Dass der Traum vom Profifußball einer ist, der für die allermeisten jungen Menschen, die ihm nachjagen, platzt, wird oftmals vergessen.
"Ich war sehr betrübt und habe nicht gewusst, wie es weitergehen soll", schildert Sebastian Zettl den Moment, als ihm klar wurde, dass es mit einer Profikarriere in Österreich schwierig werden könnte.
Wie viele andere junge Athlet:innen in diesem Land wurde der Steirer damals auf die Plattform "Students Go West" aufmerksam.
"Students Go West" vermittelt gegen ein Honorar Sportstipendien an US-amerikanischen Colleges - rund 70 österreichische Sportler:innen kommen so jährlich in den USA unter, 95 Prozent von ihnen spielen Fußball. Aktuell sind dutzende männliche Fußballer aus Österreich im Kader eines College-Teams.
LAOLA1 hat mit drei dieser Kicker über ihren ungewöhnlichen Karriereweg und ihre Ziele in den USA gesprochen:
Im März besuchte 90minuten einen von "Students Go West" organisierten "Showcase" in Wien, bei dem österreichische Fußballer vor Coaches US-amerikanischer Colleges vorspielen konnten:
Zettl spielte schon Bundesliga
Sebastian Zettl, Fabian Vyhnalek und Paul Sarac geben allesamt ähnliche Gründe dafür an, warum sie auf einem US-College gelandet sind.
Beginnen wir bei Zettl. Der Steirer verbrachte seine gesamte Jugend im Nachwuchs des SK Sturm, machte zwei Spiele für das österreichische U15-Nationalteam und durfte unter Christian Ilzer 2020 in der Bundesliga debütieren.
Der Durchbruch bei den "Blackies" sollte allerdings nicht endgültig gelingen, ein Leih-Abenteuer beim FAC nach Differenzen mit Coach Mitja Mörec rasch wieder enden. Große Selbstzweifel überkamen ihn plötzlich.
"Ich habe dann mehr oder weniger aus Spaß die Chancenbewertung auf 'Students Go West' ausgefüllt, mich mit denen getroffen und Leute, die bereits in Amerika waren, gefragt, was sie davon halten. Sie haben alle gesagt, es war die beste Entscheidung in ihrem Leben", so Zettl.
2022 kam der heute 23-Jährige schließlich in der Florida Atlantic University unter und studiert dort seither BWL, während er für das College-Team, die Florida Atlantic Owls, kickt und diese auch als Kapitän aufs Feld führt.
Vyhnalek: "Habe nicht gewusst, was ich mit meinem Leben anfangen soll"
"Ich bin ein wenig festgesteckt im Leben."
Bei Vyhnalek war es 2023 soweit mit dem Sprung über den großen Teich. Der Niederösterreicher gehörte einst einer enorm talentierten Nachwuchsmannschaft des SV Horn an, mit der er – Seite an Seite mit unter anderem Christoph Baumgartner oder Leo Greiml – österreichweit Jugendturniere aufmischte.
Mit dem Sprung in den Profifußball sollte es trotz einer Zweitliga-Saison mit Horn allerdings nicht nachhaltig klappen:
"Ich bin ein wenig festgesteckt im Leben. Ich habe zwar studiert, aber wenn du nebenbei Regionalliga spielst, geht nicht viel weiter. Ich habe nicht so richtig gewusst, was ich mit meinem Leben anfangen soll."
Auf der Suche nach einem Tapetenwechsel habe sich schließlich die Option College-Fußball aufgetan. Vyhnalek verschlug es – wie Zettl – nach Boca Raton in Süd-Florida, wo der mittlerweile 24-Jährige Sportmanagement an der Lynn University studiert und bei den Lynn Fighting Knights Fußball spielt.
Sarac hatte "keinen Grund mehr, in Österreich zu bleiben"
Auch Sarac hatte als ehemaliger Spieler der Kapfenberger SV schon Erfahrung in der 2. Liga in den Beinen, als 2023 mit Luca Puster ein Regionalliga-Kollege auf ihn zukam.
Puster, ein Ex-GAK-Jugendspieler, der einst selbst ein Sportstipendium in den USA bekam und – wie Vyhnalek - bei den Lynn Fighting Knights kickte, ist gemeinsam mit Ex-Admira-Talent Fabio Rumpler, einst ebenfalls für eineinhalb Jahre ein College-Kicker in den Vereinigten Staaten, der Gründer von "Students Go West".

