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Mikaela Shiffrins Problem mit den Rekorden

Ski-Star findet Vergleiche mit Hirscher & Co. unpassend. Nächster Rekord in Sicht:

Mikaela Shiffrins Problem mit den Rekorden Foto: © GEPA

Die Weltcup-Saison 2019/20 ist erst vier Rennen jung, doch Ausnahme-Läuferin Mikaela Shiffrin hat schon zur nächsten Rekord-Jagd angesetzt.

Eine Woche, nachdem die US-Amerikanerin in Levi Ingemar Stenmarks Slalom-Rekord von 40 Siegen ausgelöscht hat, ist Shiffrin mit einem überlegenen Slalom-Erfolg in Killington mit Österreichs Sportlerin des Jahrhunderts, Annemarie Moser-Pröll, gleichgezogen.

Im Gesamtweltcup hat die Dominatorin der vergangenen Jahre nach vier Rennen schon 200 Punkte Vorsprung auf ihre Verfolgerinnen.

"Es sieht ganz so aus, als ob es weitergeht mit den Rekorden", war Shiffrin das Thema nach ihrem jüngsten Triumph fast schon ein wenig unangenehm.

Mikaela Shiffrin erreicht 13. Slalom-Podest in Serie

Der zweite Saisonsieg nach Levi ist gleichbedeutend mit dem 13. Slalom-Podium der Amerikanerin in Serie, das hatte vor Shiffrin nur die Schweizerin Erika Hess geschafft.

Die 24-Jährige hält nun bei 62 Weltcup-Erfolgen, vor ihr in der ewigen Bestenliste liegen nur mehr Marcel Hirscher (67), Lindsey Vonn (82) und Rekordhalter Ingemar Stenmark (86).

Bis auf einen Teambewerb hat Shiffrin als einzige aktive Läuferin in allen sechs Weltcup-Einzeldisziplinen schon gewonnen, punkto Kristall-Kugeln fehlt ihr nur die in der Abfahrt.

"Rekorde sind einfach nur ein Symbol für meine Karriere. Für meine Arbeit, für die Arbeit des gesamten Teams. Wir versuchen jeden Tag unser Bestes", bleibt Shiffrin trotz der beeindruckenden Statistiken bescheiden.

Die ständigen Fragen nach den Rekorden nimmt sie mit Humor. Nach ihrem Sieg im Killington-Slalom veröffentlicht die 24-Jährige auf Twitter ein Video, das sie mit Kopfhörern zeigt.

"Wenn mich jemand nach Rekorden fragt…", ist über dem Video zu lesen, in dem Shiffrin dann zum Spaß meint: "Was hast du gesagt? Ich kann dich nicht hören … Ich weiß nicht, was du gesagt hast."

Shiffrin über Rekorde: "Muss damit klarkommen"

Shiffrin will zwar nicht behaupten, dass sie sich an die fast im Wochentakt eingestellten Bestmarken gewöhnt hat, aber "ich werde fast bei jedem Rennen auf irgendeinen neuen Rekord angesprochen. Es gibt immer Berichte", sagt sie gegenüber dem deutschen TV-Sender ZDF.

Und außerdem meint die in Vail (US-Bundesstaat Colorado) geborene Top-Läuferin: "Deshalb musste ich damit klarkommen und es einfach geschehen lassen. Das ist ein Ziel - vielleicht sogar bis zum Ende meiner Karriere – , mir keine Gedanken darüber zu machen, was alle anderen sagen. Einfach Skifahren, Spaß haben."

Technik-Genie Mikaela Shiffrin beim 42. Slalomsieg
Foto: © getty

Die Vergleiche mit den Leistungen der Heldinnen und Helden von einst findet Shiffrin ohnehin unpassend. "Es ist schwer vergleichbar mit dem, was Ingemar, Annemarie oder Lindsey gemacht haben. Sie alle waren meine Inspiration und ich habe nie geglaubt, jemals in solche Sphären zu kommen", sagt Shiffrin.

"Ich hasse die Vorstellung, dass sich jemand denkt, man wird sie jetzt vergessen. Niemand wird Ingemar oder die anderen jemals vergessen", ist die Amerikanerin überzeugt. "Für mich werden ihre Rekorde immer bestehen. Ich sorge lediglich für neue Zahlen."

Killian Albrecht ist sich sicher: "Shiffrin ist noch nicht am Limit"

Einer, der das Ski-Phänomen Shiffrin erklären kann, ist Kilian Albrecht. Der ehemalige ÖSV-Rennläufer hat die Karriere Shiffrins als Manager vom Teenager-Alter weg begleitet. "So wie sie mit 14 schon gefahren ist, hat man gewusst, dass sie etwas Außergewöhnliches ist. Trotzdem ist so etwas nicht planbar", meint der Vorarlberger nach Shiffrins Slalomsieg mit Mega-Vorsprung in Killington.

"Da muss schon sehr viel zusammenpassen, damit so etwas funktioniert. Sie arbeitet hart, trainiert viel und ist sehr, sehr professionell", lautet Albrechts Urteil.

