Im fünften Jahr in der Topklasse wurde er erstmals Weltmeister, gemeinsam mit McLaren-Teamkollegen Alain Prost wurden 15 der 16 Saisonrennen gewonnen – nur Ferrari-Star Gerhard Berger durchbrach in Monza die Siegesserie McLarens in der Saison 1988.
Am trainingsfreien Freitag des Monaco-GP 1989 hatte ich meinen ersten Interviewtermin bei Ayrton, in dessen Appartement über dem alten Hafen von Monaco. Ermöglich hatte das Interview Sennas persönlicher Betreuer Jo Leberer, der Salzburger Physiotherapeut (der nach dem Rücktritt Ende der Vorsaison nun Sauber-Markenbotschafter ist). Ich brachte meinen Kollegen, Fotograf Michael Glöckner, mit.
Als Senna öffnete und Michael sah, meinte er barsch: „Ein Fotograf war nicht ausgemacht.“ Ja, entgegnete ich, aber so ein Interview ohne Foto-Dokumentation, das ginge wohl schlecht. Senna war einsichtig: „Fotos nur auf dem Balkon, nicht in der Wohnung.“ Die waren dann, mit dem Hafen und dem Palast im Hintergrund, ohnedies die besseren.
Die 20 vereinbarten Minuten dauerten eine Dreiviertelstunde. Wir lernten einander kennen. Von da an war Senna für mich fast immer ansprechbar.
Der Mensch Senna
Schon nach dem ersten von vielen folgenden Interviews war klar: Der Mensch Senna ist ganz anders als der Fahrer, sobald er das Visier heruntergeklappt hat. Viel ruhiger als im Cockpit. Mit Senna konnte man über vieles abseits der Formel 1 und des Rennsports sprechen. Er war feinfühlig, hintergründig, überlegt, nie belehrend, aber seine Standpunkte stets betonend.
Senna hatte ein breites Wissen und viele Interessen. Und er änderte sich auch nach den drei WM-Titeln (1988, 1990, 1991) nicht, genauso wenig wie im Kampf gegen überlegene Gegner wie Williams 1992/93. Als Pilot war er brutal, kannte kein Zurückstecken, war risikobereit. Er wollte immer der Beste sein. Fast immer war er es. Unvergesslich seine fahrerischen Highlights. Wie die Regenschlacht in Donington 1993, als er im McLaren mit (Ford-)Kundenmotor sein ganzes Können ausspielte.
Bei den Wintertests Anfang März 1994 in Imola standen wir morgens in der Williams-Box. Sennas Auto war noch nicht einsatzbereit. Er hatte Zeit. Wir plauderten. Was er von der neuen Saison erwartete, wie es ihm im Winter erging, was ich so gemacht hätte. Senna war entspannt. Die „Gefahr“ Michael Schumacher war noch nicht in Sichtweite.
Nicht einmal zwei Monate später, nach zwei Schumacher-Siegen und zwei Senna-Ausfällen, war der Druck in Imola riesengroß. Im Heim-Auftakt der Saison in Interlagos hatte er sich im Finish unter Druck, Schumacher einholen zu wollen, einen der seltenen Fehler geleistet und sich von der Strecke gedreht. Im Pazifik-GP in Aida wurde er Opfer einer Kollision: Er wurde von Mika Häkkinen (McLaren) touchiert, drehte sich und wurde dann von Ferraris Alesi-Ersatzmann Nicola Larini endgültig abgeschossen. Zu alledem vermutete Senna im Benetton von Schumacher seit dieser Saison verbotene Elektronikhilfen. Er war argwöhnisch geworden.
Das Unglück nahm seinen Lauf im San-Marino-GP
Rubens Barrichellos schwerer Freitag-Unfall und Roland Ratzenbergers Todessturz am Samstag ließen Senna zweifeln und fast verzweifeln. Doch er wischte den Rat von Rennarzt Syd Watkins, doch aufzuhören, weil er alles erreicht hätte, vom Tisch.
Was wäre gewesen, hätte Senna Imola 1994 überlebt, ist eine oft gestellte Frage ohne Antwort.
Senna wäre jetzt 64. Hätte vermutlich ein Firmenimperium in Brasilien mit Bezug zur Autoindustrie wie Emerson Fittipaldi. Vielleicht hätte er Nachwuchsfahrer, auch aus der eigenen Familie, unterstützt. Wohl wäre er Markenbotschafter. Und gefragter Gesprächspartner auch für die Generation, die ihn als Fahrer nicht mehr erlebte.