Wenn der FC Salzburg in der Nacht auf Freitag auf Real Madrid trifft, erübrigt sich die Frage nach dem Favoriten.
Zu eindeutig verlief das jüngste Aufeinandertreffen im Endspurt der vergangenen Champions-League-Ligaphase. Zu unverhohlen bekamen die Mozartstädter bei der 1:5-Schlappe im ehrwürdigen Bernabeu vergangene Saison den Qualitätsunterschied aufgezeigt.
Ausgerechnet im finalen Gruppenspiel der revolutionierten FIFA Klub-WM kommt es nun zur Neuauflage (Freitag, ab 3:00 Uhr im LIVE-Ticker >>>). Doch es ist nicht dasselbe Real Madrid, mit dem es die "Bullen" im Lincoln Financial Field in Philadelphia zu tun bekommen werden.
Genau wie in Wals-Siezenheim bleibt in Madrid zur neuen Saison nämlich kein Stein auf dem anderen.
Verkorkste Spielzeit

Vizemeister, Champions-League-Viertelfinale und der Einzug ins Endspiel der Copa del Rey - bei kaum einem anderen Verein der Welt wäre es wohl möglich, dass besagte Bilanz eine der schlechtesten Saisonen der jüngeren Vergangenheit markiert.
Abgesehen vom Gewinn des UEFA Super Cups im vergangenen August, blieb Real Madrid titellos. Unerwartete Punkteverluste ebneten Erzrivale FC Barcelona den Weg zum LaLiga-Titel, in der "Königsklasse" bezwang der FC Arsenal den CL-Spezialisten hochverdient. In der Copa waren es einmal mehr die "Blaugrana", denen das "Weiße Ballett" in der Verlängerung mit 2:3 unterlag.
Von vier Saisonduellen mit den Katalanen verlor Real Madrid alle, darunter eine 0:4- und eine 2:5-Klatsche. Als wäre das alles nicht genug, patzte man sich mit dem Boykott der Ballon-d'Or-Gala und der öffentlichen Diffamierung von Schiedsrichtern auch noch fernab des Rasens an.
Dass es beim wohl glamourösesten Fußballklub der Welt so nicht weitergehen konnte, lag auf der Hand.
Es konnte nur einen geben

Am 25. Mai passierte dann, was den meisten ohnehin schon klar war.
"Comunicado Oficial: Xabi Alonso" - verlautbarten die Madrilenen via Social Media - kryptisch und gleichzeitig vielsagend.
Die Coolness und Raffinesse von "Don Carlo" Ancelotti konnten in dessen sechster Saison als Cheftrainer Real Madrids nicht mehr ihre Wirkung entfalten. Der 66-Jährige erkannte die Zeichen der Zeit und folgte dem Ruf der brasilianischen "Selecao", wo er nun als Nationaltrainer agiert.
Die Frage um seine Nachfolge stellte sich nicht wirklich.
Xabier "Xabi" Alonso Olano - als Spieler mit Spaniens "Furia Roja" und den "Königlichen" Legendenstatus erlangt, mauserte sich im Zuge seines ersten Auslands-Engagements als Cheftrainer zur spannendsten Traineraktie des Weltfußballs.
Der 43-Jährige übernahm Bayer 04 Leverkusen im Oktober 2022 als Tabellen-17. der Deutschen Bundesliga. In seiner ersten Saison "unterm Kreuz" retteten sich die Westfalen auf Rang sechs - einen Transfer-Sommer und eine Saison später setzte die "Werkself" nicht nur der elfjährigen Meisterserie des FC Bayern München ein Ende, sondern sorgte für eine der spektakulärsten Erfolgsgeschichten der jüngeren Fußball-Historie.
Unbesiegter Doublesieger mit Bayer 04 Leverkusen, Finaleinzug in der UEFA Europa League - Superlative reichen nicht, um Xabi Alonsos Vermächtnis in Deutschland gerecht zu werden. In der Saison 2024/25 wurde man Vizemeister. Eindrucksvoller hätte der Baske seine Tauglichkeit nicht unter Beweis stellen können.
Herkulesaufgabe Real Madrid

