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Markus Fuchs: Österreichs schnellster Mensch auf Rekordjagd

Der 27-Jährige ist Österreichs heißestes Sprinteisen bei der anstehenden Leichtathletik-WM. Über seine Ziele, Usain Bolt und Ikone Andi Berger.

Markus Fuchs: Österreichs schnellster Mensch auf Rekordjagd Foto: © GEPA

Im Juni sorgte der schnellste Österreicher auf zwei Beinen, Markus Fuchs, für Aufsehen. Beim Liese-Prokop-Memorial in St. Pölten durchbrach er über die 100 Meter den Uralt-Rekord von Leichtathletik-Legende Andi Berger aus dem Jahr 1988.

Dieser lag bei 10,15 Sekunden, seit 2022 teilten ihn sich Fuchs und Berger bereits. Seit zwei Monaten ist Fuchs mit seinen in Niederösterreichs Landeshauptstadt erlaufenen 10,08 Sekunden alleiniger Rekordhalter. 

Bei der am Samstag startenden Leichtathletik-WM in Budapest geht er als einer von nur acht Europäern an den Start. Fuchs im Interview über die Titelkämpfe, seinen Weg an die Spitze und wieso Bolt womöglich unerreichbar bleibt.

LAOLA1: Wie kam es dazu, dass du Leichtathlet und insbesondere 100-Meter-Läufer geworden bist?

Markus Fuchs: Wie es damals noch üblich war, habe ich als kleines Kind mit den Eltern einen Verein besucht. Da wurde ich bei einem Wettkampf entdeckt. Wir wurden dann aufmerksam gemacht, dass es einen Leichtathletik-Club in der Südstadt gibt. Dort bin ich gemeinsam mit meinen Eltern hingefahren. Mein Interesse wurde auf Anhieb geweckt, weil ich immer schon gerne viel Bewegung gemacht habe und kaum zu bändigen war. Das war von Anfang an eine sehr gute Chance. Ich bin dort dann alle Stufen durchgelaufen. Im Nachwuchs macht man normalerweise noch den Mehrkampf. Den habe ich dann bis zu meinem 15. oder 16. Lebensjahr gemacht, bis mir meine damalige Trainerin das Ultimatum gestellt hat, dass ich mich entscheiden muss. Entweder für eine Disziplin oder einen anderen Sport, wenn ich das professionell machen möchte. Da wurden dann die Weichen gestellt. Ich habe mich schließlich für den Sprint entschieden, weil mir das von Anfang an am allermeisten Spaß gemacht hat. Seitdem bin ich dabei geblieben. Seit ich 16 bin, haben wir alles nach und nach auf professionellere Beine gestellt. Seit drei Jahren sehe ich mich selbst als Profi.

LAOLA1: Ist dein Interesse auch geweckt worden, weil du irgendwelche speziellen Vorbilder aus dem Bereich gehabt hast, oder war das einfach nur aus Freude an dem, was du da machst?

Fuchs: Es ist nach wie vor die Freude am Sport selbst, die mich antreibt. Ich lebe wirklich für den Sport. Ich glaube, es wäre damals sogar egal gewesen, wo man mich hingesteckt hätte, weil ich so viele verschiedene Sportarten ausprobiert habe. Ich komme aus einem sehr sportlichen Haus. Mein Papa war früher selber Sportler und von klein auf waren wir es gewöhnt, Bewegung und Sport zu machen. Meine Brüder und ich wurden die ganze Zeit in diese Richtung geleitet.

LAOLA1: Du hast dich dann, wie bereits angesprochen, für die 100 Meter entscheiden. Was ist aus deiner Sicht das Tolle an dieser Disziplin?

