Endstand
1:1
0:0, 1:1
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Salzburger Frust: "Wir verteidigen wie Kinder"

In der Mozartstadt geistert nach einer misslungenen Woche die Angst herum, die Meisterschaft zu verspielen. Hier wollen Struber und Co. ansetzen:

Salzburger Frust: Foto: © GEPA

Ein vernichtenderes Urteil vom gegnerischen Trainer kann man eigentlich kaum bekommen, als es Rapid-Coach Robert Klauß dem FC Red Bull Salzburg erteilte.

"Ich war ein bisschen verwundert über die Passivität von Salzburg in den letzten Minuten, muss ich ehrlich sagen. Verwundert, dass sie uns sehr viel Freiraum auf den Flügel gegeben haben und wir auch gefährliche Flanken reinbringen konnten", erklärt der Deutsche auf der Pressekonferenz nach dem Bundesliga-Schlager zwischen seinem SK Rapid und den Mozartstädtern, der mit 1:1 endete (Spielbericht>>>).

Beide Treffer im Kracherspiel fielen spät. Karim Konate brachte die "Bullen" nach 87 Minuten vermeintlich schon auf die Siegerstraße, ehe die gastierenden Hütteldorfer, die zu diesem Zeitpunkt bereits körperlich erschöpft wirkten, die zweiten Luft bekamen und dank einer furiosen Nachspielzeit sowie einem Handselfmeter doch noch zu einem Punktgewinn kamen.

Bidstrup: "Wir verteidigen wie Kinder, das ist scheiße"

Bis zum Zeitpunkt der Salzburger Führung hatte der Serienmeister den zweiten Durchgang dabei eigentlich komplett unter Kontrolle, verfiel in den letzten Spielminuten, wie von Klauß richtig angemerkt, aber in totale Passivität.

Ein Umstand, den einer überhaupt nicht nachvollziehen kann: Mads Bidstrup. "Wir machen das 1:0 und verteidigen dann wie Kinder. Das ist scheiße, und es ist nicht das erste Mal, dass wir das machen", ist der Salzburger Mittelfeldmann sauer.

In eine ähnliche Kerbe schlägt Verteidiger Strahinja Pavlovic: "Wir hatten viel Glück, kurz vor Ende des Spiels zu treffen. Wenn du so viel Glück hast, musst du alles dafür tun, um die Führung über die Zeit zu bringen. Wir müssen den Ball nur fünf Minuten halten und wir holen den Sieg... Ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Es sind verrückte Sachen passiert."

Schon wieder eine "Kinderfußball"-Diskussion?

Ein solches Ausmaß an Selbstkritik, vor allem in dieser Deutlichkeit, kennt man aus Salzburg normalerweise nicht. Zum einen, weil es aufgrund der großen sportlichen Erfolge der jüngeren Vergangenheit meistens schlicht nicht nötig war, zum anderen, weil die Salzburger Kicker mittlerweile medial geschult werden, so wenig angriffig wie möglich auf Journalistenfragen zu antworten.

Bidstrup wird es nicht wissen, aber der Begriff "Kinderfußball" sorgte nämlich bereits vor einigen Jahren für viel Häme dem Mozartstädter Klub gegenüber, nachdem Ex-Keeper Alexander Walke diesen 2015 als Kritik an der eigenen Leistung nach einem Spiel gegen (ausgerechnet) Rapid verwendete und Klub-Legende Jonathan Soriano diese Diskussion mit einem auf Instagram geposteten Bild kickender Kinder wenig später erneut aufwärmte.

Für Coach Gerhard Struber ist die Deutlichkeit der Selbstkritik seiner Spieler dennoch kein Problem. Angesprochen auf Bidstrups Aussage meint er: "Dass er sich ärgert, verstehe ich. Da waren wir tatsächlich nicht smart genug, das müssen wir uns gefallen lassen. Da dürfen wir auch selber kritisch mit uns sein, dass wir das anders verteidigen müssen."

Der Kuchler findet, seine Mannschaft habe sich nach der Führung in einer "Scheinsicherheit" gewogen. "Was auch immer die Gründe dafür sind, da müssen wir tiefer reinschauen".

Schlager: "Hätten uns mehr Chancen herausarbeiten müssen"

Fakt ist aber auch, dass Salzburg den für das Meisterschaftsrennen so wichtigen Heimsieg nicht erst in der Nachspielzeit liegen ließ. Tatsächlich war Rapid im ersten Durchgang sogar näher an der Führung dran; nach Seitenwechsel übernahmen die Mozartstädter zwar das Kommando, taten sich lange Zeit aber enorm schwer, sich klare Chancen herauszuspielen.

"Über die Dauer des Spiels hätten wir uns schon früher viel mehr Chancen herausarbeiten müssen, damit wir es gar nicht so eng werden lassen", bringt es Schlussmann Alexander Schlager auf den Punkt.

