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ÖFB: Pröll äußert sich zu Nationalstadion-Vorhaben

Der neue ÖFB-Aufsichtsratsvorsitzende spricht im Interview mit der Austria Presse Agentur über seine künftigen Aufgaben. Auch das Nationalstadion ist Thema.

ÖFB: Pröll äußert sich zu Nationalstadion-Vorhaben Foto: © GEPA

Mit der Wahl von Josef Pröll zum neuen ÖFB-Chef beginnt für den Fußballverband eine neue Ära - und für Pröll wohl eine alles andere als stressfreie Zeit.

Der Ex-Vizekanzler will unter anderem den zerstrittenen Verband einen, mit dem A-Team zur WM 2026 fahren und auch ein mögliches neues Nationalstadion nicht aus den Augen verlieren, wie er im Interview mit der APA erklärt.

APA: Welche ersten Amtshandlungen sind von Ihnen zu erwarten?

Pröll: Ich werde offensiv auf die operative Mannschaft zugehen, zu den Menschen, die für den ÖFB arbeiten, und mit ihnen Gespräche führen. Ich will mir einen Überblick über die Situation und die Abläufe verschaffen. Das ist abseits des Funktionärsbereichs extrem wichtig, denn in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ÖFB liegt unsere größte Hoffnung und unser größter Schatz. Es wird am Anfang intensiv sein, Menschen kennenzulernen, die Herausforderungen genau auszuloten, Entscheidungen mitzugestalten. Aber diese Zeit werde ich mir nehmen.

Mit dem Teamchef und vielen anderen hatte ich schon informellen Austausch, diesen Kontakt werde ich intensivieren. Dann werden wir es angehen, die Strukturreform umzusetzen und zu überlegen, welche Strategie der ÖFB insgesamt einschlagen wird. Und dann steht alles im Zeichen der am 7. Juni gegen Rumänien beginnenden WM-Qualifikation, wo wir im November eindeutig am Tisch haben wollen, dass Österreich nach 28 Jahren wieder zur WM fährt. Dem ist alles unterzuordnen.

APA: Nachdem Sie sich bereits einen ersten Überblick verschafft haben - wie sehen Ihre ersten Erkenntnisse aus?

Pröll: Der ÖFB im operativen Bereich und auch im Funktionärsbereich lechzt nach Ruhe. Es gab viele Herausforderungen auf verschiedensten Ebenen, und ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass sie nicht mehr da sind. Das hat historische und persönliche Gründe. Aber das alles darf, was die sportliche Zielerreichung betrifft, kein Hemmschuh sein, dazu möchte ich meinen Anteil beitragen.

Ich war und bin es gewohnt, in komplexen Organisationseinheiten tätig zu sein. Ich war in der Politik. Auch in einer Partei, die sehr föderal aufgestellt war, mit allen Herausforderungen. Ich bin jetzt in einem Konzern der Lebensmittelindustrie tätig (Anm.: Generaldirektor von Leipnik-Lundenburger), mit über 3.000 Mitarbeitern und über einer Milliarde Euro Umsatz. Das ist mein hauptberuflicher Kernbereich.

Ich möchte meine Management-Kapazität und meine Erfahrung aus der Politik in den ÖFB einbringen. Mein Büro befindet sich im selben Wiener Bezirk wie die ÖFB-Geschäftsstelle, damit sind die Wege kurz. Ich glaube schon, dass es ein Vorteil ist, dass ich in Wien tätig bin. Ich möchte es sehr professionell und distanziert zur Vergangenheit angehen.

APA: Wie sehr werden sich die Konflikte der Vergangenheit auf Ihre Arbeit beim ÖFB auswirken?

Pröll: Ich habe mit niemandem im ÖFB, weder auf Funktionärsebene noch auf Ebene des operativen Bereichs, eine enge persönliche Bindung, eine persönliche Geschichte. Ich bin frei von Befangenheit, und das möchte ich nutzen. Mir ist klar, dass historische und persönliche Gräben nicht von einem Tag auf den anderen zugeschüttet werden können. Aber ich möchte einfach meinen Beitrag leisten.

Ich habe mich nicht offensiv um diesen Job beworben. Ich wurde gebeten und gefragt, ob ich mir das vorstellen kann. Ich habe zugesagt und gehe mit einem klaren Ziel, den österreichischen Fußball weiterzubringen, in diese Herausforderung .