Fuchs: Für mich ist es diese Faszination, dass in einer nach außen simplen Sportart einfach so viele Details liegen, die zur Perfektion führen. Das ist auch das, was mich ausmacht. Ich bin einfach so ein Typ, der diesen Perfektionismus braucht. Ich suche einfach immer nach den kleinsten Details, nach den kleinen Schrauben, an denen man drehen kann und die es mir möglich machen, meinen Körper perfekt einzustellen. Ich glaube, es gibt auch wenige Sportarten, die sich mit dem 100 Meter Sprint ansatzweise vergleichen lassen, weil es um die reinste Perfektion auf einer Bahn geht. Da schaffen es dann wirklich nur die allerbesten in das "Concerto Grande". Da muss man dann schon wirklich extrem viel sitzen und alles passen. Ich sehe mich selbst als Teamplayer, aber ich habe immer schon diesen Drang in mir gehabt, der Beste zu sein. Es fasziniert mich, dass du an deinen Leistungen gemessen wirst und nicht von anderen abhängig bist. Im Endeffekt ist es deine Leistung, deine Zeit, um die es dann geht und die sich darauf zusammenführen lässt, was du selbst als Athlet leistest. Das ist das, was ich eben sehr cool finde.

"Ich glaube, wer es nicht im Kopf hat, der kann es gar nicht in die Beine bringen."

Fuchs über die mentale Komponente in seinem Sport.

LAOLA1: In den verschiedensten Sportarten spielt ja die mentale Komponente eine große Rolle. Wie ist das in deinem Sport, wie groß ist im Endeffekt der Einfluss der mentalen Komponente auf die Leistung?

Fuchs: Ich glaube, das lässt sich auch mit nichts vergleichen. Wir haben so einen enormen Leistungsdruck. Weil, wie gesagt, bei uns ist es so: Wir haben eine Chance, wir haben einen Wettkampf, wir haben zehn Sekunden Zeit und von dem hängt alles ab, im Endeffekt ein ganzes Jahr. Ein Tennisspieler hat mehrere große Turniere im Jahr, wo er wieder seine Chance bekommen kann. Bei uns ist es so, dass wir maximal ein großes Event, eine Weltmeisterschaft, Olympische Spiele oder eine Europameisterschaft im Jahr haben. Anhand der wirst du dann das ganze nächste Jahr gemessen, insofern braucht man natürlich eine enorme mentale Stärke, um da überhaupt einmal hinzukommen. Das Leistungsniveau weltweit ist schon sehr hoch. Ich glaube, wer es nicht im Kopf hat, der kann es gar nicht in die Beine bringen. Ich sage mal so: Die mentale Stärke ist wahrscheinlich noch höher einzuschätzen als die physische Stärke.

LAOLA1: Du hast dich in den letzten Jahren sehr stark gesteigert und dadurch auch ins Blickfeld der Öffentlichkeit katapultiert. Im Vorjahr hast du in Eisenstadt den österreichischen Rekord von 10,15 Sekunden eingestellt. Diesen konntest du heuer auf 10,08 verbessern. Wie ist es zu dieser durchaus beachtlichen Steigerung gekommen?

Fuchs: Das ist eigentlich ganz einfach zu erklären. Ich bin vor etwa dreieinhalb Jahren mit meinen Leistungen angestanden. Da habe ich innerlich gespürt, dass ich viel verändern muss und habe das dann aber auch rasant gemacht. Ich habe mich dann einem professionellen Team in der Schweiz angeschlossen, mittlerweile pendle ich die ganze Zeit zwischen Wien und Zürich. Ich bin damals bei einem Profi-Coach gelandet, der jetzt mein Trainer ist. Er hat mich darauf hingewiesen, dass ich alle Hebel in meinem Leben in Bewegung setzen und alles verändern soll. Ich habe dann auch begonnen, noch viel regelmäßiger mit Sportpsychologen zu arbeiten und viel mehr Wert auf meine Regenerationsmaßnahmen gelegt. Mittlerweile habe ich schon fünf Therapeuten in einem Team, die täglich an meinem Körper "bastlen", damit da wirklich auch etwas weitergeht. Der Trainingsplan ist perfekt auf mich zugeschnitten. All das gibt mir enormes Selbstvertrauen. Wenn du da verglichen wirst und plötzlich kommen die ganzen anderen europäischen Sprinter her und orientieren sich an dir, obwohl es vorher immer umgekehrt war - durch diese Sachen wächst man dann halt einfach. Ich glaube, irgendwann erreichst du einfach einen Punkt, wo du so ein enormes Selbstvertrauen hast, dass du wirklich zu absoluten Höchstleistungen angetrieben werden kannst.

