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Das muss das "Stadion der Zukunft" können

Georg Pangl und Harald Fux im Gespräch über Chancen der Infrastruktur von morgen:

Das muss das

Moderne Stadien sprießen weltweit wie Pilze aus dem Boden. Immer größer, immer teurer, immer mehr Gimmicks - doch auch dem Zukunftsthema Nummer 1 gilt immer häufiger der Fokus: Nachhaltigkeit.

Doch was benötigt das "Stadion der Zukunft", um den Nachhaltigkeits-Anforderungen gerecht zu werden? Die Ansprüche sind vielfältig - die Ansätze auch.

Georg Pangl und Harald Fux geben ihre Einschätzungen in einem Gespräch, geleitet von LAOLA1-Nachhaltigkeits-Experte Jörg Meixner, ab.

Pangl hat als langjähriger UEFA-Funktionär im Bereich der Spielstätten massenhaft Expertise und war in diesem Rahmen unter anderem bei Europameisterschaften und der Champions League hauptverantwortlich. Der ehemalige Bundesliga-Vorstand gründete zuletzt die "Pangl Football Group", die sich mit Projekten im internationalen Fußball befasst.

Fux ist Architekt und mit seinem Büro "Raumkunst" verantwortlich für die neue Raiffeisen Arena des LASK. Er kümmert sich um die Schwerpunkte Sportstätten, Schulen und Veranstaltungsstätten, ist auch Präsident des IAKS Österreich ("International Association for Sports and Leisure Facilities") und der UIA ("International Union of Architects/Sports and Leisure Working Group").

Georg Pangl: Bis vor kurzem hat man bei vielen Stadionerrichtern die Tendenz gesehen, dass sie glauben, Nachhaltigkeit ist zu teuer und im Moment nicht leistbar. Ein Zukunftsthema ja, aber bitte nicht gerade jetzt. Doch das ist ein Irrglaube! Man hat oft das Gefühl, dass gerne andere Themen vorgeschoben werden, um sich nicht mit nachhaltigen Investments rund um die Sportstätte beschäftigen zu müssen. Meiner Meinung nach hat dieses Denken aber heutzutage keine Berechtigung mehr, da die Verantwortung dafür nicht delegiert werden kann. Und das, obwohl ein Fußballverein in erster Linie ein Fußballverein ist, der Spielbetrieb heutzutage viel Geld kostet und Corona den Vereinen zusätzlich zusetzt.

Georg Pangl

Harald Fux: Ja, völlig richtig, Investitionen in die Zukunft kosten. Und zwar nicht nur Geld. Es kostet Engagement und Hirnschmalz und vor allem kostet es gestalterischen Willen. Große Stadien sind ja ausgesprochene Energieschleudern, das müssen wir ändern. Hier nehme ich auch die Architekten und Planer in die Pflicht, um eine zukunftsfähige Infrastruktur zu errichten, die ökologisch und auch sozial eine gewisse Wirksamkeit entfalten kann.

Pangl: International haben wir ja schon schöne Vorbilder und da müssen wir ja nicht weit über die Grenzen schauen. Borussia Dortmund legt beispielsweise einen Nachaltigkeitsbericht mit über 160 Seiten vor - und das Jahr für Jahr! Und wie wir uns vorstellen können, zählt dort nicht nur Quantität, nein, die Qualität der Arbeit an nachhaltigen Projekten ist vorbildhaft  - im Verein selbst und im Stadion. Hier sind uns viele deutsche Vereine um einen sehr großen Schritt voraus.

Fux: Auch in England und in Skandinavien kann ich das beobachten. Aushängeschild ist derzeit auf europäischem Boden Amsterdam, wo aus der Johan Cruyff Arena ein "Energy Lab" gemacht wurde. Viele Sportvereine und Stadienplaner nehmen in den genannten Ländern ihre gesellschaftliche Verantwortung in einem ganz anderen Maße wahr, als das bei uns der Fall ist. Ich möchte da die Initativen heimsicher Vereine gar nicht schlechtreden, wir hatten hier und das muß ich auch erwähnen, andere Startbedingungen, vor allem was die Fußballstadien betrifft.

Pangl: Das war die EURO 2008, die in Österreich und in der Schweiz ausgetragen wurde. Wir standen damals unter dem Druck, unsere Stadien schnell euro-fit zu machen, schnell zu sanieren, schnell zu errichten. Dazu kam, dass Themen, wie sie heute relevant und dringlich sind, damals noch gar nicht präsent waren.

