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Widhölzl: "Krafti war immer als Spätstarter verschrien"

Die ÖSV-Skispringer im Aufwind! Cheftrainer Andreas Widhölzl erklärt im Interview die Dominanz von Stefan Kraft und was Österreicher und Deutsche besser machen.

Widhölzl: Foto: © GEPA

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Das ist nicht etwa das Ergebnis einer deutsch-österreichischen Meisterschaft mit japanischem Ehrengast sondern das sind aktuell die Top neun des Skisprung-Gesamtweltcups. Weltcup-Stand >>>

Österreich und Deutschland dominieren zum Auftakt des Winters. Einer sticht dabei besonders heraus: Stefan Kraft. Der Salzburger hat von den bisherigen vier Saison-Springen alle gewonnen und ist der Konkurrenz dabei teilweise regelrecht davongeflogen. 

"Jetzt ist überall zu lesen, er ist unbesiegbar, aber er ist auch nur der Krafti", mahnt ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl zur Demut. Das gilt auch für den Rest der Mannschaft. "Wir dürfen uns nicht ausrasten", weiß "Swider", der seit 2020 das Sagen im rot-weiß-roten Adlerhorst hat. 

Im LAOLA1-Interview erklärt Widhölzl, warum es bei den Österreichern und Deutschen derzeit so gut läuft und warum ihnen die Schwächen der Konkurrenz "wurscht" sein können. Außerdem spricht "Swider" darüber, was Kraft stoppen könnte und warum er noch nicht an die Vierschanzen-Tournee denkt. 

LAOLA1: Der Saisonstart des ÖSV-Teams ist mehr als gelungen. Du kannst derzeit wohl ruhig schlafen.

Andreas Widhölzl: Ich schlafe immer gut (lacht). Aber es ist natürlich eine coole Sache, wenn man so in die Saison startet. Der Krafti war sehr souverän und dominant. Wir haben im Vorfeld schon gewusst, dass er gut springt, aber man hat immer relativ wenig Vergleiche mit anderen Nationen, da weiß man nie so richtig, wie es ist.

LAOLA1: Auch die Leistungen des restlichen Teams können sich durchaus sehen lassen.

Widhölzl: Die gesamte Mannschaft ist einfach gut unterwegs. Jan (Hörl, Anm.) springt sehr stabil, war zwei Mal am Stockerl. Tschofi (Daniel Tschofenig, Anm.) hält sich gut in den Top Ten, auch Hayböck ist ein Top-Ten-Springer. Fetti (Manuel Fettner, Anm.) hat in Lillehammer seine gewohnte Form gezeigt, nachdem er in Ruka noch seine Schwierigkeiten hatte. Und Daniel Huber macht nach seinem Comeback auch einen braven Job. Wir sind mannschaftlich gut aufgestellt. Das zeigt auch, dass wir im Sommer einen guten Job gemacht haben.

"Dass sich die anderen Nationen bis jetzt ein bisschen schwerer getan haben, hat mich selbst ein bisschen gewundert. Uns und den Deutschen kann das eigentlich wurscht sein."

LAOLA1: Auch die Deutschen scheinen über den Sommer einen guten Job gemacht zu haben. Bisher dominieren Rot-Weiß-Rot und Schwarz-Rot-Gold in diesem Winter. Wie erklärst du dir diese Überlegenheit der beiden Nationen?

Widhölzl: Das ist schwer zu erklären. Die Deutschen haben ihre Hausaufgaben definitiv gemacht. Sie haben den letzten Winter gut analysiert, und an den Sachen gearbeitet, wo sie noch Verbesserungspotenzial hatten. Ich finde, sie springen auch irgendwie ein bisschen anders als vergangene Saison. In gewissen Bereichen haben sie sich schon was überlegt.

LAOLA1: Was ist mit den anderen Nationen los?

Widhölzl: Dass sich die anderen bis jetzt ein bisschen schwerer getan haben, hat mich selbst ein bisschen gewundert. Uns und den Deutschen kann das eigentlich wurscht sein (lacht). Aber die Saison ist noch jung. Ich glaube, dass die Konkurrenz auf jeden Fall noch anziehen wird. Wir dürfen uns nicht ausrasten, sondern müssen einfach weiterarbeiten. Sprungtechnisch, körperlich, beim Material – wir können überall noch einen Schritt vorwärts machen.

Andreas Widhölzl ist seit 2020 ÖSV-Cheftrainer
Foto: © GEPA

LAOLA1: Welche Rolle spielen die Regeländerungen?

Widhölzl: Die haben schon ein bisschen was ausgemacht. Es sind ein paar Regeländerungen gewesen, die Einfluss auf gewisse Sachen haben. Zum Beispiel ist die Standhöhe vom Keil am Ski und Schuh niedriger geworden. Das hat schon einen Einfluss auf die Athleten. Wir haben da sehr viel Arbeit investiert und viel probiert. Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber wir haben es mit ein paar Adaptionen ganz gut hingekriegt. Andere tun sich da vielleicht ein bisschen schwerer.

