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Takougnadi: "Bei Rassismus wie bei Hopp vorgehen"

"Echter Wiener" gegen Rassismus. Ried-Profi Takougnadi fordert mehr Konsequenz:

Die SV Ried hat vor dem 2. Liga-Stopp aufgrund der Coronavirus-Pandemie bewiesen, dass sie bereit wäre für die Bundesliga.

Mit einem überarbeiteten System und einer durchschlagskräftigen Offensive. Viele Freiheiten haben dabei auch die Außenverteidiger, allen voran Balakiyem Takougnadi.

Das hat seinen Reiz, vor allem wenn man sein Vorbild, Ex-Barcelona- und PSG-Star Dani Alves, als einen der ersten Vorreiter der modernen Außenverteidiger bezeichnet. Drei Tore sind ein Indiz dafür, dass er Gefallen an dieser Ausrichtung findet.

Doch der 27-Jährige ist nicht nur auf dem Platz einer, der in die Offensive geht, sondern auch bei wichtigen Themen, die weit über den Fußball hinaus gehen. So hat er sich "als echter Wiener" dem Kampf gegen Rassismus verschrieben. Ein leidiges Thema, das vor dem Liga-Stopp wieder einmal international aufpoppte und für Spieler-Abtritte, Reaktionen und Aufregung sorgte.

"Ich habe das Gefühl, das Thema hört nie auf – und es kommt immer wieder was Neues", ist Takougnadi beim Gespräch im Zuge des LAOLA1-Besuchs - noch vor dem Kontaktverbot - untröstlich.

VIDEO - Takougnadi als Dauerbrenner:

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

Takougnadi gibt Hoffnung nicht auf: "Hoffe, es wird sich was ändern"

Mario Balotelli wollte nach Schmähungen als Brescia-Spieler das Spiel abbrechen, Englands Nationalspieler wollten im Falle von Diskriminierungen selbst entscheiden und nicht auf den UEFA-Dreistufenplan Rücksicht nehmen.

Zuletzt sorgte der Fall von Moussa Marega für einen Skandal, als der Spieler nach rassistischen Beleidigungen den Platz verlassen wollte und statt Solidarität aus den eigenen Reihen daran gehindert wurde.

Für Takougnadi ist es jetzt kein neuer, negativer Trend, der zurückkehrt, viel mehr wurde das Thema nie richtig ernst genommen. "Ich finde, das ist allgemein ein Thema, über das gesprochen wird. Ich finde, man sollte auch dementsprechend etwas dagegen tun. Ich hoffe, es wird sich was ändern in den nächsten Monaten, Jahren,..."

Eigentlich sollte eine andere Hautfarbe, Kultur oder Religion längst kein Unterscheidungsgrund mehr sein, auch der Ried-Profi versteht nicht, warum man das nicht den Griff bekommt. "Das ist leider nicht der Fall. Deswegen müssen wir alle dagegen was anpacken."

Rassismus-Opfer? "Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde"

Takougnadi selbst wurde in Lome in Togo geboren, ist aber seit dem fünften Lebensjahr in Wien-Favoriten aufgewachsen und behauptet daher mit Überzeugung, "ein echter Wiener" zu sein.

Er machte beim Team Wiener Linien seine ersten Gehversuche, wurde im Austria-Nachwuchs ausgebildet und spielte für die ÖFB-U19-Auswahl. "Natürlich ist mir Österreich wichtig, ich habe auch die österreichische Staatsbürgerschaft", gesteht der Defensivspieler. "Ich fühle mich sehr wohl als Österreicher und sage immer, dass ich extrem stolz bin, dass ich in der besten Stadt, in Wien, aufgewachsen bin. Das ist schon was Geiles."

Mit Togo verbindet ihn nicht mehr viel, außer der Kontakt zu seinen Cousins und restlichen Verwandten. Wien und nun Ried wurden zu seiner Heimat, und zum Glück war er Rassismus selbst nie in einer ausufernden Form ausgeliefert.

"Eigentlich nicht wirklich. Ab und zu habe ich mal was gehört, aber das war meistens einer von hundert Zuschauern, der reingeschrien hat. Das ist schon was anderes. Das habe ich auch gar nicht so ernst genommen."

Gleichzeitig muss er aber auch zugeben, dass ihn dies in verschärfter Form überfordern würde: "Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn zum Beispiel hundert Fans etwas reinrufen würden. Das kann ich jetzt nicht sagen, weil ich war noch nie in der Situation. Aber trotzdem kann ich mich in die Leute hineinversetzen, die in so einer Situation sind."

"Bei Rassismus sollte dasselbe passieren wie bei Hopp"

Von einem ist Takougnadi jedoch überzeugt. Dass die SV Ried im Ernstfall hinter ihm stehen würde. Alleine das Gefühl zu haben, bei einer gesetzten Reaktion Unterstützung zu haben, gibt Sicherheit.

