Als Ralf Rangnick 2012 beim FC Red Bull Salzburg andockte, krempelte er die Spiel-, aber auch die Transferphilosophie in der Mozartstadt um.
Ganz nach dem Vorbild des FC Basel, der aus einer ähnlichen großen Liga kommend damals ständig die europäischen Bewerbe aufmischte und mit Spielern wie Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri, Aleksandar Dragovic, oder etwas später Mohamed Salah, Jungspunde als Schlüsselspieler aufbot, sollten auch die "Bullen" künftig hauptsächlich mit jungen, talentierten Spielern agieren und dabei Erfolg haben.
"Was der FC Basel in den letzten Jahren geschafft hat, muss mit den Möglichkeiten, die wir in Salzburg haben, auch möglich sein", sagte Rangnick damals.

Es war möglich. Salzburg schwang sich im letzten Jahrzehnt zu einem der am Transfermarkt profitabelsten Klubs der Welt auf, erreichte - wie Basel - das Europa-League-Halbfinale und war zuletzt sechs Mal in Folge in der Champions League vertreten.
Fast schien es so, als hätten die "Bullen" die magische Formel für den Fußball-Erfolg entdeckt. Zwei titellose Spielzeiten hintereinander später ist der Zauber verflogen.
Unter Neo-Sportchef Rouven Schröder ist man von der recht strikten U23-Politik am Transfermarkt abgewichen. Es wird momentan nach einem alternativen Weg gesucht, um den Karren wieder in die Erfolgsspur zu befördern.
Als Vorbild dafür könnte ausgerechnet einmal mehr der FC Basel dienen. Die "Bebbi" errangen, nach vielen Krisenjahren, in der Vorsaison erstmals seit acht Jahren wieder das Schweizer Double und setzten dabei auf eine Kaderzusammenstellung, die sich in ähnlicher Form auch in Salzburg anbahnt.
LAOLA1 analysiert, welche Learnings Salzburg aus dem phönixhaften Aufstieg des FC Basel ziehen könnte und hat dafür mit einem Sportjournalisten, der sich intensiv mit dem Schweizer Fußball beschäftigt, namentlich aber nicht genannt werden möchte, gesprochen:
Was in Basel schief lief
Zur Einordnung ein kurzer Rückblick auf die letzten Jahre des FC Basel.
Die "Bebbi" galten jahrelang als einer der Vorzeigevereine Europas. Wie in der Einleitung erwähnt, konnten sie Jahr für Jahr ihre besten Spieler um hohe Summen verkaufen und international trotzdem immer wieder äußerst erfolgreich sein; auf die Schweizer Meisterschaft hatten sie von 2011 bis 2017 ein Abo.
Etwas verkürzt dargestellt stieg dem einen oder anderen Basler Klubverantwortlichen in dieser Zeit der Erfolg zu Kopf. Trotz der hohen Einnahmen am Transfermarkt und im Europacup geriet der Schweizer FCB plötzlich in finanzielle Schieflage. Innerhalb weniger Jahre wurden aufgrund von Fehleinkäufen, explodierender Personalkosten und Misswirtschaft bis 2021 fast 80 Millionen Euro an Rücklagen aufgebraucht.
Unter dem Ex-Basel-Spieler und nunmehrigen Präsidenten David Degen wird als Reaktion darauf seither ein harter Sparkurs gefahren, der den ehemaligen Dauermeister sportlich zwischenzeitlich aber noch mehr in die Bredouille brachte.
Eine detaillierte Erzählung des steilen Aufstiegs und dramatischen Absturzes des FC Basel ist in diesem LAOLA1-Artikel von 2023 zu lesen:
König Shaqiri machte es möglich
Als der nunmehrige Doublegewinn-Trainer, Fabio Celestini, die "Bebbi" im Oktober 2023 übernahm, lagen sie auf dem stockletzten Platz der Schweizer Super League.
Quasi auf Anhieb gelang es dem Schweizer mit italienischen Wurzeln, die "Rot-Blauen" zu stabilisieren. Ein Europacup-Startplatz wurde dennoch erstmals seit 2001 verpasst. Auch der Start in die Meistersaison 2024/25 verlief mit zwei Pleiten zum Auftakt alles andere als nach Wunsch - bis es zu einem richtungsweisenden Transfer kam.
Im August 2024 kehrte Xherdan Shaqiri nach über zwölf Jahren im Ausland ans Rheinknie zurück. Sein Impact war gigantisch.

Obwohl der mittlerweile 33-jährige Super-Linksfuß erst etwas verspätet in die Saison einstieg, gelangen ihm schlussendlich bewerbsübergreifend 44 (!) Scorerpunkte.
Der Faktor Shaqiri beim Doublegewinn sei "natürlich ungemein groß" gewesen, verrät uns unser anonymer Gesprächspartner. "Xherdan Shaqiri ist für Schweizer Verhältnisse ein Unterschiedsspieler und das absolute Aushängeschild der kompletten Liga."
