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Niessl zur Politik: "Sport darf nicht das Anhängsel sein!"

Niessl zur Politik: "Sport darf nicht das Anhängsel sein!"

Am Sonntag wählt Österreich einen neuen Nationalrat. In Zeiten von Umweltkatastrophen, Inflation und Gesundheitskrisen war der Sport im Wahlkampf nicht das prägendste Thema. Gerade deshalb setzt sich LAOLA1 intensiv mit den sportpolitischen Aspekten der Parteiprogramme auseinander.

Die Sport Austria, die Interessensvertretung des organisierten Sports, tut das laufend - und hat im Vorfeld neun Themenbereiche definiert sowie 40 Forderungen an die neue Bundesregierung formuliert.

Darüber sowie über die vergangenen Jahre aus sportlicher Sicht spricht Präsident Hans Niessl im LAOLA1-Interview (Hier auch als Podcast >>>). Als Sportlehrer, Direktor einer Sporthauptschule, Inhaber einer Fußballtrainerlizenz und als ehemaliger Landeshauptmann des Burgenlands auch für Sport zuständig, kennt er den Sport aus vielen Perspektiven.

Eines vorne weg: Die Parteien sind sich ziemlich einig, dass im Sport etwas getan werden muss.

Im Podcast werfen wir einen Blick auf den Status quo, aber auch auf zukünftige Verbesserungsmöglichkeiten der Sportwelt in Österreich. 

Hier anhören:


LAOLA1: Ziehen wir eingangs eine Bilanz über die letzten fünf Jahre.

Hans Niessl: Sport Austria ist sowohl für den Spitzen-, als auch den Breitensport zuständig. Weiters sind wir das Bindeglied zwischen Politik und Sport. Die Aufgabe ist es, diesen Kontakt zu pflegen und gute Rahmenbedingungen für den Sport zu schaffen. Die vergangenen Jahre waren sehr arbeitsintensiv, der Sport war mit so großen Herausforderungen – Pandemie, Lockdowns, Teuerung, Energiekosten – konfrontiert. Kontaktpflege mit Sport- und Finanzminister war wichtig, um die Belastungen für Profi- und Breitensportvereine abzudecken. Da haben wir viele Vereine vor dem finanziellen Desaster bewahrt.

LAOLA1: Über den Spitzensport muss man sich da weniger Sorgen machen, wenn ich alleine an dieses Sportjahr denke. Sehen Sie das auch so?

Niessl: Gerade Ballsportarten hatten während der Pandemie große Probleme. Die Unterstützung für die ersten Ligen war notwendig und wichtig, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, um keinen Konkurs zu beantragen. Es wurden Entschädigungen in der Höhe von 240 Millionen aus dem NPO- und Profiligenfonds ausgezahlt, 70 Millionen für die Profis, 170 für den Breitensport.

LAOLA1: Wie geht es der Breite? Aus dem Bildungsbereich hört man, dass die Pandemie deutlich Spuren hinterlassen hat, die nachwirken.

Niessl: Es hat sich gezeigt, wie wichtig der Sport ist. In Österreich gibt es noch immer welche, die mit Sport wenig am Hut haben oder dagegen sind, dass der Sport diese finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt bekommt. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie war überfüllt; die Kinder brauchen den Sport für Bewegung, Sozialkontakte – das ist die Basis der Gesundheit. Wir sollen ihnen ja nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern auch Bewegung beibringen. Wer sich als Kind nicht bewegt, wird das als Erwachsener auch nicht tun. Darüber hinaus ist Sport ein Integrationsmotor – es ist quasi der Kit für unsere Gesellschaft.

LAOLA1: Im Breitensport geht es um Ehrenamt, von den Kindern bis zu Bewegungsangeboten für ältere Menschen. Sie fordern hier mehr Unterstützung – vor allem auch deshalb, weil die Bereitschaft für ein ehrenamtliches Engagement eigentlich zurückgeht.

