LAOLA1: Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Wie blickst du auf 2025 zurück?
Julia Scheib: Es war mein bestes und mit Abstand erfolgreichstes Jahr. Von dem her habe ich eine Riesenmotivation und Energie, dass ich das ins nächste Jahr mitnehme.
LAOLA1: Hat dein erster Weltcup-Sieg in Sölden etwas verändert?
Scheib: Es war einfach eine ordentliche Bestätigung, dass mein Skifahren schnell und momentan auch sehr konstant ist. Das gibt dir im Kopf einfach so viel Sicherheit und generell ein gutes Gefühl für die Rennen. Das hat sich schon sehr stark verändert.
LAOLA1: Du musstest lange auf deinen ersten Sieg warten, hast lange davon geträumt. Hat es sich dann so angefühlt, wie du es dir vorgestellt bzw. gewünscht hast?
Scheib: Es war schöner. In Sölden zu gewinnen, beim Saisonauftakt, vor der Kulisse – schöner hätte ich es mir echt nicht vorstellen können. Ich musste zwar lange warten – fast zu lange – aber im Nachhinein war es das wirklich wert.
LAOLA1: Dominik Paris hat gesagt, der erste Sieg ist der einfachste. Viel schwieriger ist es, die Siege zu wiederholen. Kannst du der Aussage etwas abgewinnen?
Scheib: Ich sehe das ein bisschen anders. Wenn du ein Mal gewonnen hast, weißt du ungefähr, wie es geht. Man will dann immer wieder gewinnen. Letztes Jahr wäre ich mit einem zweiten Platz sehr zufrieden gewesen, aber jetzt ist es schon so, dass ich wirklich jedes Rennen gewinnen will.
LAOLA1: Dein Trainer Martin Sprenger hat gesagt, er musste dich einbremsen, damit du nicht immer 100 Prozent gibst, weil man Rennen mit 80 Prozent auf gleichmäßigem Level gewinnt. Wie schwierig ist es, nur mehr 80 Prozent zu geben, wenn man es gewohnt ist, 100 oder mehr zu geben?
Scheib: Es ist spannend: Martin war nicht der erste Trainer, von dem ich das gehört habe. Ich habe das in meiner Laufbahn einige Male gehört, es aber nie glauben wollen. Ich habe immer gedacht, ich brauche die 100 Prozent, damit ich dabei bin. Aber es ist wirklich genau dieses Eitzerl, dass ich zurückschraube, dass mir die gewisse Ruhe gibt, um einen konstanten Lauf zu zeigen. Früher war ich teilweise so am Limit, wodurch ich Fehler gemacht habe. Das kann ich jetzt besser kontrollieren. Ganz vermeiden kann man es selten, weil beim Skifahren so viele Faktoren in einer Millisekunde zusammenkommen. Da kann es immer sein, dass irgendwas nicht perfekt ist. Aber es gelingt mir jetzt, die Passagen, die taktisch zu fahren sind, auf den Punkt umzusetzen.
Ich weiß momentan, dass mein Grundspeed gut ist und ich stabil fahre und nichts "besonderes" machen muss. Das klingt jetzt vielleicht einfach, aber vom Mindset her fahre ich da teilweise schon um mein Leben.
LAOLA1: Es macht den Eindruck, als würdest du am Start stehen und davon überzeugt sein, dass du schnell bist. Ist das der Unterschied zwischen guten Athletinnen und Siegläuferinnen?
Scheib: Ja, vielleicht. Ich weiß momentan, dass mein Grundspeed gut ist und ich stabil fahre und nichts "besonderes" machen muss. Das klingt jetzt vielleicht einfach, aber vom Mindset her fahre ich da - das ist jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben - teilweise schon um mein Leben. Ich muss immer schauen, dass ich pushe und attackiere. Ich kann mir nichts erlauben, darf nicht zurückschrauben. Ich muss alles sehr exakt fahren, auch von der Linie her. Ich muss es einfach ein bisschen rauskitzeln, sonst ist die Alice Robinson schneller. (lacht)
LAOLA1: Du hast in deiner Karriere schon viel erlebt, auch schwierige Zeiten. Gab es einen Moment, in dem du deine Definition von Erfolg neu justieren musstest?
Scheib: In Zeiten der Verletzungen war der Sport weit weg. Da ist es ein Erfolg, wieder normal gehen zu können, ohne Schmerzen zu haben. Da war das Skifahren, oder am Stockerl zu stehen oder sogar zu gewinnen ganz weit weg. Aber je näher du dem wieder kommst, desto mehr kommt auch wieder das Gefühl, Rennen gewinnen zu wollen.
LAOLA1: Unterscheidet sich dein Umgang mit Niederlagen heute von dem zu Beginn deiner Karriere?
Scheib: Ja, ganz sicher. Da hat sich einiges getan. Als ich jünger war, habe ich Niederlagen viel krasser erlebt. Es hat auch viel länger – sogar zu lange - gedauert, sie zu verarbeiten. Ich wollte immer gewinnen, das ist mein Naturell, und Niederlagen haben mich früher immer extrem angezipft. Aber auch da muss man seine Erfahrungen machen, um zu wachsen. Jetzt zipft es mich auch an, wenn ich wie in Mont Tremblant ausfalle, aber es war dann so schnell abgehakt für mich. Ich habe mir den 2. Durchgang angeschaut und mich für die anderen ehrlich mitgefreut. Wenn du da haderst, brauchst du den ganzen Nachmittag nur unnötig viel Energie.
LAOLA1: Du wirkst nach außen hin immer sehr ruhig und besonnen. Was bringt Julia Scheib aus der Fassung?
Scheib: Die ID Austria. Die hat mich schon einige Nerven gekostet. Das ist vielleicht nicht das beste System. (lacht)
LAOLA1: Abseits der Piste liebst du Techno-Veranstaltungen und findest Ruhe beim Gärtnern oder Kochen. Das ist doch ein ziemlicher Kontrast.
Scheib: Es ist schon ein Kontrast, ich finde aber, dass es gerade bei der Musik, wenn du nur den Beat und den Klang hast, trotzdem auch irgendwie so ein ruhiges Zuhören ist. Techno und Deep House ist für mich so eine Musik für alle Situationen im Leben. Das taugt mir irrsinnig. Und kochen ist definitiv meine zweite Leidenschaft.
LAOLA1: Blicken wir zum Abschluss auf 2026: Unter welches Motto würdest du das neue Jahr stellen?
Scheib: Ich mag es, wenn man einfach im Moment lebt und nicht zu viel nach vorne, hinten oder zur Seite schaut. Genauso würde ich gerne ins neue Jahr starten. Die Momente genießen, wenn sie da sind. Die Zeit vergeht ohnehin zu schnell, das wird mir immer mehr bewusst. Daher versuche ich immer, im Moment zu leben.