Extrem offensiv ausgerichtete Außenverteidiger, viel Freiheit und Gestaltungsraum im Mittelfeld sowie aggressives Gegenpressing und geradlinige Konter - mit diesem Powerfußball versetzte Leverkusen die Deutsche Bundesliga in Alonsos erster vollen Saison in Angst und Schrecken.
Dennoch steht eines fest: Als Selbstläufer wird sich der Trainerjob bei Real Madrid auch für den "Professor" nicht entpuppen.
Mit seinem Amtsantritt ließ sich Alonso nicht nur auf die größte Herausforderung seiner bisherigen Trainerkarriere, sondern auch auf einen der prestigeträchtigsten Posten des Weltfußballs ein.
Von Rafa Benitez bis Julen Lopetegui scheiterten bereits viele prominente Übungsleiter an der Avenida de Concha Espina - oft an mangelnder taktischer Flexibilität und Disziplin.
Eigenschaften, die am Ende sogar dem einst unantastbaren Carlo Ancelotti zugeschrieben wurden.
Wie Alonso Real Madrid transformieren will
Das Zauberwort im Spiel Alonsos lautet "Kontrolle". Und genau die fehlte Real vergangene Saison.
Während man in offensiven Belangen vor allem auf die Brillianz der Superstars setzte, fehlte es insbesondere im Spiel gegen den Ball an Abstimmung und Disziplin. Real Madrid kassierte im Ligabetrieb 1,13 Tore pro Partie, in der Champions League waren es sogar 1,60. Zu viel, um am Ende Pokale in die Luft zu stemmen.
Während in Leverkusen Struktur und taktische Disziplin das A und O bedeuteten, herrschte in Madrid vor allem in der Offensivabteilung zuletzt Narrenfreiheit. Die Offensiv-Virtuosen um Kylian Mbappe, Vinicius Junior und Jude Bellingham legten im Pressing- und Defensivverhalten oft nicht die notwendige Disziplin an den Tag.
Bei seiner Präsentation Ende Mai ließ Alonso jedenfalls bereits anklingen, dass dahingehend eine Trendwende bevorsteht. "Im heutigen Fußball muss man flexibel und dynamisch sein und seine Figuren bewegen. Ich habe einige Ideen, wie wir spielen wollen, und ich möchte, dass das Team Emotionen und Energie vermittelt und mit den Fans eine Beziehung entsteht. Die Symbiose wird der Schlüssel sein."
Dass Alonso seine Leverkusen-Taktik nicht einfach auf Real Madrid ummünzen können wird, liegt auf der Hand. Das gilt jedoch nicht für die Tugenden, die die Mannschaft an den Tag legen soll. "Heutzutage muss man verschiedene Konzepte beherrschen. Die Idee ist ein mutiger, proaktiver Fußball und das Suchen von Initiative. Ich bin überzeugt, dass wir die Spieler dafür haben."
Reals Transferpolitik und die Fehler der Vergangenheit

