news

Die Frauen-EM ist schon vor dem Finale ein voller Erfolg

Viele Fans, großes Interesse, spannende Partien: Bereits vor dem Endspiel lässt sich das Großereignis in der Schweiz als Erfolg verbuchen.

Die Frauen-EM ist schon vor dem Finale ein voller Erfolg Foto: © getty

Mit Weltmeister Spanien und Titelverteidiger England die großen Favoriten im Finale, neuer Zuschauerrekord, friedliche Fußballfeste in- und außerhalb der Stadien.

Die Frauen-EM in der Schweiz wird unabhängig vom Ausgang des Endspiels am Sonntag (18:00 Uhr/live ORF 1 und im LIVE-Ticker >>>) im St. Jakob-Park in Basel als sehr gelungen in die Geschichte eingehen. Das auch, da ab der K.o.-Phase keine einzige Partie einen klaren Ausgang nahm, es über 90, 120 oder mehr Minuten Spannung pur gab.

Mit Frankreich gegen Deutschland (5:6) und Schweden gegen England (2:3) wurden zwei Viertelfinal-Partien erst im Elfmeterschießen entschieden, im Halbfinale gab es gar keinen Sieger nach regulärer Spielzeit.

Noch nie zuvor gingen so viele K.o.-Partien in die Verlängerung. Das unterstreicht, dass die Teams von der Qualität noch einmal enger aneinander gerückt sind. Einen Selbstläufer gab es nicht. Vor allem nicht für den Titelverteidiger.

Wiegman erreichte fünftes Finale in Folge

Die gleich mit einer Niederlage ins Turnier gestarteten "Lionesses" standen nach der Gruppenphase zweimal vor dem Aus, konnten sich aber jedes Mal noch retten. Dadurch erreichte England-Teamchefin Sarina Wiegman ihr fünftes Endspiel in Folge bei einem großen Turnier.

2017 hatte die Niederländerin mit ihrem Heimatland den EM-Pokal geholt, 2022 mit England. Dazu kommen die beiden verlorenen WM-Endspiele 2019 (mit den Niederländerinnen) und 2023 (mit England). Diesmal hatte sie mehrmals ein "Goldenes Händchen", die qualitativ hochwertigen Wechselspielerinnen glänzten als "Joker".

Michelle Agyemang bewahrte ihr Team sowohl gegen Schweden (81.) als auch gegen Italien (90.+6) mit dem Ausgleich vor dem Ausscheiden. Die 19-jährige Stürmerin von Arsenal zählt zu jenen neuen Gesichtern, die aufzeigten, und zu einer Generation, mit der der Frauenfußball in der öffentlichen Wahrnehmung zukünftig den nächsten Schritt machen könnte.

Bei Ex-Weltmeister Norwegen schickt sich die 20-jährige Signe Gaupset an, einen Generationswechsel einzuleiten.

Außergewöhnliche Elfmeterschwäche

Ihre Teamkollegin, die frühere Weltfußballerin Ada Hegerberg, war mit zwei neben das Tor geschossenen Elfmetern, einem davon beim Viertelfinal-Aus gegen Italien (1:2), eine der tragischen Figuren des Turniers.

Grundsätzlich war die Elfmeterschwäche frappant. Negativer Höhepunkt war das 3:2 der Engländerinnen gegen Schweden, wo nur fünf von 14 Schüssen den Weg ins Tor fanden.

Während des Turniers wurde aus 42 Elfmetern nur 24 Mal direkt ein Tor. Als Fehlschuss ist dabei auch jener von Chloe Kelly in der 119. Minute gegen Italien angeführt, sie verwertete danach aber immerhin den Nachschuss.

Es war das Tor Nummer 103 von bisher 104 im Turnier, bei keiner EM waren es mehr. Schon die 89 nach der Gruppenphase stellten eine neue Bestmarke dar. Spanien mit einer Bilanz von bisher 17:3 und England mit 15:6 spielten da eine gewichtige Rolle.

Die Spanierinnen waren es auch, die bis zum Halbfinale als einziges Team durchgehend Souveränität ausstrahlten. Dort standen sie allerdings gegen Deutschland kurz vor dem Ausscheiden.

Bonmati Unterschiedsspielerin

Trotzdem überstanden sie auch die zweite K.o.-Hürde ohne Gegentor. Das auch, weil vorne ein Genieblitz von Weltfußballerin Aitana Bonmati inmitten des schnellen Kurzpassspiels den Unterschied ausmachte.

Nach dem WM-Titel 2023 und Nations-League-Triumph 2024 wäre der Premieren-EM-Titel nach dem Gesehenen in den vergangenen Wochen eine verdiente Belohnung. Es wäre auch alles andere als eine Überraschung.

Hatte einst Deutschland jahrelang in Europa – u.a. mit acht EM-Titeln – den Ton angegeben, so darf Spanien als die neue Benchmark bezeichnet werden. Frauenfußball hat dort mittlerweile einen vergleichbar großen Stellenwert wie in England.

Der Hype um die beiden Teams schlägt sich auch in den Zugriffszahlen und im Werbewert der Spielerinnen nieder. Die sind in Spanien zum Beispiel seit Jahren auf Mineralwasserflaschen zu sehen. In England sind die "Lionesses" spätestens seit dem Titel bei der Heim-EM 2022 Personen des öffentlichen Interesses.

Klarer neuer Zuschauerrekord

Auch am Transfermarkt könnte sich der Aufschwung bald bemerkbar machen.

"Es ist ein enormes, schnelles Wachstum. Ich weiß nicht, wann wir die 100-Millionen-Marke brechen, aber wenn das in dem Tempo so weitergeht, dann dauert es nicht allzu lang", sagte UEFA-Direktorin Nadine Keßler. Derzeit liegt der Ablöserekord für eine Fußballerin, die Kanadierin Olivia Smith, noch bei überschaubaren 1,15 Millionen Euro.

Einen Boost dürfte das ohne der ÖFB-Auswahl laufende Turnier auch dem Frauenfußball in der Schweiz gegeben haben, auch wenn nach den Triumphen der Niederlande und England die Serie der EM-Gastgeber-Champions riss.

Die Spiele der "Nati" waren ein Straßenfeger. Das Viertelfinale gegen Spanien (0:2) verfolgten bis zu 956.000 Menschen im Schweizer Fernsehen. Das entsprach einem Marktanteil von über 75 Prozent.

Die Stadien waren vielfach ausverkauft, was dafür sorgte, dass mit 623.088 Zuschauern schon vor dem Finale der Rekord von England 2022 klar übertroffen wurde.

Kommentare