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Müller-Urteil sorgt für "kleinen Bosman-Fall"

Die gewonnene Klage des Ex-Skispringers hat wohl weitreichende Konsequenzen.

Müller-Urteil sorgt für Foto: © GEPA

Der gewonnene Rechtsstreit von Ex-Skispringer Lukas Müller gegen den ÖSV bzw. die Austria Ski WM und Großveranstaltungs GmbH (LAOLA1 berichtete>>>) könnte eine rechtliche Lawine losgetreten haben.

Ein "Präzedenzfall" für den gesamten österreichischen Sport, nicht "nur" für Hochrisikosportarten. Es geht um die gesetzliche Versicherung, die u.a. auch bei der Anreise zu Sportveranstaltungen oder Trainingslagern passieren kann.

Müller ist diese Facette auch bewusst. "Der Gesetzgeber steht vor der Herausforderung, das Urteil in ein Gesetz zu gießen. Dahin gehend wird wahrscheinlich die nächste Zeit relativ viel Arbeit anfallen."

"Ich bin ein Fan von Teamwork, das hat mir auch zu meinem gerichtlichen Sieg verholfen", sagt Müller, der das Urteil u.a. auch in Zusammenarbeit mit der "younion - Die Daseinsgewerkschaft" erreicht hat.

Gesetzgeber ist gefragt

"Die Sportler werden nicht mehr länger als moderne Gladiatoren behandelt und ihrem Schicksal überlassen, während sich die Sportverbände ihrer Verantwortung entledigen und sich in die Zuschauerrolle zurückziehen", meint Gernot Baumgartner in einer Aussendung des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB).

Für Müller ist nun der Gesetzgeber gefragt: "Inwiefern die Leute anzumelden sind und die Sozialversicherungsbeiträge zu leisten sind." Sein Anwalt und auch die Gewerkschaft bezeichnen dieses Urteil als einen "Fall Bosman" im kleinen Format.

"Zumindest ist es so, dass die Sportler in den Verbänden dann besser abgesichert sind." Das gilt freilich nicht nur für die vergleichsweise reichen Verbände wie ÖSV oder ÖFB, sondern auch für kleine Sportverbände, die mit nun eventuell nötig gewordenen hohen Personalkosten vor große Probleme gestellt werden könnten.

Falsche Zahlen vom ÖSV

Der ÖSV hatte Müllers Sturz am 13. Jänner 2016 als Vorspringer der Skiflug-WM auf dem Kulm als "Freizeitunfall" bezeichnet. Der Verwaltungsgerichtshof stufte seinen schweren Sturz, bei dem er einen inkompletten Querschnitt davontrug und seither im Rollstuhl sitzt, nun als Arbeitsunfall ein. Damit ist er bis an sein Lebensende finanziell abgesichert.

Gegen das Verhalten wehrt sich der 23-Jährige. "Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Klar habe ich, wie der ÖSV so gern betont, zwei Versicherungsleistungen gekriegt. Er verwendet falsche Zahlen und suggeriert, dass er dafür verantwortlich ist, was in keinem der beiden Fälle stimmt. Aber rechnen wir einmal die Summe auf die nächsten 50, 60 Jahre auf, da bleibt nicht mehr viel übrig", meint Müller am Freitag. Beide Versicherungsleistungen, die Müller erhalten hat, sind übrigens nicht auf Basis von ÖSV-Einzahlungen passiert.

Die vom ÖSV verbreiteten 480.000 Euro aus einer Versicherung sind zwar richtig, die 350.000 Schweizer Franken aus einer FIS-Risikoversicherung hingegen nicht. "Die 350.000 Schweizer Franken bzw. 306.000 Euro sind die Maximalsumme. Das Schweizer Bewertungssystem der Invalidität unterscheidet sich grundlegend vom österreichischen. In Österreich werden alle Invaliditätsteile zusammengezählt, in der Schweiz werden von den 100 Prozent alles abgezogen, was du (machen) kannst. Ich bin ja fähig aufzustehen, schon allein deshalb ist es nicht möglich, dass ich 100 Prozent kriege."

"Schon ein bisserl schäbig"

Für Müller ist all das ein "reines Ablenkungsmanöver". "Ich wehre mich dagegen, dass ich hingestellt werde, dass ich mit einem Querschnitt reich werde. Das ist irgendwo schon ein bisserl schäbig, wenn ich in das Licht gerückt werde, weil ich wünsche die Verletzung niemandem. Es kann sich niemand vorstellen, was ich spüre und was ich nicht spüre."

Grundsätzlich gehe es aber um etwas ganz Anderes: "Und wenn ich sechs Unfallversicherungen und fünf Mio. Euro gekriegt hätte, hätte ich es genauso gemacht. Es geht auch um die anderen Sportler. Es geht mir nicht darum, dem Verband ins Wadl zu beißen, sondern darum, dass das ordentlich gemacht gehört, weil wir sind in einer Hochrisikosportart."

Wie es nun für Müller rechtlich weitergeht, erklärt sein Anwalt Andreas Ermacora: "Es ist ja das Verfahren bei der AUVA unterbrochen worden und als Vorfrage wurde jetzt geklärt, ob eben eine Versicherungspflicht vorliegt oder nicht. Jetzt wird das Verfahren wieder aufgenommen werden und der ÖSV wird die Beiträge nachzahlen müssen." Dieser Betrag wird im "Fall Müller" nur gering sein, die Behörde werde zu prüfen haben, ob sich der ÖSV "einer Melde- und Beitragspflichtverletzung schuldig gemacht hat".

Das Wichtigste für den Müller-Anwalt: "Herr Müller ist nun lebenslang abgesichert. Er hat Anspruch auf alle gesetzlichen Leistungen der Vollversicherung, also der Unfall-, Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung." Auch müsse geprüft werden, ob er bereits in den vergangenen drei Jahren in Anspruch genommene Leistungen rückvergütet bekommt.


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