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Das Ende des großen Vorwärts-Hypes

Die Euphorie nach dem Aufstieg war groß - die Ernüchterung in Steyr ist es auch.

Das Ende des großen Vorwärts-Hypes Foto: © GEPA

Es war ein Moment wie ihn Fußball-Romantiker lieben. Nach turbulenten Jahren ist der ehemalige Bundesligist Vorwärts Steyr zurück in der 2. Liga.

Die große Anfangseuphorie ist mittlerweile kalter Realität gewichen. Nach zehn Runden rangieren die Oberösterreicher mit nur fünf Punkten und sechs erzielten Toren auf dem letzten Platz der 16er-Liga.

Vor dem Auswärtsmatch beim FAC (Sonntag, ab 10:30 Uhr, im LIVE-Stream) hat LAOLA1 bei den Vorwärts-Verantwortlichen nachgefragt, wie sich die aktuelle sportliche Situation auf den Verein auswirkt.

Alles wie erwartet

"Es ist vieles so gekommen, ich es mir gedacht habe. Ich habe erwartet, dass es schwer wird für uns", sagt Vorwärts-Präsident Reinhard Schlager. Der aber zugibt, dass er nicht damit gerechnet habe, dass sich sein Verein am Tabellenende wiederfinden wird.

Die Gründe für die aktuelle sportliche Talfahrt liegen für den Obmann aber auf der Hand. "Uns haben einfach in gewissen Momenten die Erfahrung und das nötige Glück gefehlt - das wird aber kommen", sagt er.

Gerald Scheiblehner, Trainer und Manager in Personalunion, stimmt seinem Präsidenten in diesem Punkt zu. "Uns hat einfach die Routine in dieser Liga gefehlt. Wir hatten auf diesem Niveau noch keine Erfahrung, haben jetzt aber unglaublich viel gelernt", so der 41-Jährige.

Trainer wie auch Präsident versichern glaubhaft, dass sie die aktuelle Tabellensituation nicht verunsichert.

 

"Ich bin jetzt nicht zu Tode betrübt, das wäre ich, wenn wir in den Spielen immer die schlechtere Mannschaft gewesen wären, das war aber nicht so", erklärt Schlager. Auch Scheiblehner kann den Leistungen seiner Mannschaft durchaus positive Dinge abgewinnen. Sie hätten auch in Spielen, die dann verloren wurden, sehr gute Leistungen gezeigt, sagt er.

Druck und Erwartungshaltung

Eine der besten Leistungen des Aufsteigers war zweifelsfrei gleich zum Auftakt zu bestaunen. Durch einen engagierten, kämpferischen Auftritt holte Vorwärts gegen den oberösterreichischen Nachbarn und großen Aufstiegsfavorit aus Ried ein 1:1.

Danach kannte die Euphorie in Steyr endgültig keine Grenzen mehr. Der Aufstieg und dieser Saisonauftakt lösten den "Vorwärts-Hype" aus. Zu den ersten drei Heimspielen kamen zusammen fast 10.000 Zuschauer in die "SIS Arena".

"Die Leute haben sich danach gesehnt, dass Vorwärts wieder höherklassig spielt. Eigentlich sollte das für die Spieler eine zusätzliche Motivation sein"

Vorwärts-Präsident Reinhard Schlager

Präsident Schlager kann sich sehr gut vorstellen, dass die Euphorie bei einigen Fans sogar in überzogene Erwartungshaltung umgeschlagen hat. "Die Leute haben sich danach gesehnt, dass Vorwärts wieder höherklassig spielt. Eigentlich sollte das für die Spieler eine zusätzliche Motivation sein", so der Vorwärts-Boss.  

Doch daraus wurde nichts. Steyr holte, seit dem ersten Spieltag, keinen einzigen Punkt mehr in der heimischen Arena. Aus Energie wurde Versagensangst.

"Die Spieler wollten es in den letzten Partien dann mit aller Gewalt erzwingen. Aber dadurch haben sie sich selbst immer mehr unter Druck gesetzt", sagt auch Trainer Scheiblehner. Er hat in der Länderspielpause versucht, die Köpfe seiner Spieler frei zu bekommen. Leicht war das aber nicht.

"Bei uns als Amateurteam ist das mit der Pause ja so eine Sache, weil wir trotzdem alle in die Arbeit müssen", sagt er, "ich musste dem Team den Druck nehmen, den es sich selbst auferlegt hat. Dieser Druck ist nicht gerechtfertigt und kam auch nicht von außen."

Entscheidende Wochen

Jetzt will der Aufsteiger so schnell wie möglich, am besten natürlich noch vor der Winterpause, den Anschluss an die Nicht-Abstiegsplätze herstellen. Die erste Möglichkeit dazu: Das Auswärtsmatch in Wien beim FAC.

