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Widhölzl erklärt: Das ist Österreichs größte Konkurrenz

ÖSV-Skisprung-Cheftrainer Andreas Widhölzl spricht im LAOLA1-Interview über seine Erwartungen an die bevorstehende Olympia-Saison und welchem seiner Adler heuer am meisten zuzutrauen ist.

Widhölzl erklärt: Das ist Österreichs größte Konkurrenz Foto: © GEPA

"Ich gehe davon aus, dass wir als Mannschaft einfach gut sind", meint ÖSV Cheftrainer Andreas Widhölzl kurz vor Start der neuen Skisprungsaison. Mit der Vierschanzentournee, den Olympischen Spielen und der Skiflug-WM sind die nächsten Monate geprägt von Highlights.

Sieg in der Nationenwertung, erster bis dritter Platz bei der Vierschanzentournee, ein Gesamtweltcupsieger aus Österreich - das sind nur einige der zahlreichen Erfolge der ÖSV-Adler in der letzten Saison.

Ob das Team auch diesen Winter wieder den anderen Nationen davonspringen wird, wird sich zeigen.

Los geht die neue Saison am 21. November in Lillehammer - im LIVE-Ticker >>>

Im LAOLA1-Interview spricht der Trainer über die größte Konkurrenz der Mannschaft, die Ausgangslage und die Form der ÖSV-Adler vor dem Saisonstart.

Die Österreicher mit den meisten Skisprung-Weltcupsiegen

LAOLA1: Wie bereitet man das Team nach so einer erfolgreichen vergangenen Saison auf die neue Saison vor und gab es irgendwelche Änderungen?

Andreas Widhölzl: Grundsätzlich bereitet man sich gleich vor. Man analysiert, was ist gut gewesen, was sind Faktoren, die man auf jeden Fall beibehalten möchte?  Wo hat man noch Potenzial zum Entwickeln? Dabei geht es nicht nur um die Athleten, sondern auch um den organisatorischen Ablauf und das ganze Rundherum. Es sind immer wieder Punkte von den Athleten, wo sie sagen, okay, dort sehen sie jetzt etwas und da möchten sie selbst daran arbeiten. Aber grundsätzlich war es gut, es war sehr intensiv. Großartig was anderes haben wir jetzt nicht gemacht. Man versucht schon irgendwo mitzugehen. Es sind doch einige Regeländerungen gewesen und es nimmt immer relativ viel Zeit in Anspruch, bis man dann wieder das alles adaptiert hat und sich eingestellt hat. Aber grundsätzlich haben wir da früh genug angefangen.

Ein bisschen was anderes haben wir schon gemacht. Wir haben heuer später mit dem Springen angefangen im Sommer, weil man schon gemerkt hat, dass die letzte Saison sehr intensiv und sehr lang war. Irgendwo war die Motivation, Anfang Juni dann auf die Schanzen zu gehen, eigentlich bei allen noch nicht da. Es war ein Wunsch von mir, dass ich gesagt habe, ich würde einfach später anfangen, weil der Sommer immer relativ lang wird und im Herbst schon oft ein kleines Motivationsloch da ist. Vielleicht können wir dem damit ein bisschen entgegenwirken. Es war eigentlich sehr, sehr positiv.

LAOLA1: Wie kann man ein Team, das so erfolgreich war, wieder für die nächste Saison motivieren?

Widhölzl: Grundsätzlich sind sie sehr ehrgeizig. Die Saison, die wir gehabt haben, damit haben wir selbst nicht gerechnet. Gerade am Anfang, wo du nie weißt, wie man reinstartet und wie du im Vergleich mit den anderen bist. Dass es dann so gut ist, über das ganze Jahr, waren wir selber ein bisschen überrascht. Oftmals haben wir das Momentum auch in gewissen Situationen auf unserer Seite gehabt und ja, wenn du mal im Flow drin bist, geht vieles einfacher.

Von dem her sind sie aber Profisportler. Es ist ihr Job und sie sind schon sehr motiviert und eher Siegertypen, muss ich sagen. Sie möchten lieber gewinnen als Fünfter oder Sechster zu werden, das merkt man schon. Also es ist, angefangen von den Betreuern über die Athleten, eine hohe Motivation da, weiterzumachen und Gas zu geben. Was dann rauskommt im Endeffekt, weiß man eh nicht ganz genau.

