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Freimüllers Job bei der Junioren-WM erklärt

Der LAOLA1-Experte beschreibt, welche Aufgabe das Turnier für ihn erfüllt:

Freimüllers Job bei der Junioren-WM erklärt Foto: © getty

Die Vorzeichen waren günstig: Ostrava und Trinec als Austragungsorte der heurigen Junioren-A-WM nur etwas mehr als drei Stunden von Wien entfernt.

Dazu noch die Gelegenheit, einige Konkurrenten von Marco Rossi beim nächsten Draft live zu sehen sowie eine Vorschau darauf, was Österreich auf dieser Leistungsstufe in der nächsten Saison erwartet.

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller liefert Impressionen von einem einwöchigen Besuch in Tschechien und einen Blick darauf, wie NHL-Scouts dieses Turnier angehen.

Ist es das wichtigste Turnier des Jahres?

Ich kann mich noch an die letzte WM in Ostrava erinnern – das ist genau 25 Jahre her. Damals war das ein interessantes Junioren-Turnier mit überschaubarer Scout- und TV-Beteiligung, wo man sich als einfacher Zuseher noch unbeengt durch die ganze Halle bewegen konnte. In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten hat aber – angefacht vom kanadischen TV-Sender TSN - eine derartige Hysterie um dieses Turnier eingesetzt, dass man glauben könnte, alles andere davor und danach zählt nicht.

Natürlich ist es ein wichtiges Turnier für die Scouts, aber eben auch nicht das einzige während des Draft-Jahres. Mit Alexander Holtz und Lucas Raymond (Schweden), Yaroslav Askarov (Russland), Tim Stützle, Lukas Reichel und John Jason Peterka (Deutschland) sind einige hochgehandelte europäische Talente vor Ort. Team Canada hat heuer ungewohnt viele junge Spieler dabei – neben dem 2001 geborenen Top-Draft-Anwärter Alexis Lafreniere den späten 2001er Dawson Mercer (Klubkollege von Thimo Nickl und Fabian Hochegger bei Drummondville) sowie die 2002er Jamie Drysdale und Quinton Byfield.

Dazu kommen natürlich noch einige Anwärter auf die mittleren bis späteren Runden im Draft, das reicht schon für über 30 Reports, obwohl etwa Teams wie Finnland (Top-Prospect Anton Lundell verletzte sich vor dem Turnier) oder die USA (22 der 23 Spieler sind bereits gedraftet) bei aller Klasse kaum Draft-Material aufweisen.

Um die Spitzenleute zu sehen, ist die Junioren-WM natürlich ein Top-Event, noch dazu, wo gleich anschließend die Mid-Season-Meetings anstehen. Allerdings: Die U18-WM im April bietet ein noch weiteres Feld und ist daher für die Scouts noch wichtiger. Zwar fehlen dort die 2001 geborenen Spieler, dafür gibt es keine gedrafteten Spieler, bis auf die Underager (nach dem 15. September 2002 geboren) können bei dieser letzten Beobachtungsmöglichkeit alle Cracks noch gedraftet werden.

Was ist der beste Schedule?

Da hat jeder Scout eine andere Meinung. In der ersten Turnierphase ist der Spielplan festgelegt und du kannst dir aussuchen, welche Teams du wie oft sehen willst. In den sechs Tagen hier habe ich jedes Team bis auf Finnland zumindest zweimal gesehen, das reicht auch.

Allerdings gibt es hier oft sehr ungleiche Spiele zu sehen - wenn etwa Schweden im Schongang gegen Kasachstan oder die Slowakei gewinnt, gibt das nicht viel her. Das war heuer aber etwas besser als in den letzten Jahren, die Gruppe in Ostrava mit Kanada, USA, Russland, Tschechien und Deutschland war überhaupt sehr ausgeglichen besetzt.

In der zweiten Turnierphase geht es ans Eingemachte – wie bewähren sich die Spieler in einer Playoff-Phase? Allerdings: Die Viertelfinal-Verlierer müssen nach Hause, sodass ein Scout vier Teams nur einmal sehen würde. Umgekehrt dann vielleicht ein Team wie die USA ohne Draft-Prospects gleich dreimal, das ergibt halt auch wenig Sinn.

Ideal ist vielleicht ein Aufenthalt vom 29. Dezember bis zum Ende des Turniers oder alternativ die Vorrunde und die Viertelfinali – Silvester geht aber so oder so drauf. Und gewisse Ereignisse kann man nie ausschließen: So verletzte sich Lafreniere bereits im zweiten Spiel, einige Scouts sahen ihn in der Gruppenphase nur in wenigen Shifts.

Die Gewichtung der einzelnen Spiele und des Turniers

Nicht jedes Spiel hat den gleichen Wert. Ein Spieler kann gegen Kasachstan oder die kaum bessere Slowakei sehr gut aussehen, dann gegen Schweden auf verlorenem Posten stehen – wie bewertet man ihn dann über ein Turnier?

Auch eine Falle, in die aber Fans oder Medien weit mehr tappen als NHL-Scouts: Die besten (ungedraften) Turnierspieler sind nicht automatisch die besten Prospects. Das mussten über die Jahre etwa die beiden Goalies Benjamin Conz oder Denis Godla feststellen. Conz spielte für die Schweiz bei drei U20-WMs, vor allem die letzte gelang ihn sehr gut. Godla sicherte der Slowakei sogar sensationell die Bronze-Medaille – beide wurden nicht nur von den Fans ihrer Teams als sichere Draftpicks erwartet, dann aber nie gezogen und hatten auch danach nur durchschnittliche Karrieren. Großartige zehn Tage bei einem Turnier überlagern also keineswegs das, was davor oder danach geschah bzw. wie bei Conz körperliche oder bei Godla technische Mängel.

