Als Julian Knowle im Jahr 2007 bei den US Open an der Seite des Schweden Simon Aspelin den ersten österreichischen Grand-Slam-Titel im Doppel holte, sorgte der Vorarlberger damit für den Startschuss in eine damals nicht für möglich gehaltene erfolgreiche Doppel-Ära im heimischen Tennis.
Mit Jürgen Melzer, Oliver Marach und Alexander Peya fuhren gleich drei weitere ÖTV-Asse Major-Titel im Doppel beziehungsweise Mixed ein. Zudem schaffte es mit Philipp Oswald ein weiterer Österreicher in die Top 50 der Welt.
Mittlerweile ist von den rot-weiß-roten Doppel-Legenden nur mehr der 36-jährige Oswald aktiv. Dass man sich aber auch um die Zukunft keine Sorgen machen muss, bewiesen in den vergangenen Monaten bereits Alexander Erler und Lucas Miedler.
Am vergangenen Wochenende holte das ÖTV-Duo den entscheidenden Punkt im Davis-Cup-Länderkampf gegen Pakistan, davor feierten die beiden zwei Challenger-Turniersiege in Folge (Como und Tulln).
"Die letzten Wochen waren Weltklasse"
"Die letzten Wochen waren natürlich Weltklasse. Da haben wir nicht viel falsch gemacht. Ich hoffe, dass wir diesen Schwung für die kommenden Wochen mitnehmen werden", freut sich Miedler im Gespräch mit LAOLA1 über das aktuelle Formhoch.
Es waren schon die Titel drei und vier in dieser Saison, womit sich Erler im ATP-Ranking auf Platz 71 und Miedler auf Rang 82 vorarbeiten konnten.
Nun wird es allerdings Zeit, den nächsten Schritt nach vorne in der Weltrangliste zu gehen. Denn um diesen zu machen, sind Punkte bei den großen ATP-Turnieren (250, 500, 1000) nötig.
Umstieg auf ATP-Turniere notwendig
In dieser Woche sind Erler/Miedler beim Challenger im rumänischen Sibiu am Start. Ein Turniersieg würde 80 ATP-Punkte bringen – zu wenig, um sich in der Weltrangliste ernsthaft zu verbessern, wie das Beispiel Erler zeigt: Netto würden dem Tiroler nämlich nur 50 Punkte übrigbleiben, da ihm ein anderes Turnier mit 30 Punkten aus der Wertung fallen würde. Zu den Top 50 fehlen Erler aber noch fast 400 Zähler.
"Wenn wir ein Challenger-Turnier gewinnen, bringt uns das 80 Punkte und das bringt uns eigentlich nichts mehr. Wir müssen auf die höheren Turniere kommen und dort punkten", verdeutlicht Miedler die aktuelle Situation.
Schwierig: Nicht bei jedem ATP-Turnier sind die beiden mit ihrem kombinierten Ranking im Hauptfeld. Deshalb sind Erler/Miedler in dieser Woche auch "nur" auf Challenger-Ebene zu sehen. "In Metz waren wir Erster draußen. In San Diego wären wir zwar reingekommen, aber für so ein Turnier extra nach Amerika zu fliegen, wäre viel Aufwand gewesen. Vor allem mit Blick auf die drei ATP-Turniere, wo wir in den kommenden Wochen fix reinkommen."
Und diese drei ATP-250-Turniere stehen ab nächstem Montag auf dem Programm: Erler/Miedler sind in der kommenden Woche wie Dominic Thiem und Novak Djokovic in Tel Aviv am Start.
Peya: "Sie brauchen große Ergebnisse bei kleineren ATP-Events"
Ein gutes Abschneiden bei diesen Turnieren wäre für die beiden extrem wichtig, wie Ex-Doppel-Spezialist Alexander Peya erklärt: "Sie müssen schauen, dass sie sich vorne etablieren können. Grand Slams gehen sich aufgrund ihres Rankings gerade nicht aus. Sie brauchen große Ergebnisse bei diesen kleineren ATP-Events oder vielleicht beim 500er in Wien, damit sie noch ein Stückchen weiter nach oben klettern. Mit Challenger-Turnieren kommen sie kaum mehr nach vorne."
Dass die beiden auch bei den großen ATP-Turnieren performen können, haben sie bereits im vergangenen Jahr bei ihrem gemeinsamen Debüt bewiesen: Damals holten sie sensationell den Turniersieg bei den Generali Open in Kitzbühel.
"Kurz vorher haben wir uns noch untereinander angerufen, wer mit wem spielen soll und dann haben wir gesagt, dass wir es einfach mal miteinander probieren", erinnert sich Erler schmunzelnd zurück. "Und dann holen wir auf einmal den Titel."
Wenig Kontakt in der Jugendzeit
Davor kannten sich die beiden ÖTV-Asse trotz gleicher Staatsbürgerschaft und nur einem Jahr Altersunterschied nicht sonderlich gut.
"Wir haben uns mit 15, 16 Jahren kennengelernt", erinnert sich Erler zurück. "Wir hatten aber nie etwas miteinander zu tun", ergänzt Miedler lächelnd. Drei, vier Mal seien die beiden jungen Burschen damals aufeinandergetroffen. Bis es eben in Kitzbühel 2021 zur erfolgreichen Reunion kam. Erler: "Eigentlich ein Wahnsinn, wie sich das im letzten Jahr entwickelt hat."
Ob sich die beiden damals auch von früheren Doppel-Stars wie Knowle, Marach oder Peya inspirieren haben lassen?
Miedler meint: "Ich habe die vielen Erfolge im Doppel natürlich mitbekommen, aber so etwas kannst du nicht planen. Vor allem nicht, dass es dann weiter so gut läuft."
