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This is Anfield! Magie und Albtraum

Kultstätte lebt von Atmosphäre. Für Reds unverzichtbar, für Gegner eine Qual.

This is Anfield! Magie und Albtraum Foto: © getty

Es gibt nicht mehr viele Fußballtempel, die sich gegen die Modernisierung sträuben und noch immer das Flair der letzten Jahrzehnte erhalten.

Es gibt nicht viele Spielstätten, die zur Pilgerstätte verrückter Fußball-Fans wurden, die es sich als Ziel gesetzt haben, dieses eine Stadion auf ihrer Bucket-List irgendwann abhaken zu können.

Camp Nou, Bernabeu-Stadion, San Siro, La Bombonera – diese zählen zweifelsohne dazu. Wenige strahlen jedoch so viel Magie aus wie die Kultstätte an der Anfield Road, dem Heimstadion des in aller Herren Länder verehrten Liverpool FC.

An der Merseyside ist man der felsenfesten Überzeugung, dass das Stadion und der zwölfte Mann Spiele zugunsten der „Reds“ entscheiden können. Für jene, die sich dem zurzeit von Jürgen Klopp gecoachten Klub anschließen, wird ein Traum wahr, diese Atmosphäre in jedem Heimspiel aufsaugen zu dürfen. Umgekehrt sind „The Kop“ und das ganze Areal so konzipiert, dem Gegner einen wahren Albtraum zu bereiten. Darauf muss sich auch RB Salzburg einstellen (Mittwoch, ab 21 Uhr im LIVE-Ticker und LIVE-Talk).

Alles begann mit dem Stadtrivalen an der Anfield Road

Plötzlich steht man davor, im gleichnamigen Stadtteil Anfield – nur einen Steinwurf entfernt vom Stadtrivalen Everton.

Genauer gesagt liegt der Goodison Park nur etwa einen Kilometer weit weg, die Strahlkraft des verhassten Rivalen haben die "Toffees" aber nie auch nur annähernd erreicht. Von einem etwas erhöhten Punkt aus könnte man jedoch über den Stanley Park hinweg das andere Stadion erspähen.

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Die Geschichte beider Klubs hängt aber eng miteinander zusammen. Denn es ist tatsächlich so, dass zu allererst Everton an der Anfield Road spielte. Brauerei-Besitzer John Houlding verpachtete das Grundstück, doch als er wenig später die Pacht erhöhte, sah sich der Klub nach einer anderen Location um. Houlding selbst gründete daraufhin 1892 den FC Liverpool, der bis 1896 sogar in Blau-Weiß spielte, ehe die Farben auf Rot-Weiß geändert wurden.

Im Merseyside-Derby ist die Stadt zweigeteilt – ungleich, wie man meinen darf. Doch es ist nur einer der wenigen Beweise dafür, dass diese Stadt den Fußball lebt. Überall, wo man hinkommt, ist Fußball Gesprächsstoff Nummer eins. Die zweite Leidenschaft gilt der Musik, welche Liverpool ebenso atmet. Den Pilzköpfen, besser bekannt als Beatles, und dem Britpop sei Dank.

You'll never walk alone - von "Liver Bird" bis "Shankly Gates"

Doch die Anfield Road – das ist noch einmal etwas ganz Spezielles. Aufgrund seiner Geschichten, Liverpooler Tragödien und auch der unweigerlich mit den „Reds“ verbundenen Hymne „You’ll never walk alone“.

Von außen mutet das im September 1884 eröffnete - natürlich über die Jahre immer wieder sanierte Stadion – noch nicht wie ein Schmuckkästchen an. Es erinnert mehr an die typischen englischen Ziegelbauten.

Es ist jedoch die Liebe zum Detail, die schon von außen zu erkennen ist. Das riesige Logo mit dem bekannten "Liver Bird", einer Kreuzung zwischen einem Adler und einem Kormoran, überstrahlt den umliegenden Platz.

Unweigerlich hat man auch das Bild der "Shankly Gates" vor Augen – einem prunkvollen, alten, schwarzen Tor, verziert mit goldenen Blättern und dem „You’ll never walk alone“-Schriftzug über dem Durchgang. Seit 1892 gibt es dieses Tor, im Zuge des Umbaus wurde es jedoch an anderer Stelle wieder aufgebaut.

Ein enger Gang als Albtraum der Gegner

Das Wichtigste ist jedoch der Innenbereich, dort wo Fußball-Geschichte geschrieben, Helden geboren und denkwürdige Schlachten geschlagen wurden.

Weltbekannt ist der angsteinflößende Gang zum Spielfeld. Beide Mannschaften durchqueren den engen Abgang, bevor man den Außenbereich erspähen kann, hängt das „This is Anfield“-Schild, wo sich die „Reds“ noch mit dem Berühren des Schildes den letzten Mut holen und vielen Gegnern das Herz in die Hose rutscht.

