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Jaissle macht junger Mannschaft "keinen Vorwurf"

Salzburger Trainer stellt sich nach Pleite in Lille schützend vor seine Mannschaft:

Jaissle macht junger Mannschaft Foto: © GEPA

Matthias Jaissle muss erstmals in seiner Trainerkarriere mit einer Krise zurecht kommen.

Die Mannschaft des erst 33-jährigen Deutschen, der FC Salzburg, konnte aus den letzten fünf Pflichtspielen nur einen Sieg davontragen und steht nach der zweiten knappen Auswärtsniederlage in der Champions League in Folge (Spielbericht>>>) plötzlich mit dem Rücken zur Wand, wenn es um das historische Unterfangen des erstmaligen Aufstiegs ins Achtelfinale der "Königsklasse" geht.

Die im Durchschnitt nur 23 Jahre junge Salzburger Mannschaft zeigte bei der Pleite gegen den OSC Lille erstmals Nerven. Die sonst so unbekümmerten und offensivfreudigen "Bullen" blieben über 90 Minuten völlig harmlos, teilweise fehlte gegen routiniert auftretende "Doggen" auch schlicht der Mut.

Dennoch stellt sich Jaissle auf der Pressekonferenz nach dem Spiel schützend vor seine Mannschaft: "Heute hat ein Tor gefehlt, um etwas Zählbares mitzunehmen. Es war ein couragierter Auftritt meiner Mannschaft. Wir haben bis zur letzten Minute gefightet, deshalb gibt es überhaupt keinen Vorwurf. Auf so einem hohen Niveau entscheiden dann Kleinigkeiten, das hat Lille heute mit Bravour ausgenutzt."

Lille-Matchplan ging auf: "Haben Tiefe herausgenommen"

Während Salzburg den französischen Meister im Hinspiel vor wenigen Wochen dank einer frechen Art noch niederlief, taten sich die Mozartstädter diesmal schwer, überhaupt vor das gegnerische Tor zu kommen. Das liegt zum einen am zuletzt etwas ins Stottern geratenen Salzburger Motor, zum anderen am deutlich stabiler agierenden OSC Lille.

Jaissle führt aus: "Wir haben es nicht geschafft, eine Vielzahl an Möglichkeiten herauszuspielen. Lille hat extrem schnell die Tiefe herausgenommen, sie wussten um unsere Geschwindigkeit im Sturm. Wir wollten die Halbräume und die Räume vor der Kette finden, aber es ist nicht so einfach auf so einem Topniveau, das zu machen. Das geht es oft um die Entscheidungsfindung im letzten Drittel und da haben wir nicht die allerglücklichsten Entscheidungen getroffen. Deswegen waren wir nicht so effektiv und zielstrebig vor der Kiste."

Einige Halbchancen fand Salzburg im ersten Durchgang zwar vor, so richtig gefährlich wurde es für das Tor von Lille-Keeper Ivo Grbic allerdings nie. Auch die nordfranzösischen Hausherren kamen ohne Offensivfeuerwerk aus, konnten durch ein in der Entstehung glückliches Tor von Jonathan David allerdings nach einer guten halben Stunde in Führung gehen.

Salzburg verliert erneut klassische Remis-Partie

Erst nach Seitenwechsel legte Salzburg seine ungewohnte Schüchternheit ab und kam besser ins Spiel - allerdings ohne großartig gefährlich zu werden. Von Lille kam bis auf einem vor der Linie geklärten Abschluss von Jonathan Bamba ebenfalls nichts mehr Gefährliches nach vorne.

"So ein Spiel kann auch mal 0:0 ausgehen", findet deshalb Jaissle. Ein Blick auf die Expected-Goals-Wertung, die ein Ergebnis von 0,75 zu 0,49 vorausgesagt hätte, unterstreicht die Ausgeglichenheit der Partie im Stade Pierre-Mauroy.

Der "Bullen"-Coach, der in Lille kurzfristig den angeschlagenen Noah Okafor zu ersetzen hatte, musste einige seiner ganzen jungen Spieler in der Halbzeit-Pause aufrichten: "In der Halbzeit gab es den einen oder anderen Hinweis, weil es gibt nichts Schlimmeres als mit dem Gefühl nach Hause zu fliegen, nicht alles rausgehaut zu haben.  Aber die zweite Halbzeit war richtig gut, die Jungs haben alles reingeworfen und wollten unbedingt zumindest einen Punkt mitnehmen."

Jaissle: "Wissen, wo wir herkommen"

Der Deutsche sei trotz der Niederlage "stolz auf die Truppe, wie sie hier auf absolutem Topniveau in diesem jungen Alter performt. Schade, dass heute nichts rausgekommen ist, aber wir gehen trotzdem erhoben Hauptes zurück nach Salzburg." Dass die so unerfahrenen Mozartstädter überhaupt die Chance hatte, frühzeitig den Aufstieg in die K.o-Runde der Champions League zu fixieren, sei keine Selbstverständlichkeit:

"Wir müssen bescheiden auftreten in der Champions League. Es ist eine große Geschichte für die junge Truppe, hier überhaupt mitzuspielen. Die Jungs machen bis dato einen überragenden Job. Das ist nicht selbsverständlich, das wird von außen dahergesagt, aber wir wissen wo wir herkommen. Wir wissen, was für eine junge Truppe wir haben. Ich weiß noch ganz genau, was es immer Sommer alles geheißen hat... Bei dem Umbruch der jungen Truppe wurde uns gefühlt gar nichts zugetraut, deshalb bleiben wir bescheiden", so Jaissle gegenüber "Sky".

Selbstverständlich ist auch nicht, dass Salzburg auch im dritten Champions-League-Antritt in Folge vor dem letzten Spieltag noch mehr als realistische Chancen auf den Aufstieg ins Achtelfinale besitzt. Während es in den letzten beiden Jahren im Finalspiel zuhause noch Siege gegen den FC Liverpool bzw. Atletico Madrid benötigte, wird am 8. Dezember bereits ein Remis gegen den FC Sevilla in der Red Bull Arena für den Aufstieg reichen.

Wöber: "Bin davon überzeugt, dass wir weiterkommen"

Bei einer Niederlage wäre der Europa-League-Umstieg noch möglich, aber nur, wenn der VfL Wolfsburg im Parallelspiel zuhause nicht gegen Lille gewinnen kann. Überhaupt ist die Tabellensituation in Gruppe G, die schon vor Beginn der Gruppenphasen als die ausgeglichenste des ganzen Bewerbs bezeichnet wurde, denkbar knapp: Den Ersten Lille und Schlusslicht Wolfsburg trennen nur drei Zähler.

"Jeder kann Erster werden, jeder kann Letzter werden - das ist genau das Szenario, das wir uns nicht gewünscht haben nach der Hinrunde, aber wir müssen es hinnehmen", so Max Wöber. Das Finalspiel gegen Sevilla wird vor leeren Tribünen über die Bühne gehen, da der österreichweite Lockdown über den 8. Dezember hinausgeht. Das tut den Salzburgern unendlich weh:

"Schade, dass das Spiel ohne Zuschauer stattfindet. Die Mannschaft hätte es sich verdient gehabt, so ein Spiel vor vollem Haus zu spielen. Aber wir nehmen es so wie es kommt und werden unsere Leistung auf den Platz bringen", knirscht Kapitän Andreas Ulmer.

Auch Wöber trauert der Monsterkulisse nach, verspricht aber: "Wir werden alles raushauen und dann werden wir schauen, was die Tabelle zeigt. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das schaffen."

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