bewegen können", erklärt Foda.

Die Erkenntnisse aus den vergangenen zehn Tagen könnten sich jedoch sehr wohl auch in den Aufstellungen bemerkbar machen.

MEHR ROTATION IN PFLICHTSPIELEN?

Das ÖFB-Team hat einen relativ festen Stamm, wogegen im Normalfall auch nichts spricht. Im Gegenteil.

"Es gehört sicher zu den Erkenntnissen nach solch einem Lehrgang, dass man vielleicht doch mehr rotieren muss, wenn die Spieler viele Spiele in den Beinen haben und überstrapaziert sind."

Franco Foda

Derzeit ist die Situation jedoch nicht normal, und vermutlich wird sie es auch im März nicht sein. Das Norwegen-Match könnte angedeutet haben, dass ein frischer Backup eine schlauere Variante sein könnte als ein überspielter und müder Stammspieler.

Ein Gedanke, dem Foda etwas abgewinnen kann: "Ja, es ist durchaus eine Überlegung, dass man mehr rotiert, wenn man mehr Pflichtspiele hat."

Diesmal sei die Idee gewesen, wenig zu verändern und auf funktionierende Automatismen zu setzen: "Deswegen wollte ich die Mannschaft nicht umkrempeln, das war die Intention. Aber das gehört sicher zu den Erkenntnissen nach solch einem Lehrgang, dass man vielleicht doch mehr rotieren muss, wenn die Spieler viele Spiele in den Beinen haben und überstrapaziert sind."

Dieser Lehrgang habe laut Chefcoach zudem gezeigt, dass Österreich personelle Alternativen habe.

DIE FEHLER GEGEN NORWEGEN:

Die müde Performance gegen die Skandinavier möchte Foda jedoch nicht alleine auf müde Beine und Köpfe reduzieren.

"Trotz allem kann man sich in der einen oder anderen Spielsituation anders verhalten. Unsere einfachen Abspielfehler hatten nichts mit der Müdigkeit zu tun. Die spürt man, wenn man gegen den Ball spielt. In der Rückwärtsbewegung merkt man, ob ein Spieler Dynamik hat, ob er frisch ist oder nicht", verdeutlicht Foda.

Gegen Norwegen war die Rückwärtsbewegung in manchen Szenen bedenklich schlecht.

Vorne haperte es 93 Minuten lang an der notwendigen Effizienz (Foda: "Im Torabschluss müssen wir besser werden"). Hieß es zuletzt, man tut sich gegen tief stehende Gegner schwer, ließ man diesmal einen zumindest in Phasen früh attackierenden Gegner ziemlich gut ausschauen.

Foda: "Wir müssen in Zukunft einige Dinge besser machen."

DER GEGNER:

Es wäre arrogant zu behaupten, dass die bescheidene ÖFB-Leistung gar nichts mit dem couragierten Auftreten des Kontrahenten zu tun hat.

Für diverse Norwegen war es die Chance schlechthin, einmal ihr Land zu vertreten, entsprechend warfen sie alles in die Waagschale.

"Uns war bewusst, dass der Gegner nichts zu verlieren hat. Sie konnten Geschichte schreiben."

Franco Foda

"Uns war bewusst, dass der Gegner nichts zu verlieren hat. Sie konnten Geschichte schreiben", meint Foda und will die Qualität der norwegischen Spieler nicht unterschätzt wissen:

"Obwohl sie nur ein Training hatten, wussten wir, dass solche außergewöhnlichen Situationen eine Mannschaft manchmal beflügeln. Es waren fast alles Legionäre, die im Ausland regelmäßig zum Einsatz kommen und in ihren Vereinen eine wichtige Rolle spielen."

Dass Österreich über mehr Qualität verfügt, war dennoch klar. Aber man kennt solche Situationen aus dem Cup, wenn Underdogs über sich hinauswachsen.

"Dieses Spiel hatte unterschiedliche Voraussetzungen. Eine Mannschaft, die komplett alles verlieren konnte. Das war natürlich eine andere Drucksituation", rechtfertigt der Teamchef und ergänzt:

"Klar weiß ich, dass unsere Spieler in der Bundesliga Woche für Woche mit solchen Situationen konfrontiert werden. Aber es sind nur Menschen, das darf man nie vergessen. Es sind keine Maschinen."

FODA IST NICHT ALLEIN:

Dass der nächste Nationalteam-Break erst in vier Monaten im Kalender eingetragen ist, ist in normalen Zeiten ob der langen Pause ein Ärgernis für Teamchefs. Aktuell ist es aber wohl kein Fehler, wenn gerade hoch belastete Akteure mal "nur" beim Verein zum Zug kommen.

Ein Umstand, der nicht nur für Österreich gilt. 

"Mit den Aussagen, die ich hier treffe, bin ich nicht der einzige Nationaltrainer", streicht Foda hervor, "da braucht man sich nur die Interviews anderer Teamchefs anschauen. Letztendlich treffen sie genau die gleichen Aussagen wie ich."

Über Erfolg und Misserfolg 2021 kann somit auch entscheiden, wer aus den Schwierigkeiten dieses Länderspiel-Herbsts die besten Schlüsse zieht.

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