Italien steht als einziges Überraschungsteam im Halbfinale der Frauen-EM.
Begnügen wollen sich die "Azzurre" damit aber nicht, am Dienstag (21:00 Uhr/live ORF 1 und im Ticker) soll in Genf Titelverteidiger England aus dem Bewerb genommen werden.
Die "Lionesses" entgingen im Viertelfinale gegen Schweden in einem Elfmeterkrimi nur hauchdünn dem vorzeitigen Aus, sie sind auch deshalb gewarnt. Bei einem Sieg würden sie beim dritten großen Turnier in Folge im Finale stehen.
Italiens Glanzzeiten liegen länger zurück, 1993 und 1997 gab es erst im EM-Finale Niederlagen. Nun soll der Traum vom Premierentriumph bei einem großen Turnier zumindest noch einige Tage länger erhalten bleiben.
"Wir haben unsere Reise gestartet mit dem Traum, am 27. Juli dabei zu sein, jetzt haben wir eine deutlich konkretere Chance, auch dorthin zu kommen. Wir werden alles für einen großartigen Auftritt geben", sagte Stürmerin Sofia Cantore.
Und Kapitänin Cristiana Girelli ergänzte: "Wir wollen ein weiteres Kapitel in der Erfolgsgeschichte schreiben."
Tests sprechen für England, Pflichtspiele für Italien
Auch mit Blick auf die jüngsten direkten Duelle wird das sehr schwierig. England blieb in Testspielen fünfmal ungeschlagen und gewann viermal, darunter zuletzt im Februar 2024 in Spanien mit 5:1.
Dass die Bilanz in Pflichtspielen mit fünf Siegen und einem Remis klar für die Italienerinnen spricht, hat wenig Aussagekraft, da es seit Italiens 2:1-Erfolg in der EM-Gruppenphase 2009 kein Aufeinandertreffen mehr gegeben hat. England ist mittlerweile zur Großmacht aufgestiegen, war seit 2015 bei jedem großen Turnier zumindest im Halbfinale. Zuletzt setzte es nach dem EM-Titel 2022 bei der WM 2023 erst im Finale eine Niederlage.
"Sie sind Europameister und haben einige unglaublich gute Spielerinnen. Wir haben Respekt, kennen aber auch unsere Stärken und wissen, dass wir mit jedem Team mithalten können", erläuterte Cantore.
Davon ist auch Annamaria Serturini überzeugt. "Wir haben gesehen, dass unsere mannschaftliche Geschlossenheit den Unterschied ausmachen kann und stehen verdient da, wo wir sind. Ich begrüße es daher, dass die anderen Teams beginnen, sich vor uns zu fürchten", sagte die Mittelfeldspielerin. Großen Anteil am Erfolg hat Trainer Andrea Soncin, der seit September 2023 vieles in die richtigen Bahnen gelenkt hat.
Als Gruppenzweiter aufgestiegen
"Er hat uns eine Philosophie vermittelt, die auf tiefer Leidenschaft beruht", sagte Cantore. Großer Wert werde auf die Gruppendynamik gelegt. "Er hat einen starken Eindruck im Team hinterlassen. Die Spielerinnen spielen für den Trainer und umgekehrt", schilderte die Stürmerin. Zudem fügte Serturini hinzu: "Er hat uns so viel Ruhe, Enthusiasmus und Sicherheit gebracht."
Ihre Truppe startete mit einem 1:0 gegen Belgien ins Turnier, ein 1:1 gegen Portugal und 1:3 gegen Spanien reichte, um als Gruppe-B-Zweiter aufzusteigen. Im Viertelfinale gegen Norwegen gelang Girelli erst in der 90. Minute der Siegtreffer zum 2:1.
Die Engländerinnen kamen aufgrund einer Niederlage gegen Frankreich (1:2) auch nur als Pool-Zweiter weiter. Mit einem 4:0 gegen die Niederlande und 6:1 gegen Wales wurden die restlichen Partien aber klar gewonnen.
Gegen Schweden fehlte dann jegliche Souveränität, nach einem 0:2-Pausenrückstand trafen Lucy Bronze (79.) und Michelle Agyemang (81.) spät. Im Elfmeterschießen reichten bei sieben Schützinnen drei Tore für den Aufstieg.
England bereit für neuerliches Elferschießen
"Natürlich bereiten wir uns wieder auf ein mögliches Elfmeterschießen vor, aber ich mache es nicht zu einem großen Thema", betonte England-Teamchefin Sarina Wiegman. Angst habe sie keine. "Wir wissen, wozu die Spielerinnen in der Lage sind."
Dazu zählt die 33-jährige Lucy Bronze, die auch dank des von ihr verwandelten letzten Elfmeters gegen Schweden ihr sechstes Halbfinale (EM und WM) bestreiten darf.
"Auf uns wartet das nächste Topteam, das absolut zurecht im Semifinale steht. Wir können es nicht erwarten, gegen sie zu spielen", sagte die Chelsea-Rechtsverteidigerin. Das als Favorit. Das unterstreicht auch die Weltrangliste, trifft doch die Nummer fünf auf die Nummer 13.
Die "Azzurre" haben noch kein Bewerbsspiel gegen die "Lionesses" verloren - und wollen es dabei belassen. Für England könnte das dritte Finale in Folge winken.