Dass Shiffrin im Gegensatz zu der knapp gescheiterten Vonn aufgrund ihres Alters selbst den letzten vermeintlichen "Allzeit"-Rekord Stenmarks brechen kann, ist auch Albrecht bewusst. "Sie ist mit 24 Jahren noch nicht am Limit, macht selbst im Slalom immer noch bessere Schwünge", ist der Österreicher überzeugt.

An Rekorde zu denken, bringe aber nichts, meint auch Albrecht. "Wir nehmen es weiter von Rennen zu Rennen. Mikas Erfolg beruht darauf, dass sie nicht an diese Rekorde denkt. Sie sind eine Auszeichnung und ein Zeichen dafür, wie gut sie wirklich ist. Aber Rekorde sind nicht das primäre Ziel."

Shiffrins Angriff auf die Abfahrts-Kugel 

Im vergangenen Winter heimste die einstige Slalom-Spezialistin in einer Rekord-Saison mit 17 Weltcup-Siegen, vier Weltcup-Kugeln und zwei WM-Goldenen auf dem Weg zum dritten Weltcup-Gesamtsieg auch noch ihren ersten Sieg im Super-G sowie die WM-Goldmedaillen Nummer vier und fünf ein. "Letzte Saison war groß, es ist war fast zu viel. Ich muss realistisch sein."

Mikaela Shiffrin - Erfolge
Olympische Spiele: 2x Gold, 1x Silber
WM: 5x Gold, 1x Silber, 1x Bronze
62 Weltcup-Siege (Einzel), erster Sieg am 20.12.2012 in Are (Slalom)
3 Gesamtweltcup-Siege (2016/17, 2017/18, 2018/19)
6 Slalom-WC (2012/13, 2013/14, 2014/15, 2016/17, 2017/18, 2018/19)
1 RTL-Weltcup (2018/19)
1 Super-G-Weltcup (2018/19)

In dieser Saison geht es für Shiffrin nach Podiumsplätzen in allen vier bisherigen Technik-Rennen inklusive zwei Slalom-Siegen nun zum Speed-Auftakt nach Lake Louise. Und dort will Shiffrin unter Beweis stellen, dass sie als Technik-Genie in diesem Winter auch in der Abfahrt und Super-G wieder viel drauf hat.

Schafft Shiffrin am Wochenende den Lake-Louis-Hattrick?

Am liebsten gleich mit weiteren Kugelgewinnen. In der Saison 2019/20 ohne Großereignisse werden sieben Kristallkugeln vergeben. Jene in der Abfahrt fehlt der dreifachen Gesamtweltcup-Siegerin in Serie noch in ihrer schon umfangreichen Sammlung.

"Alle vier Jahre haben wir eine lustige Saison ohne Medaillenkämpfe. Das ist dann immer eine gute Gelegenheit, im Februar etwas auszuprobieren", ist Shiffrin bewusst, dass sich ihr in diesem Winter eine Riesenchance auf die Abfahrtskugel bietet. Auch wenn sie bisher nur eine Abfahrt (Lake Louise 2017) gewonnen hat.

In Kanada hat Shiffrin vor einem Jahr erstmals auch im Super-G und damit auch in ihrer letzten noch fehlenden Weltcup-Disziplin gewonnen. Albrecht traut seinem Schützling auch in dieser Saison einen Sieg in Lake Louise zu: "Heuer hat sie wirklich mega trainiert und ist für Lake Louise sehr gut vorbereitet."

Gelingen ihr gar Siege in allen drei Rennen und damit der Lake-Louise-Hattrick?

Natürlich sei Shiffrin gegenüber den Speed-Spezialistinnen trotzdem etwas hinterher. "Aber sie hat auch ein unglaubliches Gefühl im Speed", sagt Albrecht, der gleichzeitig warnt: "Sie kann auf Dauer nicht alles fahren und in keiner Disziplin ist es ein Spaziergang im Park. Aber wie Mika das insgesamt alles macht, ist wirklich bewundernswert. Sie ist eine Skifahrerin, wie es sie selten gegeben hat."

Knackt Shiffrin Hirschers acht Gesamtsiege?

Ob auch Hirschers acht Gesamtsiege für Shiffrin erreichbar oder gar zu toppen sind? "Möglich ist es", sinniert die vom einstigen Slalom-Wunderkind zur "Allrounderin" mutierte Amerikanerin.

Shiffrin nachdenklich: "Wer weiß, wie lange ich wirklich fahre. Ich habe ja schon sehr früh begonnen", gibt sie zu bedenken. "Wie viele Jahre kann man alle Disziplinen fahren? Kehre ich dann wieder zurück zu Riesentorlauf und Slalom? Ich weiß, dass ich auf Dauer nicht alles machen kann."

So lange die Motivation so gut wie im Moment sei, gehe es aber bestimmt weiter, versichert Shiffrin. "Ich bin jung und stark und habe die Kapazität, mich weiter zu verbessern."

Auch wenn es Mikaela Shiffrin nicht gerne hört: Der nächste Rekord ist angesichts dieser Worte nur eine Frage der Zeit…

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