Von der Hinterperspektive sah der 28-Jährige, "dass wir es bis zum letzten Drittel ganz ordentlich gemacht haben. Dann ist der letzte Pass nicht konsequent gekommen".

Er findet: "Es geht um die kleinen Details: Wie lege ich meinem Mitspieler einen Ball auf? So, dass er mit einem Kontakt schießen kann, oder spiele ich ihm den Ball so hin, dass er einen zweiten Kontakt braucht? Das sind die Kleinigkeiten, die entscheidend dafür sind, dass wir uns diese zwingenden Torchancen nicht herausarbeiten."

Wenig Kreativität, wenige Salzburger Chancen

Struber sieht das ähnlich. Die Aktionen seiner Mannschaft im finalen Spieldrittel, "haben potenziell schon ganz gut ausgeschaut, aber die letzte Entscheidung und die Kreativität, es so zu steuern, dass am Ende etwas Zählbares rausschaut, war nicht immer gegeben".

Damit spricht der 47-Jährige vor allem zwei Salzburger Problemzonen an, die am Sonntag erneut auffällig waren: Jene der kreativen Chancenerarbeitung und jene der Abschlussqualität.

Gegen Rapid fehlten mit Oscar Gloukh und Maurits Kjaergaard jene Spieler, die gemeinsam mit Fernando und Luka Sucic am meisten kreatives Potenzial besitzen, verletzt. Fernando musste ebenfalls schon nach 25 Minuten (wieder einmal) mit einer Muskelverletzung vom Feld und könnte laut Struber mehrere Wochen ausfallen; Sucic hingegen gab sein Startelf-Comeback nach einer Verletzung, erwischte aber keinen guten Tag.

Strubers Sehnsucht nach einem "richtigen" Torjäger

Karim Konate erzielte gegen Rapid sein elftes Saisontor
Foto: © GEPA

Das Potenzial, viele Tore zu schießen, besitzen im Salzburger Kader indes gleich mehrere Spieler, so richtig ausschöpfen kann dies momentan aber keiner der sechs Stürmer im Kader. Einen Angreifer, der Salzburg mit 20+ Toren quasi im Alleingang zur Meisterschaft schießt, existiert, anders als in der Vergangenheit, momentan nicht.

Am nächsten kommt dieser Rolle noch Karim Konate, der gegen Rapid immerhin sein elftes Saisontor erzielte. Der junge Ivorer hat aber mit teils drastischen Formschwankungen zu kämpfen und braucht im Schnitt viele Chancen für einen Torerfolg.

"Natürlich wünsche ich mir auch, dass wir einen Torjäger haben, der weitaus mehr Tore am Konto hat. Aber wir unterstützen unsere Jungs. Sie sind in einer Entwicklungsstufe, wo sie, davon bin ich überzeugt, in Zukunft viele Tore für den FC Red Bull Salzburg schießen werden. Wir glauben an unsere Stürmer, nehmen aber gleichzeitig auch wahr, dass sie noch einen langen Weg vor sich haben", so Struber.

Immerhin sei er froh, "dass Karim (Konate, Anm.) wieder ins Toreschießen gekommen ist. Da wünschen wir uns, dass er in den nächsten Wochen nachlegt und das Selbstvertrauen aus diesem Moment mitnimmt".

Im Training werde zusätzlich versucht, "bessere Automatismen zu schaffen, damit die Jungs miteinander die richtigen Dinge zur richtigen Zeit machen".

Pavlovic: "Bin wirklich sauer"

"Jetzt wird es eng."

Mads Bidstrup über das Titelrennen

Dies hinzubekommen, wäre in Hinsicht auf das Titelduell enorm wichtig. Das Momentum, welches die Mozartstädter in der Vorwoche mit einem Sieg in Graz vermeintlich aufgebaut haben, ist nach dem Cup-Aus und dem enttäuschenden Remis gegen Rapid schon wieder weg.

Drei Punkte und ein gewonnenes direktes Duell liegen die "Bullen" zwar noch immer vor den "Blackies", die österreichische Meisterschaft erscheint momentan dennoch so offen wie lange nicht mehr.

Das weiß auch Bidstrup: "Jetzt wird es eng, aber das kann auch Spaß machen."

Es ist ein Spaß, auf den Mitspieler Pavlovic gerne verzichten würde. "Solche Spiele (wie gegen Rapid, Anm.) können vieles entscheiden. Ich denke, dass wir nach einem solch späten Tor gewinnen und die drei Punkte mitnehmen hätten sollen. Ich bin wirklich sauer, aber das ist Fußball. Wir haben noch sieben Spiele und die müssen wir gewinnen", fordert der Serbe.

Ob er Angst habe, seine Mannschaft würde die Meisterschaft verspielen? "Nein, ich glaube an mein Team. Aber wir müssen solche Situationen wie heute vermeiden, wenn wir Meister werden wollen."

Auf eine "Kinderfußball"-Diskussion 2.0 hat in Salzburg nämlich niemand Lust.


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