LAOLA1: Stefan Kraft springt seit Jahren an der Weltspitze. Bist du trotzdem überrascht, dass er der Konkurrenz in den ersten Bewerben so derart davongeflogen ist?

Widhölzl: Er ist in der Vorbereitung schon sehr gut gesprungen. Da habe ich schon gewusst, dass ich mir zumindest in Ruka keine Sorgen um den Krafti machen muss. Aber dass es dann so klar ist und dass er so eine Serie startet... Das zeigt, dass das gesamte Konzept und die Abstimmung bei ihm sehr gut funktioniert. Mit dem Erfolg kommst du auch in einen Flow und da ist der Krafti dann schwer zu biegen. Er ist seit Jahren einer der besten Springer der Welt, aber er hat die letzten Jahre immer ein bisschen gebraucht, bis er in die Saison reingekommen ist. Er war eher immer als Spätstarter verschrien. Jetzt zeigt er, dass er das ganze Jahr gut springen kann.

LAOLA1: Hat ihm seine Weltreise, die er im Sommer mit seiner Frau gemacht hat, auch die nötige Lockerheit im Kopf verschafft?

Widhölzl: Ja! Es hat ihm generell für sein Wohlbefinden sehr gut getan. Diese Reise war ein Traum von seiner Frau und ihm. Wenn man so viele Jahre wie er im Weltcup dabei ist, ist es sehr monoton. Er hat während der Reise körperlich gut trainiert, hat super durchgezogen. Er ist fit zurückgekommen und hat gestrahlt. Für ihn war das sicher ideal und es hat ihm auf jeden Fall gut getan.

LAOLA1: Wer oder was kann Kraft in dieser Saison stoppen?

Widhölzl: Er ist ganz bodenständig, aber auch sehr ehrgeizig. Er will schon gewinnen und er will die Serie fortsetzen. Er weiß, was ihn stark macht, und dass er da zielstrebig weiterarbeiten muss. Man muss jetzt nicht großartig irgendwas anderes machen. Sein Konzept ist gut, die Materialabstimmung ist gut. Momentan kann ihm nur das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen. Das Wichtigste ist aber, dass er fit und gesund bleibt.

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LAOLA1: Wie groß ist die Motivation teamintern, den Krafti zu schlagen?

Widhölzl: Es ist schon ein Vorteil, wenn du so einen "Pace"-Geber in der Mannschaft hast. Am Anfang war das der Tschofi (Daniel Tschofenig, Anm.), der im Sommer extrem gut gesprungen ist. Da hat dann der Krafti gesehen: Da muss ich hin, weil da komme ich gerade nicht mit. Da hat der Tschofi den Krafti angestachelt. Jetzt ist es umgekehrt, jetzt wissen alle, zum Krafti müssen wir ran. Und sie sind auch nicht so weit weg.

LAOLA1: Spürst du nach dem tollen Saisonstart schon einen erhöhten Druck von außen?

Widhölzl: Momentan noch nicht, aber das wird sicher noch kommen. Es waren jetzt doch erst zwei Weltcup-Stationen, aber wir wollen natürlich auch in Klingenthal und dann in Engelberg wieder unsere Leistung bringen und vorne dabei sein. Ich möchte eigentlich so viel Druck wie möglich von der Mannschaft und speziell auch vom Krafti wegnehmen. Er muss auch frei springen können. Jetzt ist überall zu lesen, er ist unbesiegbar, aber er ist auch nur der Krafti. Deswegen ist es wichtig, immer im Fokus und demütig zu bleiben. Und trotzdem fokussiert und konzentriert weiterzuarbeiten, damit die Erfolgswelle weiterlaufen kann.

LAOLA1: ...vielleicht auch bei der Vierschanzen-Tournee.

Widhölzl: An die Tournee habe ich bis jetzt eigentlich noch gar nicht gedacht. Es schaut gut aus momentan, aber es sind doch noch drei Wochen bis zur Tournee. Man weiß nie, was passiert. Aber ich glaube, dass wir eine gute Tournee springen werden.

LAOLA1: Tournee-Sieg, Gesamtweltcup-Sieg oder eine Goldmedaille bei der Skiflug-WM am Kulm – wofür würdest du dich entscheiden?

Widhölzl: Für gar nichts, ich möchte alles mitnehmen! (lacht) Die Tournee ist natürlich ein Riesenziel, da haben wir in den letzten Jahren nie so abgeliefert, wie wir uns das erhofft haben. Das möchten wir ändern. Die Skiflug-WM daheim, am Kulm – das ist natürlich auch ein Riesenziel. Vor so einem Publikum im eigenen Land eine WM zu haben, ist ein großer Ansporn. Der Kulm ist auch eine Schanze, die uns liegt. Das ist schon ein Mega-Highlight für uns.  

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