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"Die Austria hat ein Gesicht bekommen"

Im Sommer fast weg, jetzt Vertragsverlängerung. FAK-Coach Fink im LAOLA1-Interview.

Kein Abschied in naher Zukunft. Im Gegenteil.

Coach Thorsten Fink hat gemeinsam mit seinem Trainerteam seinen Vertrag bei der Austria bis 2019 verlängert.

"Ich möchte mit der Austria im neuen Stadion um den Titel spielen", verrät der 48-jährige Deutsche, der mit der Entwicklung der Mannschaft zufrieden ist: "Ich denke, dass die Austria ein Gesicht bekommen hat. Wir können jedes Drittel am Platz bearbeiten – mit Pressing, ohne Pressing, hoch stehen, tief stehen."

Die Unterschrift unter dem neuen Arbeitspapier ist dem ehemaligen Bayern-Profi leichtgefallen, denn er fühlt sich bei den Veilchen pudelwohl. „Wien ist eine schöne Stadt. Hier kann man etwas aufbauen. Die Mannschaft entwickelt sich, die Spieler wachsen gerade. Es kommen junge Leute wie Dominik Prokop oder Alexandar Borkovic nach. Ich habe noch viel vor.“

Im exklusiven LAOLA1-Interview spricht Fink über den Job als Trainers und erklärt, warum er nicht nur wegen des neuen Stadions länger bei der Austria bleiben wird.


LAOLA1: Herr Fink, wann war der Zeitpunkt in Ihrem Leben, als Ihnen klar wurde, dass Sie Trainer werden wollen?

Thorsten Fink: Eigentlich schon als Spieler. Ich habe schon als Aktiver oft mit meinem damaligen Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld geredet und er hat mir immer gesagt, dass ich wie ein Trainer denke und mich gefragt, ob das nichts für mich wäre. Vielleicht wollte er mir aber auch das Karriereende nahelegen (lacht). Ich wusste früh, dass ich im Fußball-, im Mannschaftssport bleiben will - Berater oder eine ähnliche Funktion interessierte mich nicht. Es macht Spaß, täglich mit einer Mannschaft zu arbeiten. Daher stand mein Entschluss, Trainer zu werden, schon fest, bevor ich meine aktive Karriere beendet hatte.

LAOLA1: Erleichtert eine erfolgreiche Karriere als Spieler den Einstieg ins Trainergeschäft oder erschwert es ihn vielleicht sogar?

Fink: Keines von beiden. Man muss von vorne anfangen. Aber natürlich nimmt man gesammelte Erfahrungen aus dem Leben mit. Das ist aber in jedem anderen Beruf genauso. Es gibt gute Trainer, die vorher auf keinem hohen Level Fußball gespielt haben – und umgekehrt. Etliche gute Fußballer sind auch gute Trainer geworden. Wirklich helfen tut dir nichts. Du musst alles neu lernen und fleißig sein. Als Spieler ist es etwas anderes. Da muss ich meinen Körper fit halten und mich um nichts anderes kümmern. Als Trainer hast du wesentlich mehr Dinge, um die du dich kümmern musst. Du darfst eigentlich nie abschalten. Es gibt Analysen, Videos, Besprechungen mit der medizinischen Abteilung, Gespräche mit dem Präsidenten, Sponsoren- und Medientermine. Alles zusammenzuhalten und zu ordnen macht den Unterschied aus und das macht mir sehr viel Spaß.

LAOLA1: Ist das Trainerdasein im heutigen Fußballgeschäft schon so komplex, so vielschichtig, dass das Wesentliche teilweise auf der Strecke bleibt?

Fink: Ich glaube schon. Heutzutage gibt es so viele Bereiche, wo man Spezialisten benötigt. Ich gebe dem Team eine Taktik vor, gebe der Mannschaft ein Gesicht. Aber in meinem Trainerteam brauche ich absolute Experten. Ich bin ja kein Physio, oder kein Top-Konditionstrainer. Ich kann nur so gut wie mein Trainerteam sein. Früher war das anders. Da hat der Coach alles gemacht. Heutzutage ist es viel komplexer. Du benötigst in jedem Bereich Top-Leute, die loyal sind.

