In der abgelaufenen Saison in der ADMIRAL Bundesliga 2024/25 gab es laut ÖFB 85 schwerwiegende Fehlentscheidungen auf dem Spielfeld.
Davon wurden 65 Prozent am Ende vom VAR korrigiert, unkorrigiert blieben 30 Entscheidungen. Diese lassen sich nochmal aufteilen in 16 VAR-Fehler, sieben Mal blieb der Schiedsrichter irrtümlicherweise bei seiner Entscheidung und sieben Mal war es außerhalb des VAR-Protokolls.
Außerhalb des VAR-Protokolls bedeutet, dass der Videoassistent aufgrund der Voraussetzungen nicht eingreifen darf.
"Klar könnte die Statistik besser sein, aber Fehler sind leider nicht zu verhindern", bilanzierte der ehemalige Top-Schiedsrichter und heutige Technische Direktor der Schiedsrichter beim ÖFB, Viktor Kassai, auf einer Pressekonferenz im Rahmen der "Sports Media Austria"-Tagung in Bozen - meinte aber auch:
"VAR ist kein Wundermittel für alle Schiedsrichter-Fehlentscheidungen. Jede zweite Woche ein Fehler von VAR ist okay."
Von Fehlentscheidungen bis hin zu Morddrohungen
Es war eine Saison, in der trotz höchster Spannung einmal mehr nicht nur die Klubs im Mittelpunkt standen, sondern auch die Unparteiischen. Ein Dauerthema im Fußball – Besserung nicht in Sicht.
Immer wieder stand das Schiedsrichter-Gespann bei kritischen Szenen im Vordergrund, immer wieder musste der VAR eingreifen, manchmal berechtigt, manchmal umstritten. Bei all der Kritik kam es in diesem Jahr auch zu unschönen Szenen, die weder im Sport, noch sonst wo in der Welt etwas verloren haben.

Bei der Bundesliga-Partie zwischen Sturm Graz und Austria Wien war Sebastian Gishamer aufgrund zweier Platzverweise gegen die Grazer und eines aberkannten Treffers im Kreuzfeuer. Nach dem Spiel geriet der 36-Jährige ins Visier einer regelrechten Hetzkampagne, inklusive Morddrohungen.
Doch was waren die Unterschiede zu den normalen Fehlentscheidungen und warum kam es diesmal zu Morddrohungen?
"Der Verein hat nach dem Spiel einen Social-Media-Beitrag veröffentlicht und den Schiedsrichter als Feind dargestellt. Dadurch hat man den Hardcore-Fans eine Plattform geboten, wodurch diese Morddrohungen entstanden sind. Das Fernsehen hat das dann noch geteilt, etc. Da ist eine Kettenreaktion entstanden", fasste Ali Hofmann, Leiter des "Referee Department" beim ÖFB, zusammen.
"Wir haben in Österreich ein Mentalitätsproblem. Jeder, der am Fußballspiel beteiligt ist, egal ob Trainer, Spieler, Eltern, Fans, Vereinsverantwortliche... Da wird teilweise ein Verhalten an den Tag gelegt, das sondergleichen ist."
Die Rolle der Medien
In weiterer Folge soll eine gewisse Dynamik durch den Verein und die Medien entstanden sein. Sogar die Eltern des Schiedsrichters sollen mehrmals in der Nacht am Festnetz angerufen worden sein. Zudem wurde die Adresse seines Büros in den Kommentaren eines Mediums geleakt und lange nicht gelöscht.
"Die Medien haben eine große Verantwortung. In den letzten fünf Runden zum Beispiel wurde nie über den Schiedsrichter diskutiert. Und warum war das so? Weil nicht über sie berichtet wurde. Wir haben viele Maßnahmen gesetzt, um uns zu verbessern und wenn die Medien dann nicht jede kleine Fehlentscheidung publizieren, steht der Schiedsrichter auch nicht mehr so im Fokus", so Hofmann.