Dass der FC Basel seinen Goldjungen zurück hat, sei ein "Motor für die gesamte Region Basel, die unfassbar fußballverrückt ist".
Rückkehrer spielen seit jeher eine wichtige Rolle in Basel
Das bringt uns zum ersten Punkt, den sich Salzburg vom FC Basel abschauen könnte: Rückholaktionen von mittlerweile gestandenen, ehemaligen Klub-Talenten, die eine Identifikationsplattform für die sich zuletzt etwas abkehrende Mozartstädter Anhängerschaft bieten könnten.
In Basel ist es seit jeher Usus, dass Eigenbauspieler nach ihrer internationalen Karriere irgendwann "nach Hause" zurückkehren. Alex Frei und die Degen-Brüder Philipp und David sind neben Shaqiri die prominentesten Beispiele dafür; Granit Xhaka sorgte erst vor wenigen Wochen in der Muttenzerkurve im Basler St. Jakob-Park mit der Ankündigung, bald wieder für den FCB spielen zu werden, für Ekstase.
"In der Schweiz ist es ein Riesending, wenn Spieler mit so einem Renommee zurückkehren – und dann im besten Fall nach ihrer Karriere noch eine Anstellung im Verein erhalten"
Solche Spieler machen Vereine wie Basel auf dem Feld besser, binden die Fans an die Mannschaft und sind auch meist in der Kabine extrem wichtige Leitfiguren.
"In der Schweiz ist es ein Riesending, wenn Spieler mit so einem Renommee zurückkehren – und dann im besten Fall nach ihrer Karriere noch eine Anstellung im Verein erhalten", erklärt unsere Quelle dazu.
Welche Spieler würden für ein Salzburg-Comeback in Frage kommen?
Aus Österreich gibt es mit Guido Burgstaller beim SK Rapid und Aleksandar Dragovic bei der Wiener Austria zwei äußerst aktuelle Beispiel dafür, wie viel Einfluss ein einzelner, mit so viel Qualität, Ausstrahlungskraft und Liebe zum eigenen Verein ausgestatteter Routinier auf die Leistung der gesamten Mannschaft haben kann.
Dass in Salzburg solche Rückholaktionen einstiger Eigenbauspieler bis vor Kurzem - mit der Ausnahme Andre Ramalho - nicht stattfanden, liegt hauptsächlich daran, dass man in der Mozartstadt viel zu lange kaum auf den eigenen Nachwuchs setzte und diese Spieler bisher schlicht nicht existierten.

Mit Alexander Schlager steht nun seit zwei Jahren ein ehemaliger Keeper aus der Red Bull Akademie zwischen den Pfosten - der ÖFB-Keeper war quasi ab dem Moment seiner Rückkehr eines der lautesten Sprachrohre der Mannschaft. Seit diesem Sommer ist mit Stefan Lainer ein weiterer Ex-Eigenbauspieler zurück.
Zuletzt gab es auch Gerüchte um eine Rückkehr von Diadie Samassekou, an denen allerdings wohl nichts dran ist. In einigen Jahren werden auch Konrad Laimer und Xaver Schlager für eine Rückholaktion in Frage kommen. Marcel Sabitzer wird mangels Verbindung zum Verein bzw. zum Land Österreich überhaupt wohl hingegen eher kein zweites Mal in Salzburg aufschlagen.
Kaderzusammenstellung als Erfolgsrezept
Aber zurück zum FC Basel. Im Alleingang konnte auch Shaqiri die "Bebbi" nicht zum Double schießen.
Die Kaderzusammenstellung der Basler wirkt von außen betrachtet äußerst durchdacht und erinnert ein wenig an das Drei-Säulen-Modell, welches die "Bebbi" einst überhaupt so erfolgreich machte:
Ein Drittel des Kaders sollte sich damals aus gestandenen Schweizer Kickern zusammensetzen, eines aus aus internationalen Talenten und ein weiteres aus selbst ausgebildeten Eigenbauspielern.
Die Basler Schlüsselspieler der Vorsaison lassen sich in genau diese drei Kategorien aufteilen. Eine Veranschaulichung:
- Gestandene Spieler: Xherdan Shaqiri (33/SUI), Marwin Hitz (37/SUI), Dominik Schmid (27/SUI), Albian Ajeti (28/SUI)
- Internationale Talente: Jonas Adjetey (21/GHA), Anton Kade (21/GER), Benie Traore (22/CIV), Kevin Carlos (24/ESP)
- Eigenbauspieler: Leon Avdullahu (21/SUI)
Ganz ausgewogen ist diese Drittel-Aufteilung freilich nicht. Mit dem kürzlich um acht Millionen Euro zur TSG Hoffenheim gewechselten Avdullahu war nur ein Eigenbauspieler in der Vorsaison Stammspieler. Die eigentlich sehr gute Basler Nachwuchsarbeit ließ in den letzten (Krisen-)Jahren - wie bei den meisten Schweizer Vereinen in diesem Zeitraum - etwas nach.
Drei-Säulen-Modell auch in Salzburg?