LAOLA1: Ist der Zenit erreicht, oder geht noch mehr? Andererseits heißt es nicht umsonst: Zu viele Köche verderben den Brei.

Fink: Das kann passieren. Gut möglich, dass bei zu vielen Leuten etwas durcheinander gebracht wird. Allerdings kommen immer wieder Personen zu mir, die mir erklären, was noch wichtig für die Mannschaft wäre. Man darf das Ganze nicht zu kompliziert machen, aber man sollte auch offen für neue Dinge sein. Schließlich entwickelt sich jeder weiter. Man muss als Trainer einfach unterscheiden, was einen weiterbringt und was man überhaupt nicht gebrauchen kann. Es sind auch viele alte Tugenden gut.

LOALA1: Ein Trainer hat heutzutage ein gewisses Ablaufdatum. Wie sehr schmerzt es menschlich, wenn man sich nach ein, zwei Jahren eingelebt hat und aus welchen Gründen auch immer seine Zelte abbrechen muss?

Fink: Das ist immer schrecklich, vor allem, wenn man den Verein liebgewonnen hat, die Mannschaft mag und ein Zusammenhalt vorhanden ist. Es ist etwas gewachsen und das muss man zurücklassen. Manchmal ist es aber auch besser, wenn man geht.

LAOLA1: Ihr Spielsystem basiert auf Ballbesitz. Sind Sie ein Fan von dieser Spielweise oder wie ist es dazu gekommen?

Fink: Ich denke, dass man im Fußball alles können, eine Mannschaft aber ein gewisses Gesicht haben muss. Barcelona spielt immer wie Barcelona, egal welcher Trainer kommt. Dieser Klub sucht sich den Coach nach dem Spielsystem aus. Ich versuche dem Verein, bei dem ich angestellt bin, mein Gesicht zu geben. Mein Spiel ist sicher nicht das Konterspiel. Wir können jedes Drittel am Platz bearbeiten – mit Pressing, ohne Pressing, hoch stehen, tief stehen.

LAOLA1: Wenn man also Thorsten Fink engagiert, weiß man genau, was man bekommt.

Fink: Davon gehe ich aus. Ich habe meine Herangehensweise jetzt nicht großartig verändert, bin aber natürlich offen für andere Sachen. Gegen Trondheim haben wir z.B. zwei Mal aus dem Konter heraus gespielt. Das hat wunderbar funktioniert. Grundsätzlich denke ich, dass die Austria ein Gesicht bekommen hat. Das hat zuvor auch Basel und der Hamburger SV.

LAOLA1: Ist die Umsetzung der eigenen Vorstellung die größte Herausforderung im Trainerjob. Schließlich ist nicht jeder Fußballer für ein gewisses Spielsystem geschaffen.

Fink: Vor einem Engagement versuche ich mit dem Klub alles abzusprechen: Was kann man machen, was kann man erreichen. Natürlich mache ich mir ein Bild von der Mannschaft, die ich übernehmen würde. Wenn ich ein Team überhaupt nicht kenne, darf ich den Job nicht annehmen. Bei der Austria gab es letzte Saison einen Punkt, wo ich gesagt habe, dass ich derzeit nicht mehr erreichen kann. Solange das neue Stadion nicht fertig ist, können wir nicht sagen, dass wir Erster werden wollen. Klar möchten wir das, das muss das Ziel von Austria Wien sein, aber Red Bull und Rapid haben nominell die bessere Mannschaft. Wir können überraschen. Mein Team spielt auch schon recht gut, hat vieles umgesetzt. Ich denke, dass jede Mannschaft in Europa mittlerweile Respekt vor uns hat. Wir haben gezeigt, dass wir mithalten können – auch wenn es gegen Barcelona vielleicht schwierig werden könnte (schmunzelt). Da möchte ich weitermachen, benötige dafür aber auch die notwendigen Spieler. Je länger jemand bei mir ist, desto besser wird er das System kapieren. Unser Ziel ist es, junge Leute hoch zu bringen, die mit dem System bereits gearbeitet haben. Sie müssen aber die Qualität mitbringen, um uns weiterzubringen. Die finanziellen Mitteln, um eine Top-Mannschaft aufzustellen und konkurrenzfähig für den ersten Platz zu sein, die haben wir aber momentan nicht.