Niessl: Es war ja jeder Olympiasieger einmal ein Nachwuchssportler, ist vom Breiten- in den Spitzensport gekommen. Deswegen fordern wir eine Aufwertung, mehr Respekt und Wertschätzung. Dazu gehört eine Entbürokratisierung. Die neue Bundesregierung ist gut beraten, wenn sie für Ehrenamtliche Vergünstigungen, Steuerabsetzbeträge und so weiter bereitstellt. Sie sind nämlich das Rückgrat des Sports und ohne sie gebe es den Sport nicht in der Form.

LAOLA1: Im Lichte der multiplen Herausforderungen: Wie lautet Ihr Resümee zur Arbeit in den letzten fünf Jahren aus Sicht des Sports?

Niessl: Die Zusammenarbeit mit Sportminister Werner Kogler und Finanzminister Magnus Brunner war sehr gut. Sie hatten immer ein offenes Ohr. Es gab wesentliche Verbesserungen. Ob die Lockdowns notwendig gewesen wären, ist wieder ein anderes Thema.

LAOLA1: Was hätte man umsetzen sollen, allen Herausforderungen zum Trotz?

Niessl: Ohne die Krisen hätte man das Geld anders einsetzen können. Es ist unfair zu sagen, dass man noch etwas tun hätte sollen, weil es ist noch nie so viel Geld in den Sport geflossen. Ohne Pandemie hätte man die Forderungen, die wir an die neue Bundesregierung stellen, schon früher in Angriff nehmen können.


LAOLA1: Leider kostet alles Geld. Aktuell investiert Rot-Weiß-Rot jährlich nur 0,3 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Sportstätteninfrastruktur ("Freizeitgestaltung und Sport", Anm.) und liegt damit lediglich auf Rang 22 von 30 untersuchten Ländern (EU und EFTA, Anm.). Wie viel müsste man sofort auf den Tisch legen, um die Forderungen zumindest anzustoßen?

Niessl: Die Forderung von Sport Austria ist es, in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro in Renovierung und Errichtung von Sportstätten zu investieren. Wird das getan, befindet sich Österreich erst im Mittelfeld. Wir haben dramatische Defizite, wissen alle, wie wichtig die Bewegung für die Gesundheit der Menschen ist, sind aber nicht bereit, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Die Infrastruktur ist ein ganz wesentlicher Bereich. Zudem hat ein Teil des Gesundheitsbereichs, teilweise auch im Gesundheitsministerium, die Wichtigkeit von Sport für diesen noch nicht erkannt. Blickt man nach Schweden, sieht man, dass die Schweden zwar etwa so alt werden wie wir, aber ab 65 um zehn Jahre länger gesund bleiben. Wer zehn Jahre länger gesund ist, muss die Krankenanstalten weniger beanspruchen. Dort müssen wir hin und alle davon überzeugen. Bei den zahlreichen Diskussionen haben wir eigentlich nichts über den Sport gehört. Das halte ich für falsch.

LAOLA1: Wo soll denn der Sport überhaupt hin? Der zuständige Minister oder Staatssekretär waren im Verteidigungsministerium, im Finanzministerium, aktuell beim Vizekanzler. Müsste man die Milliarde aus dem Budget des Gesundheitsministeriums finanzieren? Woher soll das Geld kommen?

Niessl: Der Sport ist der Gesundheitsmotor, also ist es naheliegend, dass auch die Gesundheit ihren Beitrag leistet. Aber machen wir es einfach. Professor Helmenstein (Anm. Christian, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Privatuniversität Schloss Seeburg/Salzburg) sagt, dass sich Österreich 530 Millionen Euro durch die aktuelle Bewegung der Österreicher erspart. Da gibt es noch Potenzial. Bewegen wir uns um zehn Prozent mehr, kann man im Gesundheitsbereich weitere hundert Millionen Euro einsparen. Also finanziert sich – zugegebenermaßen zeitverzögert – der Sport von selbst.

LAOLA1: Es gibt ja auch eine Umwegrentabilität. Das Hahnenkamm-Rennen ist einmal im Jahr, aber Touristen kommen die ganze Saison.

Niessl: Das ist ein wesentlicher Bereich. Für mich zählt in erster Linie die Gesundheit, dann die Integration. Sport ist aber auch ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Rechnet man alles zusammen, sind das über 20 Milliarden Euro, die der Sport in Österreich zur Wertschöpfung beiträgt.

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