In Salzburg bahnt sich momentan eine ähnliche Kaderzusammenstellung an. Blicken wir auf die potenziellen Schlüsselspieler der kommenden Saison:
Zum einen sind da die gestandeneren Spieler, die mit Alexander Schlager (29), Stefan Lainer (32) und Karim Onisiwo (33) einerseits aus Österreich, mit Jacob Rasmussen (28) und - trotz seines jungen Alters - auch Mads Bidstrup (24) andererseits aus Dänemark kommen.
Dann folgt über ein Dutzend internationaler Talente. Etwa Joane Gadou (18), Frans Krätzig (22) oder Maurits Kjaergaard (21), um nur die vielversprechendsten jener Akteure zu nennen, die kommende Saison sehr wahrscheinlich noch in Österreich spielen werden.
Und schlussendlich gibt es mit Samson Baidoo (21), Tim Trummer (19) und Valentin Sulzbacher (20) auch einige Eigenbauspieler, die sich Hoffnung auf viele Einsätze machen dürfen.
Basel am Weg zurück zu alter Stärke - aber noch nicht dort
Der Basler Kader für die kommende Saison lässt sich hingegen etwas schwieriger abschätzen.
Wie eigentlich jeden Sommer stehen die "Bebbi" vor einem Umbruch: Auch Meistertrainer Celestini ging bereits verloren und wurde durch Ex-Altach-Coach Ludovic Magnin ersetzt.

Alles ist in Basel nach dem Doublegewinn noch nicht rosarot. Sportlich war man nicht über die ganze Meistersaison hinweg konstant unterwegs, profitierte am Weg zum Double auch vom Schwächeln der Young Boys aus Bern.
Auch finanziell ist noch nicht alles eitel Wonne. Obwohl 2024 endlich wieder einmal ein wirtschaftliches Plus geschrieben werden konnte, sei die Liquidität "noch nicht dort, wo wir gerne sein möchten", erklärte ein Finanzberater des Klubs erst kürzlich.
Dass der FC Basel nun wieder nahtlos an seinen bis vor acht Jahren anhaltenden Erfolgslauf anschließen kann, ist alles andere als gesichert. Der Klub ist aber auf einem guten Weg, wieder ein absoluter Vorzeigeverein zu werden - auch für sein österreichisches Pendant.
Weniger Clarks, mehr Junuzovics
Was können also die Learnings für den FC Red Bull Salzburg aus dem Beispiel FC Basel sein?
Obwohl die finanzielle Situation bei den "Bullen" eine gänzlich andere ist als jene des FC Basel, sind auch die Mozartstädter Verantwortlichen gut darin beraten, nicht sorglos mit dem hart erwirtschafteten Gewinn umzugehen.
Völlige Fehlkäufe wir Bobby Clark sind für die "Bullen" aktuell zwar verschmerzbar, sollten in Zukunft aber dringend vermieden werden. Laut Sportchef Schröder werden Einkäufe jenseits der Zehn-Millionen-Euro-Marke unter ihm sowieso nur mehr die Ausnahme sein.
Viel mehr könnten wir in Zukunft deutlich mehr routinierte Spieler mit österreichischem Pass in der Mozartstadt aufschlagen sehen - und diese müssen ja auch gar nicht zwingend Salzburg-Vergangenheit haben. Die "Bullen" machten mit Zlatko Junuzovic einst bereits äußerst positive Erfahrungen in diese Richtung.
Die Mischung macht's
"Den Salzburger Anhängern genügt es nicht mehr, künftige Weltstars in der Mozartstadt kicken zu sehen, wenn die Mannschaft als Ganzes zu unerfahren ist, um konstant gute Ergebnisse zu liefern."
Ein bisschen mehr Ausgeglichenheit im Kader kann Salzburg nämlich nur gut tun. So beeindruckend das Jahr für Jahr fallende Durchschnittsalter in der Startelf zuletzt auch war, ein wenig hat der Jugendwahn seinen Reiz verloren.
Den Salzburger Anhängern genügt es nicht mehr, künftige Weltstars in der Mozartstadt kicken zu sehen, wenn die Mannschaft als Ganzes zu unerfahren ist, um konstant gute Ergebnisse zu liefern. Speziell während der einen oder anderen Champions-League-Lehrstunde merkte man diesbezüglich schon eine gewisse Frustration auf den Rängen. Nun, da auch national die Ergebnisse nicht mehr passen, schlug die Meinung zur Altersstruktur in der Salzburger Anhängerschaft gänzlich um.
Rund um einen routinierten Kern würde sich eine spannende Mannschaft aus großteils hochtalentierten Jungspunden aufbauen lassen. Die Frage ist nur, ob in der kommenden Saison auch die Teamchemie endlich wieder stimmen wird und der am Papier ausgewogene Kader als Einheit auftreten kann.
Gelingt das, wird nach dem fußballerischen Imperium der Schweiz auch jenes der österreichischen Bundesliga bald wieder zurückschlagen.