Im Vorjahr durchbrach Fuchs in Eisenstadt den Rekord von Andi Berger.
Foto: © GEPA

LAOLA1: Mit den erwähnten 10,15 Sekunden hast du letztes Jahr den Uralt-Rekord von Andi Berger aus dem Jahr 1988 eingestellt. Was bedeutet es dir, die Bestmarke einer heimischen Leichtathletik-Ikone einzustellen und später sogar zu brechen?

Fuchs: Das bedeutet mir sehr viel. Aber ich sehe es nicht so, dass ich jetzt so ein überraschender Athlet bin, der plötzlich aufgetaucht ist. Ich war im Nachwuchs schon der schnellste Jugendliche, den es jemals in Österreich gegeben hat. In einer Randsportart wie Leichtathletik geht das halt nicht so hervor. Aber natürlich war es damals schon mein Ziel. Ich habe schon mit 16 Jahren gesagt, dass ich den Rekord brechen möchte. Damals war es halt noch eher ein Gerede. Umso mehr Freude hat es mir dann gemacht, als ich den Rekord wirklich eingestellt habe. Das war für mich davor eigentlich unerreichbar. Dann habe ich aber die Weichen stellen und die Möglichkeiten und Wege finden können, wie man diesen Rekord einstellt. Ich muss ehrlich zugeben, da ist mir ein riesen Brocken von der Seele gefallen, weil ich so lange darauf hingearbeitet habe. Und ich habe wirklich extrem viel geopfert. Deswegen war es eine riesen Erleichterung und eine große Ehre für mich.

LAOLA1: Du hast eben angesprochen, dass es ein Brocken war, diese Marke zu erreichen. Ich kann mir vorstellen, der nächste Brocken könnte sein, die magische Schallmauer von 10 Sekunden zu durchbrechen, der du ja immer näher kommst. Hast du für dich einen Plan, bis wann du diese durchbrechen möchtest?

Fuchs: Ich muss dazu sagen, dass ich an dieser magischen Grenze geschnuppert habe. Deswegen ist das auch gar nicht mehr so ein großer Brocken. Ich bin in einer extrem guten körperlichen und mentalen Verfassung. Ich denke, es ist auf jeden Fall machbar. Sonst hätte ich das auch nie ausgesprochen, wenn ich mir in dieser Sache nicht sicher wäre. Aber es ist keine Sache, die von heute auf morgen geht. Einfach wird es natürlich nicht. Aber ich weiß, dass ich die körperlichen Voraussetzungen habe, das irgendwann zu schaffen. Wann ich das schaffen kann, kann ich aber nicht sagen. Vielleicht auch schon nächstes Jahr, wer weiß. Ich schließe auf jeden Fall nichts aus. Wir auf bauen auf einem 4-Jahres-Plan auf. Das bin ich derzeit im dritten Jahr, nächstes Jahr sind die Olympischen Spiele, wo es wirklich um alles geht. Das ist das Größte, was man in 100 Meter Sprint erreichen kann, dort dabei zu sein. Deswegen werde ich natürlich alles geben, dass ich es vielleicht sogar schon nächstes Jahr schaffen kann.

LAOLA1: In Kürze beginnt die Leichtathletik-WM in Ungarn. Was sind deine Ziele dort?

Fuchs: Die Qualifikation war wirklich "brettlhart". Ich bin sehr stolz auf mich und mein ganzes Team, dass wir überhaupt die Qualifikation geschafft haben. Ich bin einer von nur acht Europäern, die überhaupt bei der Weltmeisterschaft dabei sind. Das ist auch schon ein großes Signal für mich selber. Konkret war mein erstes Ziel das Erreichen der Qualifikation. Irgendwo muss man natürlich auch realistisch bleiben. Im Konzert der ganz Großen spiele ich natürlich noch keine Rolle. Das liegt auf der Hand und hier sollte man auch ganz ehrlich sein. Mein Ziel in Ungarn ist es, die erste Runde zu überstehen. Das ist natürlich kein Kinderspiel, weil auch das wird sehr hart. Aber ich denke, es ist ein faires Ziel, das ich mir selber setzen darf. Mit dieser Einstellung werde ich auch nach Budapest anreisen. Dort möchte ich hundert Prozent geben, damit ich mein nächstes Ziel erreiche und diese Träume verwirklichen kann. Aber was dann im Endeffekt dabei rausschaut, werden wir sehen. Ich denke, dass ich eine Zeit unter 10,20 Sekunden brauche, damit ich auch die erste Runde überstehe. Wir sprechen hier dann doch schon von der absoluten Elite, die sich dort versammelt.

