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Reinbacher und Montreal: Liebe auf den ersten Blick

Der ÖEHV-Verteidiger hoffte auf die Canadiens, die Scouts "liebten ihn von Beginn weg". Nur die Fans sind noch skeptisch:

Reinbacher und Montreal: Liebe auf den ersten Blick Foto: © getty

"Hallo, mein Name ist David. Ich kann es nicht erwarten, nach Montreal zurückzukommen. Ich war schon einmal dort."

Das sind David Reinbachers erste Worte als Teil der Montreal Canadiens.

Der ÖEHV-Verteidiger wurde in Runde eins des NHL Entry Drafts 2023 an fünfter Position vom Rekordmeister der NHL gewählt und ist nun gemeinsam mit Thomas Vanek, der von März bis Mai 2014 in Montreal spielte und einer der ersten Gratulanten war, der höchste österreichische Draft-Pick aller Zeiten.

Österreich stellt damit zum dritten Mal in den letzten vier Jahren eine Top-Ten-Wahl in der Talenteziehung der besten Eishockey-Liga der Welt, mit Reinbacher diesmal sogar den besten Verteidiger des gesamten Drafts. Die Habs pickten indes zum zweiten Mal in Folge einen ÖEHV-Crack, 2022 entschied man sich in der dritten Runde für Vinzenz Rohrer

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Reinbacher nahm Fauxpas locker

Für den Vorarlberger ging ein Traum in Erfüllung, allerdings mit einem kleinen Stolperstein, für den er nichts konnte.

Montreal beauftragte Carey Price mit der Verlautbarung der Wahl, die 2005 ebenfalls an Nummer fünf gewählte Torhüter-Legende vergaß jedoch vor lauter Nervosität den Nachnamen des Defenders. General Manager Kent Hughes eilte zur Hilfe und erlöste sowohl Price als auch Reinbacher.

"Mann, war das peinlich. Entschuldigung David..... Reinbacher", schrieb Price auf "Twitter" und spielte gleichzeitig auf seinen Fauxpas an. Reinbacher, der im ersten Moment peinlich berührt wirkte, konnte wenig später darüber lachen.

"Das erste, was David uns am (Draft-)Tisch sagte, war: 'Ich kann es kaum erwarten, meine Schuhe anzuziehen und euch zu helfen, den Stanley Cup zu gewinnen".

Montreal-GM Kent Hughes

"Ja, ich war ein bisschen verwirrt, aber als dann Kent Hughes kam und Reinbacher sagte, war es unglaublich. Ich bin meinem Vater in die Arme gefallen und dann kam Carey Price auf der Bühne zu mir und sagte: 'Es tut mir so leid'. Ich habe gesagt: 'Ja, kein Problem'", erzählte der Lustenauer, der von der Situation überwältigt war.

"Man muss zu so einem tollen Kerl aufschauen. Es war umwerfend, ihm die Hand zu schütteln", lächelte der 18-Jährige.

Habs-Fans mit Pick großteils unzufrieden

Wohl auch darüber, dass er bei einem der glamourösesten Klubs der NHL landete. Die Canadiens sind 24-facher NHL-Champion und damit klar die erfolgreichste Franchise der Liga. Allerdings dauert das Warten auf den 25. Stanley-Cup-Triumph schon 30 Jahre an.

Geht es nach dem Österreicher, soll die Durststrecke bald enden - am besten mit seiner Hilfe. "Das erste, was David uns am (Draft-)Tisch sagte, war: 'Ich kann es kaum erwarten, meine Schuhe anzuziehen und euch zu helfen, den Stanley Cup zu gewinnen", lachte Hughes.

Reinbacher verbarg seine Freude beim ersten Medientermin im Anschluss an den Draft erst gar nicht. "Ich kann es immer noch nicht fassen, es ist eine große Ehre für mich, die Farben einer so großartigen Organisation zu tragen. Ich kann dieses Gefühl gar nicht beschreiben."

Beim Gedanken an die enthusiastischen Fans strahlte er: "Montreal hat eine großartige Gemeinschaft. Sie haben Leidenschaft und Geschichte." Doch eben jene Canadiens-Anhänger stehen der getätigten Wahl durchaus kritisch gegenüber.

Vor allem in den Sozialen Medien herrscht rauer Gegenwind für Reinbacher, viele hatten darauf gehofft, dass der Russe Matvei Michkov (ging nach Philadelphia) oder zumindest der US-Amerikaner Ryan Leonard (Washington) gedraftet werden. Stattdessen aber entschied sich Montreal für den besten Defender der heurigen Talenteziehung.

GM rechtfertigt sich: Darum pickte Montreal Reinbacher

General Manager Kent Hughes erklärte daraufhin, dass man sich für Reinbacher und gegen Michkov entschieden hat, weil man der Meinung ist, dass er dem Team in Zukunft am meisten helfen werde. Und: "Wenn wir das Gefühl gehabt hätten, dass es eine bessere Wahl gibt, hätten wir sie getroffen."

"Mit Reinbacher bekommen die Canadiens einen echten Premium-Verteidiger-Prospect, einen Spieler mit Top-Pair-Potenzial und der Chance, ein Star zu werden, wenn er wirklich einschlägt."

Draft-Experte Corey Pronman (The Athletic)

Der Rechtsschütze sei sehr hoch auf der eigenen Liste gestanden. "Wenn er ein linksschießender Verteidiger wäre, hätten wir vielleicht ein wenig gezögert, aber wir haben auf der rechten Seite nicht so viel Tiefe", erläuterte Hughes.