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Diese sechs Skispringer werden Österreich vorerst im Weltcup vertreten. Von links: Tschofenig, Hörl, Kraft, Ortner, Fettner und Embacher.
Foto: ©GEPA

LAOLA1: Stefan Kraft und Daniel Tschofenig waren verletzt. Wie geht es ihnen aktuell?

Widhölzl: Sie sind beide wieder topfit. Daniel war zwei Mal verletzt. Im Mai hatte er seine erste Verletzung und hat dann einen Monat später wieder eine Verletzung gehabt, an der gleichen Stelle und ist dann zwei Monate ausgefallen. Er hat sicher am wenigsten Sprünge von allen und die längste Pause machen müssen.

Bei Kraft war es nicht so schlimm, er hat mit dem Patellaspitzensyndrom ein bisschen zu kämpfen und mit dem Ansatz. Das zieht er vom letzten Jahr noch mit. Im Winter hat es ganz gut funktioniert und im Mai ist es eingeschossen. Dann haben wir gesagt, wir kurieren es richtig aus, dass er dann noch gut trainieren kann. Das geht auch wieder gut. Also von dem her sind alle topfit und die Mannschaft ist gesund. Sie ist körperlich gut drauf und von den Sprüngen her hat es jetzt auch ganz gut gepasst.

LAOLA1: Hat sich schon ein Favorit im Team herauskristallisiert im Training? 

Widhölzl: Jan (Anm. Hörl) war über den Sommer sicher der Stärkste, der die Pace vorgegeben hat. Zum Schluss sind sie wieder sehr eng zusammengerutscht. Man merkt immer, wenn es kurz vor dem Winterstart ist, geben sie selbst nochmal Gas. Ich glaube Daniel (Anm. Tschofenig), Stefan (Anm. Kraft), Jan (Anm. Hörl) und Manuel (Anm. Fettner) auch, waren eigentlich die Stärksten. Maxi Ortner war knapp dahinter. Stephan Embacher ist auch sehr gut drauf gewesen. Es wird spannend, ich bin selbst gespannt. Aber so richtig einen Favoriten gibt es nicht. Ich glaube, dass wir mannschaftlich sehr kompakt unterwegs sind.

LAOLA1: Mit welchen Erwartungen gehen Sie denn in die Olympiasaison?

Widhölzl: Die Zielsetzung ist nach wie vor hoch. Wir haben doch einige Highlights mit der Tournee und der Skiflug-WM und mit Olympia. Gesamtweltcup und Nationencup ist immer ein Thema. Die Erwartung, ja, ist schwierig. Klar, ich weiß, dass ich von der Mannschaft her im letzten Jahr die drei Besten der ganzen Welt gehabt habe. Von dem her gehe ich davon aus, dass sie auch wieder vorne mitmischen und wir als Mannschaft einfach gut sind. Es wird sich sicher mehr durchmischen aufgrund der Materialänderungen. Das hat man im Sommer auch schon gesehen, dass andere Nationen gut zurechtkommen. Aber der Winter ist immer ein bisschen was anderes als der Sommer. Ich hoffe, dass wir nach wie vor viele Siege einfahren können.

LAOLA1: Was glauben Sie, wer wird die größte Konkurrenz sein?

Widhölzl: Ich glaube (Anm. Ryoyu) Kobayashi. Das habe ich im Sommer gesehen. Es war (Anm. Philipp) Raimund von den Deutschen gut, Domen Prevc und Anze Lanisek. Das sind immer die gleichen Kandidaten. Es sind die zwei Norweger jetzt wieder dabei, die gesperrt waren. Da bin ich mir sicher, dass sie gut springen werden.  Wie gesagt, man kann es nie genau sagen. Wir haben jetzt eigentlich nie so richtig einen Vergleich gehabt in der letzten Zeit. Es ist immer dieses Abtasten dann beim ersten offiziellen Training. Wie es ausschaut, sieht man eigentlich nach dem ersten Wettkampf. Da sieht man dann wirklich, wie gut man dabei ist.