Das Hauptaugenmerk der Scouts liegt natürlich auf den Spielern, die in ihren ersten Draft gehen, allerdings können sich auch 2001er und 2000er in das Blickfeld spielen. Dazu gehörte etwas der Schwede Linus Fagemo, der letzte Saison bewies, dass er im Jahr zuvor zu Unrecht nicht gedraftet wurde (und der auch heuer groß aufspielt). Nicht auf seinem Niveau, aber für mich auch einer der wenigen Kandidaten, die bei ihrer dritten Chance zum Zug kommen könnten: Der schwedische Powerflügel Linus Öberg, der quasi aus dem Nichts ins WM-Team rückte.

"Kein Turnier für 17-Jährige"

Das war jahrelang ein Wahlspruch unter Scouts: Von den jüngsten Spielern (heuer eben die 2002er) kann man auf diesem Niveau nicht viel erwarten. Das hat sich aber in den letzten Jahren geändert, Spieler wie Kaapo Kakko, Patrik Laine oder Filip Zadina erhöhten ihren Draft-Status bei diesen Turnieren noch einmal. Wie in der NHL kommen jüngere Spieler immer besser zurecht, das zunehmend körperlosere Spiel hilft da natürlich immens.

Ein Spieler wie Lucas Raymond zeigt immer wieder seine große Stocktechnik, hinkt aber doch noch etwas körperlich hintennach. Das haben die Scouts natürlich eingepreist, seinem Status schadet das kaum. Solche Spieler spielen sich eher nach oben als nach unten. Natürlich registrierten die Scouts einen unebenen Turnierstart wie den von Russen-Goalie Yaroslav Askarov, könnten ihn auch etwas downgraden. Doch sie werden ihn auch nicht wie eine heiße Kartoffel fallen lassen, was auch für Quinton Byfield gilt, dessen Eiszeit im Laufe des Turniers gekürzt wurde. Sein Ansturm auf Lafreniere könnte hier gestoppt worden sein, trotzdem wird er nicht in die andere Richtung purzeln.

Die Top-Picks zu bewerten und zu ranken, ist nach diesem Turnier meist kein großes Problem. Die Spieler in der Mitte oder am Ende des Drafts zu bewerten, ist da viel anspruchsvoller und hier verdienen die Scouts sich ihr Geld. Wie vergleicht man etwa diese drei Defender: Simon Kubicek, ein 2001er bei Tschechien. Samuel Knazko, ein 2002er bei der Slowakei, dessen Spiel im Laufe des Turniers immer mehr auseinanderfiel? Thimo Nickl, wie Kubicek ein später 2001er, der in Minsk eine Stufe tiefer agierte. Alle drei sind Verteidiger mit guten Puck-Skills und Powerplay-Qualitäten. Gehören sie in dieselbe Kategorie (lassen wir das genaue Ranking einmal außen vor) oder hebt sich der eine vom anderen deutlich ab? Die WM gibt hier einige Hinweise, als alleiniger Gradmesser dient sie aber nicht.

Europäische Scouts sehen hier einige nordamerikanische Spieler zum einzigen Mal, umgekehrt gilt das natürlich auch. Hier wird die Saat für die Diskussionen bei den Meetings gelegt, wo ja eine Generalliste erstellt werden muss.

Die gedrafteten Spieler

Wie gesagt, einige Teams wie Finnland oder die USA weisen kaum potentielle Draftpicks auf. Die WM ist aber eine gute Gelegenheit, bereits gedraftete Spieler unter die Lupe zu nehmen. Dazu gehören vor allem die eigenen Picks – vor den Augen des GMs hofft natürlich jeder Scout, dass sich die von ihm empfohlenen Spieler gut präsentieren.

Scouts legen natürlich auch Follow-up-Reports über die Prospects der anderen Teams an, allerdings mit Vorsicht: Ein europäischer Scout sollte einen nordamerikanischen Spieler aufgrund dieses Turniers nicht negativ beurteilen, das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt. Doch Reports über Draftpicks helfen der Organisation bei eventuellen Trades und ein unscharfes oder unrichtiges Urteil im Draft-Jahr kann hier nochmals korrigiert werden.

Im Gegensatz zu früher habe ich solche Reports diesmal nicht geschrieben, da sie weder für mich persönlich noch für meinen Auftraggeber "Red Line Report" Relevanz haben. Dass aber Spieler wie Moritz Seider (Deutschland) oder K'Andre Miller (USA) das nächste Jahrzehnt Klasse-NHL-Verteidiger werden, ist mir ebenso wenig entgangen wie die Tatsache, dass der Schweizer Nico Gross überraschende Offensiv-Elemente entwickelt hat. Über viele der besten Spieler brauchte ich mir aber den Kopf nicht zu zerbrechen, genauso wenig wie über die wirklich schlechten Spieler wie etwa bei der Slowakei, über die ich sonst "Elimination Reports" ("Big but can't skate and thinks the game poorly") angelegt hätte.

Junioren-WMs waren früher mein jährliches Brot, egal ob in den USA oder in Europa. Schön, wieder einmal dabei gewesen zu sein, auch wenn die Druckkochtopf-Atmosphäre und lästigen Werbemaßnahmen (drei Commercial Breaks pro Drittel) nicht immer leicht zu ertragen sind. Dass sich Österreich im nächsten Jahr in diesem Rahmen präsentieren darf, ist für mich auch drei Wochen nach Minsk immer noch ein kleines Wunder…

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