Der Niederösterreicher streicht heraus, dass er es vor einem Jahr noch nicht unbedingt auf dem Schirm hatte, sicher immer stärker auf das Doppel zu konzentrieren. "Wenn du die Punkte einmal gewonnen hast, willst du sie aber natürlich auch nicht einfach so verfallen lassen. Wenn man dann in solche Fußstapfen wie in Österreich treten darf, wo es zuletzt immer gute Doppel-Spieler gab, ist das aber natürlich eine Ehre."
Junioren-Sieg bei den Australian Open
Wobei Miedler zum Doppel keineswegs wie die Jungfrau zum Kind kam. Schließlich gewann der Tullner im Jahr 2014 bereits den Junioren-Doppel-Bewerb bei den Australian Open in Melbourne. "Ich habe ja schon eine längere Doppelgeschichte in meiner Karriere", grinst der Tullner, der nun aber erstmals über ein Jahr hinaus mit einem Standardpartner auf der Tour unterwegs ist.

Da sowohl er als auch Erler über das Einzel kommen, sorgte dies natürlich auch für einige Umgewöhnungen im Tour-Alltag.
"Das ist für uns natürlich auch neu", gibt Miedler zu. "Das unterschätzen viele Leute, dass man mit einem Doppelpartner natürlich die ganze Zeit gemeinsam reist. Natürlich musst du dich da auch an gewisse Dinge gewöhnen. Mittlerweile kriegen wir das aber echt gut hin. Wir werden heuer hoffentlich noch mehr Tage gemeinsam verbringen."
"Jeder hat seine eigenen Ticks. Ich vielleicht ein bisschen mehr als er", grinst Erler, der laut Miedler einige davon auch an seinen Partner weitergegeben haben soll. "Es gibt gewisse Routinen, da muss man manchmal mitziehen. Natürlich hat jeder seine Eigenheiten. Wir haben es aber ganz lustig mittlerweile."
"Sehen uns teilweise natürlich auch zuviel"
Ein gutes Verständnis abseits des Platzes ist für ein erfolgreiches Doppel-Duo auch extrem wichtig. Schließlich gibt es kaum Pausen, wenn die Aufenthalte bei den Turnieren fast immer bis zum Wochenende dauern.
"Wir sehen uns teilweise natürlich auch zuviel", lächelt Miedler. "Aber das ist ganz normal, wenn du jede Woche gemeinsam reist. Dann gibt es einfach ein paar Reibungspunkte und das ist ja auch gut so. Aber ich glaube, wir kriegen das mittlerweile ganz gut hin."
Einzel-Karriere noch nicht aufgegeben
Ganz aufgegeben haben die beiden den Traum von der erfolgreichen Einzel-Karriere freilich auch noch nicht.
"Ich glaube, wir haben noch Zeit. Wir wollen das Einzel immer noch nicht aufgeben, aber wir sind mittlerweile nun mal im Doppel in den ersten 100, was im Vorjahr noch nicht der Fall war. Selbst mit dem Kitzbühel-Sieg waren wir damals davon noch weit weg. Top 200 bringen dir im Doppel genau gar nix", so Miedler.
"Jetzt sind wir im Doppel schon ganz gut, das Einzel-Ranking ist ähnlich geblieben. Wenn wir Challenger spielen, spielen wir natürlich noch Einzel. Wenn wir aber bei einem ATP-Turnier reinkommen, dann ist es klar, dass wir dort Doppel spielen, weil es einfach um mehr geht. Wenn wir im Doppel einmal so gut sind, dass es sich nicht mehr vereinbaren lässt, dann muss man es eh ändern."
Miedler ist aktuell die Nummer 319 der Welt, Erler liegt auf Position 782. "Wenn wir bei einem ATP-Turnier spielen, kann ich dort auch meistens Qualifikation spielen und habe zumindest eine gute Chance, um auch dort reinzukommen. Dann spielst du halt Einzel-Quali und Doppel-Main-Draw. Dann bist du aber trotzdem kein Doppelspieler, weil du ja Einzel auch spielst."
Sowohl er als auch Erler haben ihre Trainingszelte bei Wolfgang Thiem in Traiskirchen aufgeschlagen. Wobei Erler in den wenigen Wochen ohne Reisetätigkeit auch noch oft in seiner Heimat in Tirol verweilt.
Gearbeitet wird im Training vor allem am Netz- und Stellungsspiel. "Da haben wir noch sehr viel Potenzial", ist Erler überzeugt. "Es gibt immer Kleinigkeiten, die man noch besser machen kann."
Olympia-Traum für 2024
Ein Traum wäre natürlich auch eine gemeinsame Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Ein eingespieltes österreichisches Doppel-Duo könnte sich durchaus sogar Medaillen-Chancen ausrechnen.
"Sicher hilft es, wenn du ein eingespieltes Doppel hast", so Miedler. "Wir hatten schon immer gute Doppelspieler, die aber oft nicht gemeinsam gespielt haben. Die haben natürlich auch am Ende des Tages ihre Leistungen gebracht, weil sie einfach so gut sind. Noch wertvoller ist es aber wohl, wenn so ein Duo das ganze Jahr gemeinsam spielt und aufeinander eingestellt ist."
"Das ist aber noch ein sehr weiter Weg", so Miedler und Erler scherzt: "Da müssen wir uns noch zwei Jahre auf die Nerven gehen."
Miedler: "Aber natürlich ist Olympia ein Traum. Bis dahin gibt es aber genug andere Dinge, die wir gemeinsam erledigen müssen und dann können wir vielleicht auf Olympia schauen."