"Ich glaube auch nicht, dass wir in naher Zukunft jemanden haben, der an diese Faszination eines Usain Bolt überhaupt noch herankommen kann."

Markus Fuchs über den Leichtathletik-Superstar.

LAOLA1: Die Jahres-Weltbestleistung liegt derzeit bei 9,83 Sekunden, aufgestellt im Juni vom Briten Zharnel Hughes. Inwiefern rechnest du damit, dass sie bei der WM unterboten wird?

Fuchs: Ich denke, es gibt einige Kandidaten, welche die 9,83 Sekunden sprengen können. Trotzdem sprechen wir von Weltmeisterschaften. Da geht es nicht um irgendwelche Bestleistungen. Es geht darum, am schnellsten zu sein und den Titel zu holen. Darauf werden sich alle konzentrieren. Ich weiß noch nicht, wie sich manche bei 30 Grad wohlfühlen. Da spielen so viele Faktoren mit rein. Aber ich denke trotzdem, um es nochmal auf den Punkt zu bringen, dass diese 9,83 Sekunden bei der WM fallen werden.

LAOLA1: Seit Usain Bolt aufgehört hat, ist das Feld an Favoriten so breit gefächert, wie schon lange nicht mehr. Siehst du das als Aufwertung für euren Sport?

Fuchs: Einen Usain Bolt vermisst man natürlich trotzdem. Er hat unserem Sport sowas von gut getan. Ich glaube, es wird wieder Zeit, dass wir so einen bekommen, der so viel Wirbel um unseren Sport und vor allem auch um den Sprint mit sich bringt. Das ist schon gut. Aber für Meisterschaften generell, denke ich, dass es schon cool ist, dass das Feld eher breit gefächert ist. Dann ist vor Ort noch ein bisschen mehr Aufregung zu spüren und das macht Spaß.

LAOLA1: Wen siehst du als potenziellen Nachfolger für Usain Bolt? Gibt es da Kandidaten aus deiner Sicht?

Fuchs: Da muss ich ehrlich sagen, dazu befasse ich mich zu wenig mit den anderen Athleten. Dazu kann ich eigentlich gar keinen Tipp abgeben. Weil ich wirklich gelernt habe, eher nur auf mich zu schauen. Für mich persönlich ist Bolt eine Ikone, die so einen Status hat, dass es nicht einfach wird, diesen überhaupt noch einmal einzunehmen. Ich glaube auch nicht, dass wir in naher Zukunft jemanden haben, der an diese Faszination eines Usain Bolt überhaupt noch herankommen kann. Aber sag niemals nie.

LAOLA1: Der aktuelle Weltrekord von Bolt über 9,58 Sekunden datiert noch immer aus 2009. Die Jahres-Weltbestleistungen stagnieren derzeit bei um die 9,8. Was sind aus deiner Sicht die Gründe, warum die Zeit in den letzten Jahren kaum nach unten gedrückt werden kann?

Fuchs: Ich denke, genau das ist das Thema: Usain Bolt war einfach eine Sprintsensation. Er hatte einen eigenen Laufstil, er hatte eine eigene Technik, er hatte einen so immensen Laufschritt und so ein Können, dass es in meinen Augen schwierig wird, an so eine Person überhaupt heranzukommen. Für mich persönlich ist das eine Leistung, die wahrscheinlich noch einige Jahrzehnte erhalten bleibt. Es wäre einfach zu beantworten, wenn ich selbst in solchen Dimensionen laufen könnte (lacht). Man kann erst sagen, wie so eine Leistung zustande kommt, wenn man selber einmal in die Nähe davon gekommen ist. Wahrscheinlich wird Usain Bolt genau wissen, wie man eine 9,58 läuft. Aber ob dieses Wissen damals weitergegeben wurde oder er einfach so ein enormes Talent war, können wir alle nicht wissen. Weil wenn es so einfach wäre, hätten die Jamaikaner schon die nächsten fünf Ausnahmeathleten in den Startblöcken. Also muss es irgendwo dann doch an der Person selbst liegen.


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