"Ich denke, wir sind gut beraten, wenn wir keine großen Töne spucken und irgendwelche Gegner als 'machbar' einstufen", sagt Schlager. Auch Vorwärts-Coach Scheiblehner will nichts davon wissen, dass seine Mannschaft punkten muss. "Wir müssen nicht punkten, wir wollen", sagt er. So seien sie das in Steyr bereits seit der ersten Runde angegangen.

 

Doch für den Trainer hätte ein Erfolgserlebnis eine ganz andere Bedeutung: "Ich würde es uns allen im Verein wünschen, dass wir endlich mal wieder ein Spiel gewinnen, weil es für neue Motivation sorgen und die Arbeit ungemein erleichtern würde."

Nach dem Auswärtsspiel beim Tabellenneunten in Wien, bei dem den Oberösterreichern gleich sechs Stammkräfte fehlen, stehen zwei Derbys auf dem Programm. Zunächst empfängt man Blau-Weiß Linz, anschließend geht es nach Pasching zu den OÖ Juniors.

"Fakt ist, dass die Juniors mit uns aufgestiegen sind. Vom Papier her müsste das eher unsere Kragenweite sein als Ried oder Lustenau. Aber es ist bei den B-Teams halt auch immer so eine Sache, wer dann dort wirklich spielt", sagt Schlager.

"Der Hype ist jetzt natürlich weg, die Fans wollen Siege sehen, das ist ja ganz klar."

Trainer Gerald Scheiblehner

 

Außerdem gibt der Klub-Boss zu bedenken, dass ein einzelner Sieg keine großen Auswirkungen hätte. "Wenn wir jetzt einmal gewinnen, sind wir deshalb nicht gerettet. Es wird ein harter Kampf bis zum Schluss für uns."

Bei aller nüchternen Betrachtung der Rahmenbedingungen in Steyr, die Fans des Traditionsklubs, der nächstes Jahr sein 100. Jubiläum feiert, wollen endlich wieder Siege ihres Teams sehen. Dem ist sich auch Aufstiegstrainer Scheiblehner bewusst: "Der Hype ist jetzt natürlich weg, die Fans wollen Siege sehen, das ist ja ganz klar."

Jugendarbeit statt teurer Profis

Fünf Runden sind bis zur Winterpause in der 2. Liga noch zu spielen. Dann werden sich die Verantwortlichen in Steyr zusammensetzen und das Jahr 2018, das so traumhaft mit dem Aufstieg begann, analysieren.

Doch der Blick geht auch schon voraus. Ganz offen geben Schlager und Scheiblehner zu, dass auch ein Abstieg für den Verein Vorwärts Steyr - aus finanzieller Sicht - kein Beinbruch wäre. "Wir haben den Verein auf ein solides Fundament gestellt, es wird nachhaltig gearbeitet. Wir würden trotzdem ein vernünftiges Budget aufstellen können", sagt Präsident Schlager.

Trotzdem ist man bei Vorwärts nach wie vor davon überzeugt, den drohenden Abstieg noch verhindern zu können. "Ich bin sicher, dass die meisten Aufsteiger mehr Punkte holen werden als sie es bisher getan haben und ich hoffe, dass wir da dabei sind", gibt sich Scheiblehner zuversichtlich.

 

Trainer Gerald Scheiblehner
Foto: © GEPA

Um das "große Ziel Klassenerhalt" auch zu realisieren, wird der Klub im Winter wohl auf dem Transfermarkt tätig werden. "Vom Budget können wir sicher über Transfers nachdenken. Uns ist aber wichtig, dass Neuzugänge zu unserer Vereinsphilosophie passen. Wir versuchen, jungen Spielern aus der Region eine Chance zu geben", erklärt Scheiblehner.

Der Amateurstatus mache es zudem schwer, einen Profi zu holen, denen sei es einfach zu wenig, wenn nur einmal am Abend Training angeboten werde, so der Coach. Der Präsident bestätigt diese Aussagen und fügt an, dass es "keine großen Geschichten" geben werde.

Viel wichtiger ist es den Verantwortlichen in Steyr, nachhaltig zu arbeiten. Deshalb werden die meisten finanziellen Mittel in die Jugendarbeit sowie die Professionalisierung der Infrastruktur gesteckt. "Weil wir hier einfach Nachholbedarf sehen", sagt der sportliche Leiter.

Scheiblehner sagt, dass ein Abstieg für Vorwärts nicht das Ende der Welt bedeuten würde. "Vorwärts ist ein besonderer Verein, wir definieren uns nicht ausschließlich über den Erfolg."

Der Aufstiegs-Hype ist abgeklungen, doch die Bindung zwischen Fans und Team ist nach wie vor eng. Ein Sieg könnte dem Traditionsverein neuen Auftrieb geben. Und eines ist sicher: Gelingt der Klassenerhalt, ist das der Start eines neuen Vorwärts-Hypes.

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