Fux: Anfang der 2000er waren wir in Österreich, was große Teile der  Sportinfrastruktur betrifft, in der Steinzeit. Das kann man klipp und klar sagen. Da hieß es: So schnell wie möglich für die Europameisterschaft bauen. Auch wir Architekten hatten nachhaltige Interventionen rund ums Fußballstadion noch nicht am Radar. Ein Umstand, der uns heute eine gewisse Rückständigkeit beschert, die wir jetzt aufholen müssen.

Harald Fux
Foto: © GEPA

Pangl: Die großen Player, wie die UEFA, müssen hier die Zügel in die Hand nehmen und als Vorbild vorangehen. Zum Teil geschieht das auch schon. Die Initative "Clean Air – Better Game", die rund um die diesjährige U21-Europameisterschaft in Ungarn und Slowenien ins Leben gerufen wurde, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auch in der Champions League wirbt u.a. Pepsi auf der Bande mit "please recycle", und auch MasterCard weist auf Nachhaltigkeit hin.

Fux: Gerade jetzt, wo uns die Coronakrise in vielen Bereichen zum Umdenken zwingt, ist es im Sportstättenbau dringend notwendig, neue Wege zu gehen – auch bei uns in Österreich. Sportstättenbauer müssen dabei mehr gefordert werden, von den Benutzern, von der Politik, von den Medien. Wir stehen hier vor spannenden Aufgaben.

Pangl: Stadien müssen heute ja nicht nur im nachhaltigen Sinne mehr bieten als noch vor einigen Jahren. Ich rede hier nicht nur von Energieerzeugung am Stadiondach, wie es vielerorts schon passiert. Auch Themen wie Komfort und Publikumsbindung erfahren eine massive Aufwertung und bringen originelle Ideen hervor. Das sehen wir zum Beispiel in den Gastro-Bereichen großer Arenen mit Angeboten veganer Speisen. Nehme wir das neue Tottenham Hotspur Stadium. Wichtig ist dort, wie sehr eignet sich die Location als Hintergrund für die Social Media Postings der Fans? Wie kann der Vereine somit die Fans einbinden, wenn es darum geht, einen möglichst positiven Eindruck des Stadions nach außen zu kommunizieren?

Fux: Hier wird es auch gelten, die nachhaltigen Aktionen eines Sportvereins zu kommunizieren. Das Thema braucht eine breite Öffentlichkeit, braucht die Mitwirkung von Sponsoren und die der öffentlichen Hand. Wenn wir als Planer noch dazu die Fans als Multiplikatoren gewinnen können, ist das natürlich eine ideale Situation. Die Frage, die wir beantworten müssen lautet: Was muss Infrastruktur leisten, um das Bewusstsein von Menschen zu transformieren, in eine Richtung zu verändern, die nachhaltiges Tun befördert oder zumindest zulässt.

Pangl: Für einen Sportverein, der sich fit für die Zukunft machen möchte, kann ein derartiges Stadion nur Vorteile bringen. Auch das Zusammenspiel Verein – Fans – Sponsoren kann dadurch auf ein neues, nachhaltiges Fundament gestellt werden. Ich bin mir sicher, da werden schon bald wegweisende Projekte entstehen, auch bei uns in Österreich. Ich bin überzeugt, dass viele Architekten diesen Weg unterstützen, wie es Harald Fux bereits vorzeigt, diese Zukunft dementspechend zu gestalten.

Fux: Das Stadion der Zukunft kann ich mit drei Schlagworten beschreiben: Low-Tech, Low-Energy und Loose-Fit. Ersteres bedeutet einen niederschwelligen Zugang zu digitalen Notwendigkeiten, die mithelfen nachhaltige Aktionen umzusetzen. Punkt zwei heißt, lebensnotwendige Ressourcen schonen und Fläche sparen, wo immer es geht. Loose-Fit meint, die Infrastruktur variabel und an immer neue Situationen anpassbar zu gestalten. Starre Konzepte, die, materialisiert als unbrauchbare Ruinen vergammeln, können wir uns nicht mehr leisten!

Pangl: Gerade für kleinere Ligen wie die heimische Bundesliga liegt darin eine große Chance, sich zu positionieren. Der sportliche Konkurrenzkampf ist gegen die Großen kaum noch zu gewinnen – auf der Ebenen der nachhaltigen Entwicklung können wir leichter zur Spitze aufschließen und sogar Vorreiter werden. Das Potenzial ist da – nutzen wir es gemeinsam!

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