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Fehler passieren: Aber wie lernfähig ist Sturm?

Fehler passieren. Mählich war einer. Jetzt braucht Sturm vor allem eine konkrete Idee.

Fehler passieren: Aber wie lernfähig ist Sturm? Foto: © GEPA

„Wir brauchen Menschen mit mehr Energie“, sagte Günter Kreissl bereits am Sonntag nach dem Schlusspfiff gegen Rapid.

Mit Verlaub, der SK Sturm Graz braucht mehr als mehr Energie.

Zuallererst braucht er eine konkretere Idee, für was er stehen möchte – und zwar idealerweise, bevor man sich für einen Nachfolger von Roman Mählich entscheidet.

Eine Entscheidung haben die Sturm-Bosse bereits getroffen: Sie wollen, dass weiterhin Kreissl die sportlichen Geschicke des Vereins leitet – der Geschäftsführer Sport hat seinen Rücktritt angeboten, der Vorstand hat ihn abgelehnt.

Ein Zeichen der Kontinuität, bevor man komplett bei Null beginnen muss. Kreissl hat in seiner Amtszeit viel Positives bewirkt. Dies wird in Zeiten des Misserfolgs gerne vergessen, sollte es aber nicht. Aber auch ihm ist die Saison 2018/19 ziemlich misslungen, wie er selbst eingestehen musste.

Nun gilt es zu beweisen, dass er es nach wie vor drauf hat und die vergangene Saison nur ein Ausrutscher war.

Das heitere Trainer-Raten wird in den kommenden Tagen vieles überstrahlen, dabei wäre – auch für Kreissl - genau jetzt der Zeitpunkt zu überlegen, warum die Personalie Mählich ein verschossener Elfmeter mit besonders viel Anlauf war.

Eine klare Vision, für welchen Fußball Mählich beim SK Sturm irgendwann stehen möchte, konnte er bis zu seinem letzten Tag nicht vermitteln – und genau darauf beruhte die Skepsis, die er allerorts verspürte.

Zuerst probierte er es, wohlwollend formuliert, mit eher abwartendem Gekicke. Das brachte zwar anfangs Punkte, fand aber wenig Anklang. Der Versuch, verstärkt offensive Akzente zu setzen, scheiterte grandios, da man sich weiter in der Geiselhaft der Feigheit befand. Seine Spieler agierten zunehmend limitierter, wenn es darum ging, im Angriff Lösungen zu finden.

Das vermeintliche Gebot der Stunde, flexibel zu agieren, erfüllte er sowieso nicht wirklich, während das Sturm-Spiel immer unansehnlicher und erfolgloser wurde.

Mählich war ein Fehler, den Kreissl jetzt korrigierte. Aber letztlich war er ein Folgefehler.

Denn der erste Fehler war, nach Heiko Vogel einen Coach zu installieren, der für einen gänzlich konträren Ansatz stand.

Es gibt leichtere Aufgaben, als mitten in der Saison die Philosophie zu wechseln und im Zuge dessen mit Bedauern feststellen zu müssen, dass das Spielermaterial nicht wirklich dazu passt und der neue Coach ganz andere Kicker-Typen bevorzugt als jene, die vorhanden waren.

Keine Frage: Falsche Trainer-Bestellungen passieren. Hier ist in jüngerer Vergangenheit sogar dem heimischen Branchen-Primus Red Bull Salzburg mit Peter Zeidler ein Fehlgriff unterlaufen.

Den „Bullen“ kann man jedoch schwer unterstellen, dass sie mit jedem neuen Coach Kaderpolitik und Spielphilosophie über den Haufen werfen müssen – neben der immer größeren finanziellen Überlegenheit ist die kaum verhandelbare Strategie das größte Plus in Salzburg.

