Eigentlich sollte die Ski-Weltcup-Saison 2022/23 schon in vollem Gange sein. Eigentlich.
Denn von den ersten acht geplanten Rennen mussten sieben abgesagt werden. Nur der Riesentorlauf der Männer beim Auftakt in Sölden konnte stattfinden. Jener der Frauen musste ebenso abgesagt werden, wie die vier Abfahrten in Zermatt/Cervinia und die Parallel-Rennen in Lech/Zürs.
Der Grund war immer derselbe: Das Wetter. Zu warme Temperaturen und zu wenig oder gar kein Schnee. Die Zeichen der Zeit - sie sind offensichtlich. Das bekommt auch der Ski-Sport immer mehr zu spüren.
Auf vielen Ebenen wird künftig ein Umdenken unumgänglich sein, angefangen von den Sommer-Trainings bis hin zur Kalender-Planung im Winter.
Teure "Flucht" nach Südamerika
Schon im Sommer musste der ÖSV seine Pläne teilweise - gezwungenermaßen - ändern, aufgrund der Schneearmut auf den europäischen Gletschern wurden kurzerhand alle Trainingsgruppen nach Südamerika geschickt. Das kostete dem Verband Unmengen an Geld, wurde aber in Kauf genommen, um keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Nationen zu haben.
Angesichts der düsteren Zukunftsaussichten aufgrund der Klimakrise arbeitet der ÖSV bereits daran, eine dauerhafte Trainigsbasis in Chile oder Argentinien einzurichten.
Dass diese Maßnahme alleine nicht ausreichen wird, um allen Athletinnen in Zeiten des Klimawandels eine ordentliche Saisonvorbereitung zu ermöglichen, dessen ist man sich auch beim ÖSV bewusst.
"Ohne Skihalle werden wir ein Riesenproblem bekommen", warnt ÖSV-Männer-Cheftrainer Marko Pfeifer.
Sorge um den Nachwuchs

Der Kärntner denkt dabei vor allem an den Ski-Nachwuchs. "Die Weltcup-Mannschaften haben es eh noch leicht", weist der Cheftrainer auf die Trainingsmöglichkeiten in Südamerika hin, "das Problem ist weiter unten, beim Nachwuchskader, den Landesverbänden und Vereinen. Die können im Sommer gar nicht Skifahren."
Geht die Entwicklung so weiter, "wird der Nachwuchs in ein paar Jahren einfach zu wenig Skifahren", blickt Pfeifer voraus.
Auch jetzt gebe es schon längere Phasen, in denen der Nachwuchs nicht auf Schnee trainieren kann, ergänzt ÖSV-Alpin-Chef Herbert Mandl. "Drei, vier Monate Pause zu haben und so lange weg von der Disziplin zu sein, kann für keinen Nachwuchs-Athleten gut sein. Man unterschätzt auch die Gewöhnung an Schuh und Ski. Wenn du drei Monate in keinem Skischuh drin bist, ist das ein Fremdkörper und das darf nicht sein."
Deshalb schickte der ÖSV im September einige Läufer in die Skihalle nach Litauen. Ein Vorgeschmack auf die Zukunft.
"Das Hallen-Training können wir nicht außer Acht lassen", sagt Mandl. "Wir haben früher schon im Sommer eine Halle für den ÖSV gemietet, wo wir alle unsere Mannschaften hingebracht haben. So etwas werden wir wieder anstreben, weil es einfach notwendig ist."
Man sei auf Hallen im benachbarten Ausland angewiesen. Von denen gibt es in Europa rund ein Dutzend, unter anderem vier in Deutschland sowie in Belgien, den Niederlanden, Norwegen oder Italien. In Mailand wird gerade eine neue Halle errichtet.
Auch Matten und Simulatoren sind "ein Thema"
Ski-Hallen sind aber längst nicht die einzige Alternative, die man beim ÖSV ins Auge fasst.
Auch Training auf Matten ist eine Möglichkeit. Dass dieses zielführend sein kann, hat Kitzbühel-Sieger Dave Ryding bewiesen, der seine Karriere in England auf Matten gestartet hat. "Auch das ist ein Thema", sagt Mandl.
Ebenso wie der Einsatz von Ski-Simulatoren. So einen betreibt bereits jetzt der Vorarlberger Skiverband.
"Da sind Grundemelente der Bewegung durchaus trainierbar - Bewegen und Entlasten. Das ist ohnehin ein Schwachpunkt für mich bei unserem Nachwuchs, dass sie den Ski nicht richtig entlasten können", erklärt Mandl.
"Der Skisport wird sich verändern"
Doch auch auf Weltcup- und Europacup-Ebene werden Veränderungen aufgrund der klimatischen Bedingungen früher oder später nicht vermeidbar sein. Einerseits betrifft das das Training, andererseits die grundlegende Saisonplanung.
"Da muss ein Umdenken her, das ist jedem bewusst."
"Man muss alles verschieben. Man kann hier bei uns bis Ende Mai sehr gut skifahren, das muss man ausnützen und nicht Anfang April aufhören", sagt Pfeifer.
Dementsprechend müsse auch der Weltcup-Kalender angepasst werden. Aktuell beginnt die Saison Ende Oktober und dauert bis März.
"Man muss das alles anders timen und nach hinten verschieben. Man kommt ja mit dem Training und der Vorbereitung fast nicht mehr zusammen", so der Cheftrainer, der den Ski-Weltverband in die Pflicht nimmt.
"Da muss ein Umdenken her, das ist jedem bewusst. Die FIS und die Verbände müssen hier zusammenstehen und das anpassen", fordert Pfeifer.
Auch Mandl weiß: "Der Skisport wird sich verändern."