Das sind alle ÖFB-Präsidenten seit 1976

APA: Gemäß Strukturreform sind Sie nicht ÖFB-Präsident, sondern ÖFB-Aufsichtsratsvorsitzender mit weniger Kompetenzen als die Präsidenten zuvor. Wie werden Sie in Ihrem Amt agieren? Als Kontrollorgan oder auch operativ tätig?

Pröll: Ich werde sicher nicht jeden Tag im Büro sein und tief in die operativen Einheiten des ÖFB eingreifen, aber es wird auch nicht ausschließlich eine klassisch kontrollierende Tätigkeit sein. Ich werde mich nicht damit begnügen, mehrmals im Jahr Vorsitzender einer Aufsichtsratssitzung zu sein. Es ist eine Übergangsphase notwendig, in der ich sehr eng im Funktionärsbereich, aber auch im operativen Bereich versuchen werde, alles wieder zusammenwachsen zu lassen, und das ist komplex. Jeder muss seinen Platz einnehmen, damit wir erfolgreich sind.

Es kann kein Team Pröll geben, kein Team Gartner, kein Team Geisler, kein Team Neuhold, kein Team Hollerer, kein Team irgendwas. Es kann nur Rot-Weiß-Rot geben. Und dahin müssen wir kommen. Mit allen unseren tollen Fußballerinnen und Fußballern im Profibereich, in der A-Nationalmannschaft, bei den Frauen, und vor allem auch im Breitensport. Fußball über alles. Das ist der Wahlspruch, und nichts anderes zählt. Ich erwarte Professionalität auch in wirtschaftlichen Belangen. Die Frage ist: Wie schauen die Budgets für die Zukunft aus, mit und ohne WM-Teilnahme? Haben wir genug Ressourcen? Haben wir die richtigen Leute an der richtigen Stelle?

APA: Die Strukturreform sieht die Installierung eines ÖFB-CEO vor. Wann wird diese Personalentscheidung getroffen?

Pröll: Der Posten wird ausgeschrieben, aber hier ist es für konkrete Angaben noch zu früh. Bis zum Ende der WM-Quali braucht es für den Teamchef und die Mannschaft absolute Ruhe, und dafür werde ich sorgen. Keinen interessiert, wer in der Vergangenheit mit wem gestritten hat. Alles ist dem Ziel einer WM-Teilnahme unterzuordnen. Und dann werden wir klarer sehen, was organisationstechnisch nötig ist.

APA: Das heißt, Generalsekretär Thomas Hollerer und Geschäftsführer Bernhard Neuhold bleiben zumindest in den kommenden Monaten im Amt?

Pröll: Ich habe keinen Grund, überstürzte Entscheidungen zu treffen. Ich habe mit beiden schon Gespräche geführt und werde das intensivieren. An dieses Thema gehe ich objektiv und ohne Voreingenommenheit heran. Ich habe niemandem gegenüber Vorurteile oder historische Hypotheken.

APA: Konflikte gibt es nicht nur zwischen Neuhold und Hollerer, sondern auch zwischen Rangnick und Teilen des Präsidiums. Wie werden Sie mit dieser Situation umgehen?

Pröll: Ich habe allen handelnden Personen gesagt, dass wir zur ursprünglichen Aufgabenverteilung zurück müssen. Es muss Schluss sein mit diesen öffentlichen Kommentaren.

APA: Ein Grund für die Meinungsverschiedenheiten war das Geld - Rangnick will mehr fürs A-Team, der Großteil des Präsidiums mehr für den Breitenfußball. Wie ist es gemäß Ihren Informationen um den finanziellen Zustand des ÖFB bestellt?

Pröll: Ich stehe da erst am Beginn, weil ich bisher natürlich keine Einsicht hatte. Klar ist, dass wir eine Verantwortung haben, die Mittel des ÖFB effizient einzusetzen. Ich erwarte mir eine korrekte Fünf-Jahres-Planung des Budgets, ich erwarte mir bei einem Infrastrukturprojekt (Anm.: ÖFB-Campus in Wien-Aspern) nicht nur, dass man weiß, wie viel die Errichtung kostet, sondern auch, wie viel der Betrieb kostet. Gibt es hier Business-Pläne? Ich kenne sie noch nicht, werde sie aber auf jeden Fall einfordern.