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Johann Andre Forfang (im Bild) und Marius Lindvik dürfen nach ihrer Sperre in Lillehammer wieder an den Start gehen.
Foto: ©GEPA

LAOLA1: Wie bewerten Sie die Strafen der Norweger nach dem Anzugskandal?

Widhölzl: Grundsätzlich ist das Thema für mich abgeschlossen. Es hat eine offizielle Jury oder ein Gremium analysiert, bewertet und dann diese Strafen ausgesprochen. Es steht mir auch gar nicht zu, das zu kommentieren. Das ist die FIS und sie haben die Strafe festgelegt. Die Athleten haben es abgesessen und die Trainer sitzen es nach wie vor ab. Von dem her ist es okay, so wie es ist. Ich glaube, dass es auch wichtig ist, dass Norwegen bei uns im Weltcup dabei ist, weil sie einfach eine starke Nation sind.

LAOLA1: Wird man sich auf der Schanze noch gleich begegnen wie davor oder hat der Skandal die Beziehung verändert?

Widhölzl: Es ist ein Fehler passiert, sie haben die Strafe dafür bekommen und haben es ausgebadet. Der neue Trainer der Norweger war letztes Jahr Cheftrainer bei den Schweizern, ich kenne ihn. Es gibt keinen Grund, warum man sich nicht mit Respekt begegnen kann. Also von dem her habe ich jetzt gar kein Problem mit ihnen.

LAOLA1: Es wurde auf den Vorfall mit gelben, roten Karten und Änderungen bei Kontrollen reagiert. Wie sehen Sie diese Veränderungen?

Widhölzl: Ich finde die Entwicklung und diese Schritte sehr positiv. Regeln sind da, aber wenn sie nicht klar definiert sind, dann hat man immer Möglichkeiten, diese ein bisschen auszudehnen. Von dem her finde ich das sehr gut, dass sie da jetzt eine klare Linie haben, zusätzliche Regeln eingeführt haben, die Regeln vereinfacht und klarer gemacht haben. Mathias Hafele ist jemand, der über die letzten 15 Jahre Skisprung-Anzüge gemacht hat, der vom Fach ist und sich wirklich auskennt. Er hat jetzt eine gute Linie reingebracht. Das Kontrollsystem ist genauer, besser und intensiver geworden.

Mit den gelben, roten Karten muss man schauen, was passiert. Ich bin gespannt. Im Sommer war es noch nicht gültig. Jetzt starten sie mit dem ersten Bewerb das neue System. Mal schauen, wie es sich entwickelt. Ich hoffe, dass sie die Linie sehr streng und gut über das ganze Jahr gleich weiterführen.

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Foto: ©GEPA

LAOLA1: Die olympischen Spiele finden nicht allzu weit von der österreichischen Grenze entfernt statt. Ist das ein bisschen ein Heimvorteil? 

Widhölzl: Ja, ich hoffe es. Auf jeden Fall haben einige Freunde und Familien Karten organisiert, die dann live auf der Schanze sind. Von der Anreise ist es für uns ideal. Von Innsbruck fahren wir zwei Stunden nach Predazzo. Wir kennen Predazzo schon ewig, weil man als Jugendlicher schon mit Stams zu Kursen gefahren ist. Auch wir haben dort Kurse gemacht. Also man kennt das schon, ob es jetzt ein Vorteil ist oder nicht, ist schwierig zu sagen. Wir haben zumindest mal eine kurze Anreise und das ist auch schon viel wert.

LAOLA1: Wie sehen Sie persönlich die Olympia-Schanze?

Widhölzl: Sie ist schon eigen. Sie hat eine hohe Flugkurve gehabt, aber jetzt mit der Adaptierung habe ich gehört, dass es besser geworden ist. Wir sind jetzt noch nicht gesprungen auf der umgebauten oder adaptierten Schanze. Man ist schon auf der großen Schanze mit relativ viel Anlaufgeschwindigkeit gefahren. Es waren mit Rückenwind 97 km/h, das haben wir eigentlich sonst nie. Da kommen wir eher schon auf die Skiflugschanzen hin, wo man dann mit ungefähr 100 km/h fährt. Der Landedruck war dabei schon hoch. Die Große ist fast ein bisschen besser gegangen, die Kleine war fast noch ein bisschen wilder. Aber ja, ich gehe davon aus, dass sie alles möglich machen, dass die Schanze besser geht.