Denn in den Katakomben des ehrwürdigen Stadions spürt man bereits die Atmosphäre, die Gesänge, die Gänsehaut-Stimmung. Ein Fußballplatz, rein nach englischem Vorbild, wo die Zuschauerränge praktisch nahtlos an den grünen Rasen anschließen und den Spielern auf dem Platz kaum Luft zum Atmen lassen.

Salzburgs Co-Trainer und GAK-Kapitän beim 1:0-Wundersieg 2004 (Hier Nachlesen >>>), Rene Aufhauser, meinte dazu gegenüber LAOLA1: „Schon der Weg zum Spielfeld war sehr speziell, denn es war ein ganz enger Gang über eine Treppe. Man ging unmittelbar Schulter an Schulter mit seinem Gegenspieler in Richtung Rasen. Und man hat schon die Gesänge gehört und die Atmosphäre aufgesaugt.“

"The Kop" sorgt für Gänsehaut - nicht nur mit der Hymne

Nicht umsonst warnte auch die deutsche Liverpool-Legende Didi Hamann die Salzburger Bullen bei „Servus TV“ vor der beeindruckenden Kulisse: "Selbst Spieler wie Messi, die schon alles gesehen haben, bekommen dort Angst. Das gibt es nur in Liverpool. Wenn die Fans einmal an der Anfield Road übernehmen, können die tollsten Sachen passieren.“

Die Magie in diesem Stadion ist einzigartig. Fußball-Romantiker wünschen sich zwar die Zeiten der Stehplatz-Tribünen zurück, als die Stimmung noch besser überschwappte. Trotzdem bekommt es das Publikum, angeführt von der sagenumwobenen Fan-Tribüne „The Kop“, noch immer wahrlich eindrucksvoll hin, Fans wie Gegnern die Gänsehaut aufzuziehen.

Spätestens beim Anstimmen von "You'll never walk alone" kann man dieser nicht mehr entgehen, wenn das gesamte Stadion die weltberühmten Strophen trällert.

Tragödien verstärkten den Mythos Anfield

Dass diese eigentlich vom Broadway stammende Melodie so berühmt wurde, hat sie einem Technikproblem zu verdanken. 1945 im Musical "Carousel" erstmals gespielt, landeten "Gerry & The Pacemakers" 1963 einen Hit damit, der auch in den Fußballstadien vor den Spielen gespielt wurde.

Als der Strom ausfiel, sang "The Kop" einfach weiter - und schon war die neue Hymne geboren, welche in guten wie in schlechten Zeiten symbolisch für den Zusammenhalt beim FC Liverpool steht.

Denn gezeichnet wurde der Klub bekanntlich durch zwei Katastrophen, Tragödien die alle noch näher zusammenrücken ließen: Zum einen die Hillsborough-Katastrophe 1989, zum anderen 1985 die Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion.

Damals im April 1989 starben bei einer Massenpanik während des FA-Cup-Halbfinals zwischen Liverpool und Nottingham Forest, der Hillsborough-Katastrophe, 96 Menschen. Unter anderem der zehnjährige Cousin von Klub-Legende Steven Gerrard. Mehr als 700 weitere wurden verletzt. Ähnliches geschah vier Jahre zuvor beim Finale des Europacups der Landesmeister, als Liverpool in Brüssel auf Juventus Turin traf und ebenfalls eine Panik ausbrach: 36 Tote und mehr als 400 Verletzte. "Diese Tragödien", so Hamann, "haben die Stadt zusammengeschweißt".

In guten wie schlechten Zeiten - in CL hui, in Premier League in Warteschleife

In guten wie in schlechten Zeiten - so kann das Motto der "Reds" zusammengefasst werden. Denn sportlich liegen die Hochzeiten zumindest in der Premier League viele Jahre zurück.

1990 konnte der bisher letzte Meistertitel eingefahren werden, in der vergangenen Saison ließ Jürgen Klopp die "Reds" zumindest bis zum letzten Spieltag daran glauben, die 29-jährige Durststrecke zu beenden.

Heuer muss allerdings ein neuer Anlauf her, da man sich am Ende Manchester City beugen musste. In der Champions League läuft es da wahrlich besser - sechs Mal gewann man die Königsklasse bzw. den Vorgängerbewerb Europapokal der Landesmeister: 1977, 1978, 1981, 1984, 2005 und 2019.

Klopp entfachte das Feuer nach durchwachsenen Jahren im Mittelmaß neu und will nach dem Finaltriumph gegen Tottenham im vergangenen Mai in dieser Spielzeit nachlegen.

Anfield wird seinen Anteil dazu beitragen, der zwölfte Mann ist den Reds gewiss. Die sportlichen Grundvoraussetzungen sind jedoch Klopps Metier.

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