Von den Gesprächen mit dem Österreicher war der GM beeindruckt. "Er war sehr bescheiden. Er sprach viel über Arbeit und darüber, dass man sich Dinge verdienen muss. Wenn wir viel über Kultur sprechen, passt er in dieser Hinsicht sehr gut zu uns. Er erwartet nicht, dass er etwas geschenkt bekommt. Er will sich seine Eiszeit verdienen."

Dass man Reinbacher aufgrund des Bedarfs auf dieser Position geholt hat, wies Hughes unterdessen zurück. "Wir sehen Reinbacher als zukünftigen Top-D-Pair-Spieler, der viele Minuten spielen kann, und darin einen großen Wert."

Den erkannte auch Draft-Experte Corey Pronman von "The Athletic", der in seiner Analyse schreibt: "Mit Reinbacher bekommen die Canadiens einen echten Premium-Verteidiger-Prospect, einen Spieler mit Top-Pair-Potenzial und der Chance, ein Star zu werden, wenn er wirklich einschlägt. Reinbacher wird sofort das beste Verteidigungstalent in der Habs-Organisation, und eine zukünftige blaue Linie mit ihm, Kaiden Guhle, Logan Mailloux, Lane Hutson und Justin Barron sieht nach einer potenziell sehr guten Gruppe aus."

Bei den Canadiens ist man sich ebenfalls sicher, einen "Rohdiamanten" gelandet zu haben, "der noch viel Potenzial hat - sowohl körperlich als auch spielerisch. Unsere Scouts haben Reinbacher von Beginn weg geliebt und seine Entwicklung während des Jahres", konstatierte der GM.

Ansporn, sich zu beweisen

Diese war auch schlichtweg beeindruckend.

Wurde Reinbacher zu Beginn der Draft-Saison noch als möglicher Zweit- bis Drittrunden-Kandidat angesehen, schoss der Lustenauer die Rankings förmlich empor und er darf sich nach einer starken Saison in der Schweizer National League beim EHC Kloten zurecht als Top-5-Pick bezeichnen.

Druck will sich der ÖEHV-Teamspieler deswegen keinen machen, viel mehr sieht er die frühe Wahl als Ansporn. "Ich bin jetzt hochmotiviert. Nun ist es an der Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen, um den Jungs zu beweisen, dass es die richtige Entscheidung war, mich als ersten Defender des diesjährigen Drafts zu nehmen."

Er hatte bereits im Vorfeld das Gefühl, Montreal könnte ihn draften. Diesen Gedanken versuchte er jedoch so gut wie möglich zu verdrängen, um den Moment zu genießen. Doch insgeheim habe er immer gehofft, dass die Habs jenes Team sein würden, welches ihn auswählt.

Das war allerdings gar nicht so sicher, denn die Habs wurden in den letzten Tagen vermehrt mit Gerüchten in Verbindung gebracht, dass man den Pick traden könnte. "Fünf oder sechs Teams" hätten sich bei Hughes deshalb auch gemeldet, wie er zugab, aber die Scouts wollten, dass er den Pick behält und Reinbacher nimmt.

Wann Reinbacher selbst glaubte, dass Montreal ihn nehmen würde? "Ich würde sagen, bei dem Treffen in Buffalo (beim Scouting Combine, Anm.). Ich hatte dort ein wirklich gutes Treffen und dann noch eines in Nashville mit dem Besitzer. Ich war wirklich beeindruckt, ich bin einfach dankbar", meinte Reinbacher.

Das sind alle Österreicher, die im NHL-Draft gepickt wurden

Wo liegt die nahe Zukunft?

Letzten Endes war der Draft ohnehin erst einmal ein weiterer Schritt in Richtung NHL - und einige liegen noch vor ihm.

Das weiß Reinbacher auch. "Sicherlich ist es mein Ziel, so schnell wie möglich in der NHL zu spielen. Aber ich würde sagen, dass jetzt die Zeit ist, zu planen und sich zu entwickeln, um an einen Punkt zu gelangen, an dem es Sinn macht, hier zu spielen", so der Neo-Habs-Crack.

Wo die nahe Zukunft liegt, darüber lässt sich tatsächlich nur mutmaßen. Gegenüber "Sportsnet" betonte Reinbacher, dass er noch ein Jahr Schule und Arbeit vor sich habe, bevor er nach Nordamerika kommt.

Eine weitere Spielzeit in Kloten würde seiner Entwicklung bestimmt gut tun - genauso aber der Sprung nach Übersee, um sich an die kleinere Eisfläche zu gewöhnen. "Wir werden das im Development Camp evaluieren, er kann auch in der AHL spielen. Das ist eine Entscheidung, die wir später treffen müssen", so Hughes.

Doch egal, wo der Vorarlberger kommende Saison spielen wird: er will sich stetig verbessern. Vor allem an seinem Offensivspiel wolle der Defender arbeiten, zudem körperlich stärker werden.

Setzt Reinbacher seine Entwicklung progressiv fort, steht einer großen NHL-Karriere kaum etwas im Wege. Jeff Tomlinson, sein Trainer in Kloten, glaubt daran: "Er hat immer alle Herausforderungen gemeistert, in jeder Situation. Er hat die Erwartungen immer erfüllt oder übertroffen."


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