"Ich kann dem Verein nur das geben, was realistisch ist. Wäre Platz eins verlangt worden, hätte ich aufhören müssen, denn das schaffe ich nicht. Dann hätte ich mir etwas anderes gesucht. Wir sind uns aber einig geworden – dafür gibt es Männer-Gespräche."

Fink über die Gespräche nach Saisonende

LAOLA1: Waren diese „finanziellen Mitteln“ ein Mitgrund, warum Sie gegen Ende der letzten Saison mit einem Abgang geliebäugelt haben?

Fink: Es waren für mich schwierige Entscheidungen. Es gab einige Gespräche. Ich habe klar deponiert, dass wenn die Anforderungen zu hoch sind, kann ich das dem Klub nicht geben. Im ersten Jahr das Ziel Top-Drei auszugeben, war machbar und haben wir auch erreicht. Aber jetzt, wo wir den Etat heruntergefahren, dazu noch die Doppelbelastung mit der Europa League und ein neues Trainingszentrum haben und nicht in unserem Stadion spielen, wird es schwierig, von mehr als Platz drei auszugehen. Das habe ich der Vereinsführung gesagt. Ich kann dem Verein nur das geben, was realistisch ist. Wäre Platz eins verlangt worden, hätte ich aufhören müssen, denn das schaffe ich nicht. Dann hätte ich mir etwas anderes gesucht. Wir sind uns aber einig geworden – dafür gibt es Männer-Gespräche. Und ich sage es immer wieder, auch wenn es einige nicht gerne hören: Wir müssen konkurrenzfähig sein, wenn unser neues Stadion fertig ist. Mein Ziel ist es: Mit der Austria, die ich jetzt entwickle, in dieser neuen Arena um den Titel zu spielen. Dann wollen wir sagen, dass wir gleichwertig mit Red Bull und Rapid sind.

LAOLA1: 61 Mal betreuten Sie bisher die Veilchen. Sieben Spiele fehlen noch, dann wäre die Austria ihre zweitlängste Trainerstation nach Basel (120 Partien).

Fink: Nach vier Monaten auf Zypern bei Nikosia weiß man zu schätzen, wie schön es in Österreich und Deutschland ist. Speziell Deutschland ist dank der tollen Infrastruktur und den vielen Zuschauern natürlich High-Level. Doch auch in Österreich lässt sich gut arbeiten. Wir müssen nicht immer zu den anderen schauen. Wir müssen schauen, dass wir gute Stadien bekommen – dann kommen auch mehr Zuschauer. Das habe ich bei Bayern München gemerkt. Da habe ich im Europacup gegen Helsinki vor 13.500 Zusehern gespielt. Heute kommen gegen so einen Gegner in der Champions League 67.000 Leute bzw. so viele wie Karten aufgelegt sind. Das liegt an der Infrastruktur, am Komfort des Stadions. Man macht das Spiel zu einem Event. Da sehe ich in Österreich großes Potenzial.

LAOLA1: Ist die Infrastruktur das größte Übel im österreichischen Fußball?

Finks Antwort gibt's im Video:


LAOLA1: Wie stark blutet Ihr Herz, wenn Ihre Mannschaft jetzt durchschnittlich vor 5.000 treuen Seelen im Happel-Stadion aufläuft?

Fink: Es ist eben nicht unser Stadion. Doch man hat etwa im EL-Match gegen Pilsen gesehen, dass dort eine fantastische Stimmung entstehen kann. Wenn die Zuseher richtig Gas geben, pusht es die Mannschaft. Man sieht, was möglich ist. Meine Spieler hatten richtigen Spaß mit den Fans.