Sarac ließ sich rasch von einem USA-Abenteuer überzeugen: "Mein Vertrag (bei Bad Gleichenberg, Anm.) ist ausgelaufen, ich war mit meinem Bachelor fertig. Ich habe keinen Grund mehr gehabt, in Österreich zu bleiben. Deswegen habe ich mir gedacht, es wäre ein cooler Schritt, in die USA zu gehen, einen Mastertitel auf einer anderen Sprache zu machen."
Seinen Mastertitel an der Old Dominion University im Ostküsten-Bundesstaat Virginia hat Sarac mittlerweile in der Tasche.
Bis vor Kurzem spielte der 23-Jährige auch noch für sein College-Team, die Old Dominion Monarchs, darf ab kommendem Semester aber nicht mehr im College-Fußball auflaufen, weil die vier Jahre, die er in Österreich bereits neben dem Fußball studierte, zu den insgesamt fünf Jahren, die man maximal im College-Fußball engagiert sein darf, hinzugezählt wurden.
Netto-Spielzeit und anderes Spielerwechsel-System
Überhaupt ist das College-System für Außenstehende nicht ganz durchsichtig. Eine Kurzfassung:
Insgesamt gibt es drei Divisions im US-amerikanischen College-Fußball. Zettl und Sarac spiel(t)en in Division I, Vyhnalek in Division II, wo er im Vorjahr National Champion mit Lynn und damit Meister aller über 200 Division-II-Mannschaften wurde.
An diesen National Championships dürfen zu einer Hälfte die Sieger der einzelnen Conferences teilnehmen. Zur anderen Hälfte wird das Teilnehmerfeld anhand komplexer, je nach Division variierender mathematischer Formeln befüllt.
Auch die Spielregeln sind leicht anders zu denen, wie wir sie in Europa gewohnt sind. So wird mit einer Netto-Spielzeit gespielt, sprich bei jeder Unterbrechung wird die Zeit pausiert – speziell in Halbzeit zwei wird diese Regel genauestens forciert. Außerdem dürfen Spieler, die in Halbzeit eins ausgewechselt wurden, nach Seitenwechsel wieder eingetauscht werden.
"Du fühlst dich wie ein Profi"

Den Schritt in die USA hat bisher keiner unserer drei Gesprächspartner auch nur ansatzweise bereut.
Der Sport und das Studium würden sich zeitlich gut vereinbaren lassen, die fußballerischen Rahmenbedingungen seien top. In Österreich sind nur bei Red Bull Salzburg bessere Trainings-Möglichkeiten zu finden als an seiner Universität, meint etwa Zettl.
Sarac fügt an: "Du fühlst dich wie ein Profi und wirst auch so behandelt."
Der College-Fußball nimmt in den USA eine enorm wichtige Rolle ein, weil es nach dem College entweder direkt in den Profi-Betrieb geht oder die Karriere ganz vorbei ist. Dementsprechend viel Geld wird von den Unis in ihre Fußball-Mannschaften investiert.
Summen im mittleren bis hohen fünfstelligen Dollar-Bereich sind bzw. waren die Stipendien der drei kickenden US-Studenten jeweils pro Jahr wert. Darin beinhaltet sind neben den Studien-Gebühren auch Kosten für Verpflegung und Unterkunft am jeweiligen Campus.
Sarac und Vyhnalek jagen akademischen, Zettl sportlichen Zielen hinterher
Sarac darf, wie erwähnt, nun nicht mehr auf ein Sportstipendium zurückgreifen. Der Steirer hängt ein PhD-Studium an seinem College dran und hat dafür eine bezahlte Stelle bekommen.
Vyhnalek befindet sich in den Endzügen seines Bachelor-Studiums und plant, auch noch seinen Master in den USA machen – allerdings nicht zwingend an der gleichen Uni.
Auch Zettl ist bald mit seinem Bachelor fertig, hat aber eher sportlich- als akademisch-orientierte Zukunftspläne.
"Dann sehe ich meine Chance auf die MLS wirklich gut"
Das Ex-Sturm-Talent möchte bald wieder Profi-Fußballer sein. Zu diesem Zweck spielt er in den Sommerferien für die Jacksonville Armada FC U23 und läuft dort ebenfalls als Kapitän auf.
Das Team aus der bevölkerungsreichsten Stadt Floridas wird ab nächstem Jahr in der MLS Next Pro, der dritthöchsten Spielklasse der USA, vertreten sein.
"Da kann man schon gut Geld verdienen und das würde mir ein Visum ermöglichen. Wenn ich die Plattform MLS Next Pro, wo die ganzen MLS-Teams ein genaueres Auge darauf werfen, nutze, sehe ich meine Chance auf die MLS wirklich gut", träumt Zettl von der Major League Soccer. Sollte das nicht klappen, könnte er sich auch ein Fußball-Abenteuer in Australien oder noch exotischeren Ligen vorstellen.
Nur wenige Ausländer schaffen es über ein College in die MLS

Allgemein sei die Chance, als College-Fußballer in die MLS gedraftet zu werden "viel geringer, als ich vorher gedacht habe. Dadurch, dass die Top-Mannschaften eine begrenzte Anzahl an Plätzen für Internationale haben, werden diese meistens eher nicht für junge Spieler verwendet", schildert Sarac.
Ein seltenes, im deutschsprachigen Raum aber recht prominentes Beispiel für einen ausländischen Spieler, der es über den "MLS SuperDraft" zum Profi geschafft hat, ist Julian Gressel.
Der gebürtige Deutsche kam 2013 ebenfalls mittels Stipendium in die USA, feierte mit erst 23 Jahren sein MLS-Debüt, spielte zwischenzeitlich mit Lionel Messi zusammen und ist mittlerweile sechsfacher US-Nationalspieler.
"Der beste Schritt, den ich machen hätte können"

So unterschiedlich die Ziele von Zettl, Vynhalek und Sarac auch sind, einig sind sie sich darin, mit dem Wechsel in den College-Fußball alles richtig gemacht zu haben.
"Es bringt einen sportlich weiter und akademisch auch, es ist eine Riesenerfahrung. Ich kann es nur jedem wirklich ans Herz legen, in die USA zum Fußballspielen zu kommen", schwärmt Sarac.
Und Vyhnalek ergänzt: "Es ist ein Riesenschritt und eine schwere Entscheidung, aber es war der beste Schritt, den ich machen hätte können."