Kritik gab es dabei auch an der Bundesliga. Während in den Landesverbänden die Strafen und Konsequenzen teilweise strikt sind, sollen diese laut ÖFB in der Bundesliga nicht im selben Maße gelten. Der Anlass: Strafen gegen Funktionäre wurden teilweise wieder zurückgenommen.
"Mentalitätsproblem" – Szenen, die den Nachwuchs gefährden
"Wir haben in Österreich ein Mentalitätsproblem. Jeder, der am Fußballspiel beteiligt ist, egal ob Trainer, Spieler, Eltern, Fans, Vereinsverantwortliche... Da wird teilweise ein Verhalten an den Tag gelegt, das sondergleichen ist", so Hofmann.
Auslöser dieser Aussage war ein Video von einem Nachwuchsspiel, das dem Leiter der Schiedsrichter zugespielt wurde, in dem ein 18-jähriger Schiedsrichter von einem Elternteil von hinten mit der Faust auf den Kopf geschlagen wurde.
Es sind gerade solche Szenen, die dafür sorgen, dass Österreich immer weniger Schiedsrichter hat. Aktuell sind es sieben FIFA-Schiedsrichter. Mit Julian Weinberger und Sebastian Gishamer auch zwei, die dieses Jahr internationale Spiele leiteten. Gishamer pfiff dabei immerhin das Achtelfinale der UEFA Conference League.
"Das war für uns ein großer Erfolg. Wir hatten die letzten Jahre kein einziges K.o.-Spiel in einem internationalen UEFA-Wettbewerb. Das war jetzt der erste Schritt, da sieht man auch die Handschrift von Viktor", lobte Hofmann die Arbeit des ehemaligen Top-Schiedsrichters.
"Unsere Ziele sind hoch und daher wollen wir bei der EM 2028 einen Schiedsrichter stellen. Aber klar, zuerst brauchen wir erstmal einen, der CL pfeift."
Ziel? EM-Schiedsrichter 2028
Seit 1998 war kein österreichischer Schiedsrichter mehr bei einer Weltmeisterschaft im Einsatz, bei der EM 2008 war mit Konrad Plautz das letzte Mal ein rot-weiß-roter Unparteiischer.
Das soll sich laut Kassai nun schnellstmöglich ändern. "Unsere Ziele sind hoch und daher wollen wir bei der EM 2028 einen Schiedsrichter stellen. Aber klar, zuerst brauchen wir erstmal einen, der CL pfeift."

Neben den Planungen für die Zukunft geht der Blick natürlich auch schon in Richtung kommender Saison. Dort soll es erneut zu einer Regeländerung kommen.
Ab dem 1. Juli darf der Torhüter, statt bisher sechs Sekunden, den Ball acht Sekunden in der Hand halten. Wird diese Zeit überschritten, gibt es nicht wie bisher indirekten Freistoß, sondern Eckball. "Das sorgt vielleicht nicht für so viele Diskussionen, ein indirekter Freistoß ist sehr sensibel", skizzierte Kassai die Gedanken dahinter.
Fehlende Infrastruktur
Generell Aufholbedarf sehen die beiden in punkto Infrastruktur. Während in der Champions League 30 Kameras den VAR unterstützen, sind es in der Bundesliga nur je nach Stadion zwischen acht und zwölf.
"Mit mehr Kameras haben wir mehr Eingriffe und auch mehr Gerechtigkeit. Und darum geht es. Es geht schließlich am Ende auch um viele Millionen", so der Ungar.
Die fehlende Infrastruktur sei auch ein Grund, warum, anders als in Deutschland, wo bereits in der vergangenen Saison erstmals die Kommunikation zwischen den Unparteiischen im Stadion über die Lautsprecher zu hören war, das in Österreich so nicht kommen werde.
"Es macht eben einen Unterschied, ob du beim WAC, in Hartberg oder eben in Wien-Hütteldorf oder bei Red Bull Salzburg spielst", zeigt Hofmann die Probleme deutlich auf.