LAOLA1: Was Ihnen wahrscheinlich Kopfzerbrechen bereitet, sind die 19 Gegentore in zehn Bundesliga-Runden. Haben Sie eine Erklärung, warum es in der Abwehr so oft „brennt“?

Fink: Es liegt an der Konzentration. Wir bestreiten heuer sehr viele Spiele. Oft sind wir eben unkonzentriert. In der Abwehr bekommt man dann Gegentreffer. Fehlt vorne die Konzentration, schießt man keine Tore. In der Abwehr fallen Konzentrationsschwächen einfach mehr auf. Wenn wir uns von Sonntag auf Donnerstag vorbereiten, haben wir genug Zeit, um uns auszuruhen und auf den Gegner einzustellen. Das Problem ist die Vorbereitung von Donnerstag auf Sonntag. Da bleibt eigentlich nur ein echter Tag, um intensiv zu arbeiten. Das ist der Grund, warum viele Mannschaften während der Europa-League-Gruppenphase weniger Punkte machen. Das hat man schon letztes Jahr gesehen. Wir sind nicht Bayern, die den Kader haben, um so etwas zu kompensieren – so geht es auch Red Bull oder Rapid. Wir versuchen in der Tabelle dran zu bleiben. Es geht sowieso schnell. Zwei Punkte auf Rang zwei, ist nicht viel. Auf uns warten schwierige Wochen. SVM, AS Roma, Rapid, Cup und dann Sturm. Das ist ein gutes Programm.

LAOLA1: Sie stellen sich grundsätzlich immer vor Ihre Mannschaft. Ist es manchmal eine Art Ablenkungsmanöver?

Finks Antwort gibt's im Video:


LAOLA1: Die Charakterstärke hat man zuletzt gegen St. Pölten gesehen, als ein 0:1 trotz Rückschlägen wie ein aberkanntes Tor und ein verschossener Elfmeter mit 2:1 besiegt wurde.

Fink: Das war eine riesen Leistung. Wir hatten in der Schlussphase sogar mehr Luft als St. Pölten – obwohl wir die englischen Wochen hatten. Die Mannschaft hat gespürt, dass wir noch einmal drauflegen können. Der Wille, diesen wichtigen Sieg zu holen, war da. Es war schön zu sehen, dass die Einwechselspieler richtig gebrannt haben und ein Zeichen gesetzt haben. Sie wollten unbedingt gewinnen. Er herrscht ein unheimlicher Zusammenhalt.

LAOLA1: Gegen St. Pölten und auch gegen Plsen wurde ein regulärer Treffer aberkannt. Wie stehen Sie zum Videobeweis?

Fink: Ich finde das eine gute Idee. Natürlich sollte man das Spiel nicht 100 Mal unterbrechen. Aber es gibt genug Leute, die sich mit dem Thema Videobeweis befasst haben. Sie wissen, wann man ihn einsetzen kann. Man sollte sich eine Auszeit nehmen und die kritische Szene anschauen können. In unserem Fall wäre das schon ein Vorteil.

LAOLA1: Abschließend: Sorgen Sie sich, dass durch die guten Europacup-Auftritte der eine oder andere Spieler Begehrlichkeit geweckt hat und im Winter ein Thema für einen anderen Klub werden könnte?

Fink: Natürlich habe ich Angst, dass ich gute Spieler verlieren könnte. Ich möchte hier etwas aufbauen, will mit dem Klub Erfolge feiern. Das wird schwierig, wenn gute Leute weggehen. Einen Alexander Gorgon, der zuletzt bei Rijeka fünf Tore in vier Spielen erzielte, werde ich nicht immer ersetzen können, wenn ich kein Geld ausgebe. Der Charakter einer Mannschaft entwickelt sich durch die einzelnen Charaktere, die wir hier haben. Das darf man nicht vergessen. Trotzdem ist es gut, wenn der Verein jemanden für viel Geld verkaufen kann bzw. einen Spieler von unten aufbaut und mit ihm Geld einnimmt. Aber das ist im Moment nicht mein Interesse (lacht).

 
Das Gespräch führte Martin Wechtl

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