Realismus statt für Schlagzeilen sorgende unwahrscheinliche Ankündigungen: Durch die Rückkehr von Wilfried Schmaus an die vorderste Front weht bei Frauenfußball-Serienchampion SKN St. Pölten wieder ein anderer Wind.
Von der Zielsetzung von Vorgängerin Andrea Pichler, in fünf Jahren ein Champions-League-Finale zu erreichen, ist ein Jahr später keine Rede mehr. "Ich weiß nicht, welchen Hintergrund die Aussage damals hatte", sagte St. Pöltens Präsident im APA-Gespräch.
Laut ihm wird "kein österreichischer Verein - weder im Frauen- noch im Männerbereich - jemals im Champions-League-Finale spielen". Was St. Pölten betrifft, weiß er, wovon er spricht. Schmaus gilt als Mastermind der großen Erfolge. Da das Engagement der Anfang April 2024 eingesetzten Pichler kürzer als gedacht dauerte, ließ er sich noch einmal überreden, in die erste Reihe zu rücken. "Ich bin zurückgekommen, weil es wie eine Kindesweglegung gewesen wäre oder ein Augen zumachen, wenn ein Nachfolger gesucht wird", erläuterte Schmaus.
Meistertitel, Cupsieg und Champions League als Ziel
Warum es mit Pichler nicht so funktioniert habe, wisse er nicht. "Meine Art ist eine andere, ich bin schon 15 Jahre im Geschäft, habe von kleinauf miterlebt, wie der Verein entwickelt worden ist", sagte Schmaus, der seit kurzem wieder als ehrenamtlicher Präsident fungiert.
Richtig weg war er nie. Auch unter Pichler sei er "am Tellerrand oder manchmal weiter drinnen" dabei gewesen. Die nationalen Ziele haben sich nicht verändert, nur der elfte Meistertitel in Folge sowie der zwölfte Cupsieg en suite, würden für zufriedene Gesichter sorgen.
Auf Champions-League-Ebene soll zum vierten Mal in Serie die Qualifikation gemeistert werden, diesmal würde die Teilnahme an der neuen Ligaphase folgen. Nur eine K.o.-Hürde muss am 11./18. September überwunden werden.
"Wenn man die Nummer 15 Europas ist, sollte man den Anspruch haben, in der Ligaphase dabei zu sein", sagte Schmaus. Das SKN-Budget werde bei gleichen Erfolgen "ein bisschen höher" als 2024/25 sein. Die Millionengrenze ist längst überschritten. "In fünf Jahren werden wir wahrscheinlich über die 2-Millionen-Grenze reden", vermutete Schmaus.
Kaderzusammenstellung schwierig
Die Professionalisierung schreitet voran. Die Kaderzusammenstellung bleibt herausfordernd. Das nicht nur, weil die Spielerinnen "weiter nicht mit Geld erschlagen" werden.
"Bei Anfragen für 18- oder 19-jährige Österreicherinnen bekommen wir bei fünf Anläufen viermal ein Nein, weil sie bei uns nicht Stammspielerinnen sind", erläuterte Schmaus. Die 16 Abgänge, darunter Claudia Wenger, Melanie Brunnthaler, Chiara D ́Angelo, Sophie Hillebrand oder Valentina Mädl, wurden deshalb anders kompensiert. "Wenn ich international eine Rolle spielen will, muss ich leider diesen Weg gehen", betonte Schmaus.
Mit Magdalena Rukavina und Sarah Gutmann haben nur zwei der 14 Neuen einen österreichischen Pass. Mit Lisa Ebert (25/Ingolstadt) und Viktoria Laino (27/Grasshoppers Zürich) wurden Führungsspielerinnen geholt.
Sie sollen mit den verbliebenen Leaderinnen Carina Schlüter, Jennifer Klein oder Leonarda Balog vorangehen. Lisa Alzner muss nach ihrem ersten halben Jahr als Nachfolgerin von Liese Brancao ein neues Team formen. Schmaus hält die 26-jährige Salzburgerin für eine "unbekümmerte Topfrau mit Qualität". Der SKN setzt als einziger Ligaklub und das seit Jahren auf eine Trainerin.
Austria "ernstzunehmender Gegner"
Im Kampf um die Fortsetzung der Erfolgsserien sieht Schmaus Vizemeister Austria Wien als "mehr als ernstzunehmenden Gegner". Sturm Graz und die Vienna seien die "üblichen Verdächtigen", Neulengbach nach einem Totalumbau mit Neo-Trainer Andreas Ogris "ganz schwer einzuschätzen", das aus dem FC Bergheim hervorgekommene Red Bull Salzburg "sicher für Überraschungen gut".
Mit einem Boost für die Liga rechnet er durch den prominenten Klub nicht. "Die Erwartungshaltung, dass ein Name Zuschauer bringt, kann ich maximal bei Rapid haben", meinte Schmaus.
Beim eigenen Klub wurde kürzlich die Zusammenarbeit mit dem in der 2. Liga tätigen Männerteam intensiviert. Vier Vorstandsmitglieder gehören beiden Vorständen an, vier oder fünf Doppel-Spieltage wird es im Grunddurchgang in der NV Arena geben.
"Da nehmen wir die Kosten aufs Jahr gesehen runter", erläuterte Schmaus. Ein Zusammenschluss ist aktuell kein Thema. "Solange wir, was die sportlichen Zielen betrifft, so weit auseinander sind, ist es schwer, eine gemeinsame Strategie zu erarbeiten." Schmaus ist 66, spätestens mit 70 soll für ihn endgültig Schluss sein.