Kollege Harald Prantl schrieb in seiner Würdigung des dominanten Salzburger Jahrzehnts folgendes: „Und vielleicht schafft es ja auch der eine oder andere vermeintliche Top-Klub, dessen Trophäenschrank nach Zuwächsen lechzt, sich den Bundesliga-Dominator zum Vorbild zu nehmen und eine Philosophie zu entwickeln und vor allem dann auch über eine längere Zeit hinweg durchzuziehen, die diesen Namen auch verdient. Dass das nämlich eigentlich gar nicht so schwer ist, beweist der LASK in jüngerer Vergangenheit.“

Ob der LASK den Erfolg ohne Oliver Glasner konservieren kann, wird sich weisen. Aber immerhin ging man in die Suche nach einem Nachfolger mit der klaren Vorstellung, einen Coach zu finden, der eine ähnliche Idee verfolgt.

Kreissl wird in der „Kleinen Zeitung“ nach dem Mählich-Aus in Bezug auf die Anforderungskriterien an einen Nachfolger wiefolgt zitiert:

„Wir wollen einen Trainer haben, der eine klare Idee hat, mit der er schon einmal zum Erfolg gekommen ist. Es gibt nicht das Profil, dass ich sage, der neue Trainer muss jetzt ein Umschaltspiel mit Dreierkette spielen.“

Entscheidend sei, wie wahrscheinlich es klingen würde, mit dieser Idee erfolgreich zu sein.

Interessanter Nachsatz: „Ich bin für vieles zu begeistern.“

Hmmmm.

Sollte nicht gerade die Erfahrung mit Mählich zum Umdenken anregen, dass der Verein sich zuerst überlegt, für welchen Fußball er stehen will? Und dann den passenden Trainer und nach und nach die passenden Spieler engagieren.

Stilmittel gibt es zur Genüge. Es gibt Teams, die mit dem Ansatz von Vogel Erfolg haben. Es gibt Teams, die mit jenem von Mählich Erfolg haben. Und es gibt Teams, die wieder auf einem anderen Weg Erfolg haben. Nichts ist per se falsch und undenkbar. Aber man sollte sich halt entscheiden.

Sturms Schlüsselwort in jüngerer Vergangenheit ist eben stets „Erfolg“ – und das am besten möglichst schnell. Das Wie bleibt dem Coach überlassen.

Ja eh. Erfolg will jeder Verein. Nur was, wenn der ausbleibt?

Oder wenn er mit untauglichen Mitteln errungen wird? Auch Mählich wurde mit der Vorgabe, rasch Erfolge zu liefern, auf die Reise geschickt. Mit dem Erreichen der Top 6 gelang dies auch im weitesten Sinne.

Aber wie? Und dann? Dass hier nichts Nachhaltiges am Entstehen ist, konnte man früh erahnen. Dass es derart spektakulär implodieren würde, vielleicht weniger, aber die Überraschung hält sich in Grenzen.

Sturm sind nach Cupsieg und Vizemeistertitel genügend Fehler unterlaufen, die ausreichend analysiert wurden. So muss man etwa nicht unbedingt hyperventilieren, wenn sich Spieler nach Erfolgen (finanziell) verbessern wollen, das geht allen Klubs in Österreich so.

Auch hier lohnt sich vielleicht ein etwas langfristiger gedachtes Konzept. Dies würde die Gefahr von Panik-Käufen mindern, sollten mal mehr Spieler als gedacht den Verein verlassen. Diese Message sollte inzwischen angekommen sein.

Aber nochmal: Fehler passieren – und Sturm ist trotz allem, was in dieser Saison schief gelaufen ist, nicht in einem Zustand der sportlichen Hoffnungslosigkeit. Dieser Kader hat mehr Potenzial, als er zuletzt abrufen durfte - vor allem wenn er klug adaptiert wird.

Aber: Das Wichtigste ist, dass man Fehler nicht zwei oder drei Mal begeht.

Die Suche nach einem Nachfolger von Roman Mählich wird das erste Indiz, ob Sturm – und im konkreten Fall vor allem Kreissl - tatsächlich aus 2018/19 gelernt hat.

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