APA: Wie stehen Sie zum Bau eines Nationalstadions? Ist das in Zeiten von Wirtschaftskrise und Sparpaket realistisch?

Pröll: Ich würde nicht sagen, dass es unrealistisch ist. Die Zeiten sind schwierig, doch es wäre falsch zu sagen, es wird niemals möglich sein. Man sollte ein Ziel nicht aus den Augen verlieren, man muss aber den richtigen Zeitpunkt wählen. Wenn man die öffentlichen Budgets kennt, weiß man, dass jetzt gerade der denkbar schlechteste Zeitpunkt ist, und ohne öffentliche Mittel werden wir so ein Projekt nicht realisieren können.

Das kann aber in einem halben Jahr oder in einem Jahr schon ganz anders sein. Viel wird auch von sportlichen Erfolgen abhängen, von Euphorie und einer breiten Zustimmung zu so einem Projekt. Ein multifunktionales Nationalstadion wird auf jeden Fall auf der Tagesordnung bleiben. Die Debatte auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben, wird's nicht spielen.

APA: Mit Ihrer Person sind viele Hoffnungen verknüpft, was eine Beruhigung innerhalb des ÖFB, aber auch etwa die Akquirierung neuer Sponsoren betrifft. Sind diese Hoffnungen berechtigt?

Pröll: Ich kann nur einen Puzzleteil zur Entwicklung des ÖFB und des Fußballs in Österreich beitragen, den will ich allerdings mit voller Energie einbringen. Die Leute, die mich kennen, wissen, dass ich nicht locker lasse und mit meinen Möglichkeiten versuche, das Beste rauszuholen, wobei ich gar nicht glaube, dass das Sponsoraufkommen das Problem des ÖFB ist.

Viel diffiziler ist, dass die Menschen wieder zueinander finden und an einem Strang ziehen. Ich sehe es als Riesenvorteil, dass ich jedem Mitarbeiter und Funktionär völlig unbelastet gegenübertreten kann, trotzdem müssen die Leute auch bereit sein, diesen Schritt mit mir zu gehen. Die Menschen, die mich gewählt haben, müssen auch ihren Teil dazu beitragen, den Schritt der Versöhnung und der Neugestaltung zu gehen.

APA: Nach Ihrer Bestellung gab es Kritik wegen Ihrer Vergangenheit als Ex-ÖVP-Chef. Wie stehen Sie dazu?

Pröll: Das ist logisch, ich bin auch keiner, der sich vor der Vergangenheit wegdrückt. Aber ich übe seit 14 Jahren keine politische Funktion mehr aus. Man will die Fähigkeiten eines Topmanagers und Toppolitikers, will aber keine politische Vergangenheit? So etwas wird es nicht geben. Klar ist auf jeden Fall, dass Parteipolitik im Fußball nichts verloren hat. Ich war 13 Jahre lang Landesjägermeister von Niederösterreich und habe in dieser Zeit nie Parteipolitik gemacht. Ich habe mit allen ein sehr offenes Gesprächsklima, bin im Austausch mit dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler, dem Wiener Bürgermeister und habe auch guten Kontakt zu den Grünen und zur FPÖ.

APA: Kritik an Ihrer Person gab es auch, weil die Wiener Austria einen Schuldenberg anhäufte, als Sie Mitglied des Aufsichtsrats und später Vizepräsident waren.

Pröll: Es gab damals Herausforderungen in der Entstehung des Stadions, auch in der Frage der Unterstützung durch die Stadt Wien, die so nicht gekommen ist, wie sie mehrmals avisiert worden war, aber dazu gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen. Die Entscheidung, das Stadion umfassend auszubauen, war sportpolitisch richtig. Doch die Euphorie nach dem Meistertitel und der Champions League 2013 ist damals abgerissen, man hat mit Europacup-Einnahmen kalkuliert, die ausgeblieben sind.

Der fehlende sportliche Erfolg plus der Zinsanstieg und Themen rund um das Stadion haben dann zu dieser finanziellen Herausforderung geführt, die jetzt Gott sei Dank gelöst worden ist. Aber wir hatten extrem harte und klare Diskussionen in diesen Jahren.

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