Die "Umbauarbeiten" sind jedenfalls bereits in vollem Gange - vor allem kadertechnisch. In der Vorsaison war es nämlich unter anderem der dünne Kader, der den "Blancos" zum Verhängnis wurde.
Vor allem in der Verteidigung wütete der Verletzungsteufel - ÖFB-Kapitän David Alaba fehlte über die komplette Saison, Innenverteidiger-Kollege Eder Militao riss sich im November 2024 zum zweiten Mal das Kreuzband und Rechtsverteidiger-Routinier Dani Carvajal erlitt bereits im Oktober dasselbe Schicksal.
Auch Linksverteidiger Ferland Mendy sowie die Mittelfeldspieler Dani Ceballos und Eduardo Camavinga fehlten immer wieder. Häufig mussten mit Federico Valverde und Aurelien Tchouameni zwei Mittelfeld-Stars hinten den Laden schmeißen.
Eine Misere, die auch auf die Kappe von Klubpräsident Florentino Perez geht - im vergangenen Sommer waren Abwehrhaudegen Nacho Fernandez und der einzige Mittelstürmer im Kader, Joselu, in Richtung Naher Osten abgewandert. Mittelfeld-Maestro Toni Kroos hatte seine Karriere beendet. Adäquater Ersatz wurde nie verpflichtet, der Fokus lag quasi einzig auf der Ankunft von Kylian Mbappe.
Über 100 Millionen Euro für Neuzugänge
Eine fahrlässige Politik, aus der man zu lernen scheint. Im laufenden Transfersommer lassen Perez und die Madrider Klubführung nämlich wieder die Muskeln spielen.
Dem Engpass in der Verteidigung steuerte man bereits mit zwei prominenten Verpflichtungen entgegen. Der 20-jährige Innenverteidiger Dean Huijsen wurde für 62,5 Millionen Euro vom AFC Bournemouth aus der Premier League geholt. Zehn Millionen Euro ließ sich Real die Dienste von Liverpool-Identifikationsfigur Trent Alexander-Arnold kosten.
Zwei Defensiv-Einkäufe der besonderen Sorte - sowohl Huijsen als auch Rechtsverteidiger Alexander-Arnold zählen nämlich insbesondere in offensiven Belangen zu den besten Verteidigern der Welt. Der beidfüßige Huijsen machte sich im englischen Oberhaus insbesondere für sein progressives Passspiel und seine Scorerqualitäten einen Namen. Alexander-Arnold spielte im englischen Nationalteam nicht umsonst des Öfteren im zentralen Mittelfeld, bringt vor allem in puncto Standards, Flanken und Distanzschüssen riesige Qualität mit.
Das argentinische Mittelfeld-Juwel Franco Mastantuono von River Plate steht ebenfalls als Neuzugang fest. Für den 17-Jährigen knallten die "Blancos" 63,5 Millionen Euro auf den Tisch, der 17-Jährige stößt im August zur Mannschaft.
Fertig ist man in Madrid damit aber wohl noch lange nicht - mit Alvaro Carreras soll ein Linksverteidiger und "verlorener Sohn" von Benfica Lissabon zurückgeholt werden. Mit dem Spanier soll sich Real bereits einig sein. Zusätzlich könnte noch einen weiteren Innenverteidiger sowie einen gestandenen Mittelstürmer der Ruf der "Königlichen" ereilen.
Noch notwendiger macht die Transfer-Offensive der "Blancos" der Abschied von zwei weiteren Altstars. Mit Luka Modric (39) und Lucas Vazquez (34) sagen im Anschluss an die Klub-WM neuerdings zwei Altstars "Adios", Dauerreservist Jesus Vallejo unterschreibt ebenfalls keinen neuen Vertrag.
Warmlaufphase ohne David Alaba

Die laufende Klub-WM beobachten wohl insbesondere Real-Madrid-Fans mit Argusaugen.
Neben jede Menge Preisgeld und einem Pokal geht es für Alonso und Co. nämlich vor allem um Eindrücke, Testläufe und Bestandsaufnahmen. Vor allem bei Alonsos Debüt im ersten Gruppenspiel gegen Al Hilal wurde deutlich, dass sich das Projekt noch in der Warmlaufphase befindet. Auf ein ausgeglichenes 1:1 gegen den Saudi-Topklub folgte ein 3:1-Erfolg über Pachuca - trotz Unterzahl ab Minute sieben.
Gegen den FC Salzburg geht es für beide Teams nun um den Einzug in die K.o.-Phase - und den nächsten Schritt in eine erfolgreiche Zukunft.
Österreichs Real-Export wird - genau wie Superstar Kylian Mbappe - indes nicht mit von der Partie sein. Nach erneuter Knieverletzung Ende April musste sich David Alaba erneut einer Operation unterziehen. Die Genesung zieht sich, wie auch Coach Alonso im Vorfeld der Salzburg-Partie verriet.
Spanischen Medienberichten zufolge steht dem ÖFB-Kapitän sportlich eine mehr als ungewisse Zukunft bevor. Ein Jahr vor Vertragsende dürfte sich der 33-jährige Wiener heuer wieder mit namhafter Konkurrenz konfrontiert sehen. Wie die "Marca" schreibt, sollen DFB-Kicker Antonio Rüdiger, Neuzugang Dean Huijsen, Eigengewächs Raul Asencio und dem rekonvaleszenten Eder Militao in der Abwehrzentrale vor Alaba gesetzt sein (alle Infos >>>).
Man darf gespannt sein.