LAOLA1: Wird das Team die Schanze noch mal testen?

Widhölzl: Nein, werden wir nicht. Vielleicht werden wir einen Tagesausflug von Innsbruck machen. Das haben wir nur einmal angesprochen, aber noch nicht geplant. Wir haben nur wenig oder so gut wie keine Zwischenzeiten, wo wir frei haben. Von dem her geht es jetzt bis Ende März durch und mal schauen, vielleicht geht sich nochmal was aus. Aber grundsätzlich brauchst du es nicht unbedingt, dass du dich komplett einspringst. Wir sind schon im Sommer gesprungen, wir wissen, wie es geht. Und dann ist es oft mal gar nicht schlecht, wenn man gar nicht so viele Sprünge auf der Schanze hat und man mit einem guten Gefühl gleich so hinfährt. Und wir haben die offiziellen Trainings auch noch davor, das reicht eigentlich.

LAOLA1: Bei Olympia gibt es nur vier Startplätze. Verändert der Konkurrenzkampf im Team die Stimmung?

Widhölzl: Nein, eigentlich nicht. Sie wissen, dass es das nicht bringt und auch gar nicht akzeptiert wird - von meiner Führung her und auch vom Team, von meinen Co-Trainern. Wir sind so lange unterwegs und verbringen so viel Zeit miteinander, das Miteinander-Auskommen ist einfach das Um und Auf und in gewisser Weise schon auch irgendwie mitentscheidend, warum wir erfolgreich sind.

Natürlich wird der eine oder andere vielleicht ein bisschen nervöser. Aber sie haben jetzt viele Chancen, etwas aufs Papier zu bringen. Die letzte Entscheidung wird sicher schwierig werden, die vier zu bestimmen. Diese Entscheidung muss ich treffen und dann mit den Athleten besprechen. Aber da ist noch eine Zeit hin und grundsätzlich stellen sie sich meistens schon immer ein bisschen selbst auf mit ihrer Vorleistung.

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Foto: ©GEPA

LAOLA1: Auf Daniel Tschofenig lastet nach den Erfolgen letzte Saison Druck. Wie geht er damit um?

Widhölzl: Grundsätzlich ganz gut. Es war heuer schon ein sehr intensiver Sommer für ihn.  Mit den zwei Verletzungen ist es nicht nach Plan gelaufen. Die Erwartungshaltung medial und von außen ist höher wie letztes Jahr. Seine Erwartungshaltung ist die gleiche geblieben. Er wollte letztes Jahr schon alles gewinnen und das wird er heuer auch wieder wollen. Aber das Ziel ist, dass er einfach einmal gut hineinstartet. Er ist jetzt ganz okay gesprungen. Ob es für ganz vorne schon reicht, weiß ich noch nicht. Grundsätzlich ist es sicher nicht so einfach. Aber er ist ein guter Wettkämpfer und steckt das eigentlich immer sehr gut weg.

LAOLA1: Ihr Vertrag läuft bald aus. Was beeinflusst die Entscheidung, ob Sie noch weitermachen?

Widhölzl: Es sind ein paar Faktoren. Grundsätzlich macht es mir Spaß. Es ist zwar sehr intensiv und das merkt man schon, dass die Jahre einfach schon zehren, gerade am Saisonende. Faktoren sind für mich einfach meine eigene Motivation und auch, dass ich das Gefühl habe, ich kann etwas bewegen, die Springer hören mir zu und wollen, dass ich noch ihr Cheftrainer bin. Ich würde nie Cheftrainer bleiben, wenn ich das Gefühl habe, die Athleten möchten etwas anderes und sind eigentlich nicht mehr zufrieden.

Das andere ist familiär, dass der Rückhalt von der Familie da ist, dass ich den Job machen kann, dadurch, dass man schon sehr viel unterwegs ist. Das sind sicher die drei Faktoren, wo ich sage, das macht dann eigentlich meine Entscheidung. So wie es jetzt aussieht, möchte ich gerne weitermachen und ich glaube, ihr seht mich nächstes Jahr noch.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

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