Allerdings sollte es nie so weit kommen. In der Coronavirus-Krise wurden klare Maßnahmen gesetzt, im Fußball reichten zuletzt Transparente aus, um ein Zeichen bis hin zu Unterbrechungen zu setzen. Nur beim Rassismus wird seiner Meinung nach noch zu viel zugesehen anstatt zu handeln.

"Ich finde, man sollte einfach nicht weiterspielen. Weil vor kurzem war auch das Thema in Hoffenheim mit Dietmar Hopp. Da wurde zum Beispiel auch aufgehört zu spielen. Bei Rassismus sollte genau dasselbe passieren", glaubt der gebürtige Togolese, dass es gewisse Leute nur so verstehen würden.

Der UEFA-Dreistufenplan und bisherige Vorkehrungen darüber hinaus seien noch zu wenig, wenn man bedenkt, was in anderen Belangen unternommen wurde. Das beschreibt Takougnadi durchaus als "nicht konsequent genug, so sehe ich das".

"Ohne Glaube geht bei mir nichts"

Der Außenbahnspieler wird auch weiterhin den Mund aufmachen, wenn es um heikle Themen wie dieses geht. Seine Zielstrebigkeit hat ihn auch sportlich aufs nächste Level gehoben. Doch nicht nur sein Eifer war entscheidend, auch sein Glaube verhilt ihm, Berge zu versetzen.

Nicht nur der Glaube an den Bundesliga-Aufstieg ist sehr groß, dieser geht weit darüber hinaus. "Der Glaube bedeutet mir eigentlich alles, ohne Glaube geht bei mir nichts. Ich bin sehr gläubig und versuche auch danach zu leben. Das gibt mir auch sehr viel Kraft für die Spiele."

Takougnadi ist davon überzeugt, dass dieser auch positive Auswirkungen auf seine sportlichen Leistungen und seinen Werdegang hat: "Das macht mich sehr stark. Ohne den Glauben wäre es für mich schwer. Der Glaube macht für mich schon gewisse Sachen einfacher."

Die Bundesliga fehlt ihm noch, es wäre der logische nächste Step, der mit 27 Jahren spät, aber doch noch in einem guten Fußballeralter kommen würde. Das Ziel war die höchste Spielklasse schon im Kindesalter, nun fehlt nur noch ein kleiner Schritt - sollte die Saison zu Ende gespielt werden oder eine gute Lösung für Ried im Falle des Abbruchs gefunden werden.

Förderer Daxbacher und alte Liebe Austria

Auf den kleinen Wiener Plätzen lernte er das Kicken, bei der Austria wurde er mehrere Jahre ausgebildet. "Dort habe ich meine Jugend verbracht und meinen ersten Jungprofivertrag unterschrieben. Natürlich ist das ein besonderer Verein für mich, weil ich habe ja auch in Wien gewohnt und bin aus Favoriten. Meine Eltern wohnen noch immer dort."

Duelle mit dem Jugendverein werden speziell, auch wenn er keinen Kontakt mehr dorthin pflegt. Worauf er sich sonst in der Bundesliga freuen würde? "Natürlich auf Gegner wie Salzburg, Austria Wien oder Rapid. Über solche Gegner freut man sich schon sehr."

Als ein größer Förderer gilt Karl Daxbacher, der selbst die Austria coachte und Takougnadi damals von den Austria Amateuren zum LASK holte. "Dort waren wir gemeinsam erfolgreich. Er hat mich auch gefördert, das kann man schon so sagen. Dafür bin ich ihm auch dankbar."

"Habe manchmal das Gefühl, dass ich vor zwei Jahren noch 18 war"

So schnupperte er früh ins Profigeschäft, ist mit 27 Jahren schon zehn Jahre dabei und damit fast ein "alter Hase". "Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich vor zwei Jahren noch 18 Jahre alt war. Also die Zeit vergeht wirklich sehr schnell, das kann man sich gar nicht vorstellen. Deswegen hoffe ich, dass es heuer mit der Bundesliga klappt", lächelt Takougnadi.

Auch er hat im Laufe der Jahre einen Wandel vollzogen: "Ich denke, ich bin generell viel ruhiger geworden. Ich schätze auch manche Situationen anders ein. Mit dem Alter wächst die Erfahrung und das sieht man auch bei mir. Mit 19 oder 20 Jahren schätzt man Situationen einfach anders ein. Man ist angespannter."

Demnach kann er das Handeln oder die Denkweise junger Teamkollegen wie etwa Marco Grüll nachvollziehen: "Ich verstehe die jungen Spieler, wenn mal was nicht klappt. Weil das ist nicht einfach für sie." Mit dem Bundesliga-Aufstieg würde der Druck steigen, dieses Gefühl wäre es aber wohl allemal wert.

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