LAOLA1: Vor einem Jahr hattest du in unserem Interview noch eine Außenperspektive auf die Welt von Red Bull. Wie steht es um den Blick ein paar Monate nach der Ankunft?
Peter Bayer: Ich habe einen riesigen Startvorteil genossen, weil Franz Tost sechs Monate neben mir war und sämtliche Türen geöffnet hat. Ab Jänner waren Laurent Mekies und ich dran. Die Herausforderung war zu verstehen, wo wir mit unserem Auto stehen. Was fehlt uns? Wo müssen wir ansetzen? Die Vorlaufzeit zum ersten Rennen war davon geprägt, die Kultur im Team zu erneuern. Auf Englisch sagen wir: "No blame, no bullshit, performance obsessed". Auf die Performance konzentrieren, ausblenden, was rundherum passiert. Bei Fehlern versuchen, es gemeinsam besser zu machen. Dieser Spirit greift gerade im Team um sich und hat uns erlaubt, als derzeit WM-Sechster erfolgreicher als erwartet zu starten.
LAOLA1: Der Output stimmt dich also zufrieden. Die Verzahnung mit Red Bull Racing soll ja stärker werden. Muss dann nicht das Potenzial für noch höhere Ansprüche da sein?
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Bayer: Die Zielsetzung der neuen Eigentümer war ganz klar: sportlich und kommerziell erfolgreich zu sein, gleichzeitig als Fahrer-Entwicklungsteam eine konkrete Aufgabe für Red Bull Racing zu erfüllen. Das alles gleichzeitig mit einer eigenen Identität, die wir mit dem neuen Namen erschaffen haben. Und schlussendlich das Thema Synergien, die wir im Rahmen der FIA-Regeln etwa auf technischer Seite eingehen dürfen. Das funktioniert, aber dauert natürlich. Es gibt verschiedene andere Themen, in denen es Fortschritte geben wird. Mittel- und langfristig glaube ich, dass der fünfte Platz unter all diesen Umständen möglich sein wird.
LAOLA1: In den letzten Tagen gab es Schlagzeilen rund um eure Fahrersituation, mit denen Helmut Marko Daniel Ricciardo unter Druck gesetzt hat. Angesichts des eigenen Ziels, ein Fahrerentwicklungs-Team zu sein: Muss jetzt nicht eigentlich Liam Lawson ins Auto gesetzt werden? Zumal er eine Ausstiegsklausel hat, sollte er 2025 in keinem Red-Bull-Auto Renneinsätze bekommen.
Bayer: Nein, da war Helmut relativ klar. "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer" - oder sowas in die Richtung hat er gesagt. Aber Yuki hat einen riesigen Schritt gemacht. Letztes Jahr war er noch kein Haudegen, jetzt hat er sich aus dieser Teenager-Trotz-Phase in einen fokussierten, jungen Rennfahrer entwickelt. Die Zeit war noch nicht reif, aber wenn er so weiterfährt, empfiehlt er sich für Größeres.
LAOLA1: Anfang des Jahres hat euer Re-Branding für negative Emotionen gesorgt. "Visa Cash App RB" - viele Fans haben sich gefragt, was das soll. War das retrospektiv die richtige Entscheidung?
Bayer: Jeder Anfang ist schwer. Es gab wahnsinnig viele Meinungen der Fans. Das haben wir auch bei anderen Teams in der Vergangenheit gesehen: Bei einem neuen Namen gibt es im Normalfall viel Ablehnung. Mit diesem Schritt haben wir schon neue Territorien für die Formel 1 in puncto kommerzieller Entwicklung geöffnet. Gleichzeitig haben wir bewusst großes Augenmerk auf das Design des Autos gelegt. Mit der Lackierung ist von der Kritik viel verschwunden. Es war wichtig für uns, diesen optischen Auftritt hinzulegen. Und ich glaube, dass wir auch im Sinne der Performance gezeigt haben, dass wir es ernst meinen, hinter RB die Racing Bulls stehen, dass eine Identität für das Team in Italien genau wie für die Fans da ist. Der Prozess war schwierig, aber ich glaube, dass wir uns mittelfristig gut aus dieser Affäre gezogen haben, indem wir Augenmerk auf Design, Content, Tätigkeiten der Fahrer und unsere Außendarstellung als Team gelegt haben. Das hat mittlerweile Oberhand.
LAOLA1: Stichwort Identifikation. Bei keinem anderen Team ist es so schwer festzustellen: Seid ihr ein österreichisches Team? Ein italienisches? Ein englisches? Wie viel Heim-GP ist das Rennen in Österreich nicht nur für dich, sondern die ganze Truppe?
Bayer: Für mich zu 100 Prozent, aus mehreren Gründen. Die Gegend hier ist ganz stark mit meiner Passion für die Formel 1 verbunden, mit dem Zeltweg-Rennen von Niki Lauda 1984. Das ging weiter als österreichischer Fan des Sports, aber auch der Marke Red Bull. Unsere Eigentümer sitzen hier und dementsprechend fühlen wir uns immer sehr wohl. Auf dem Papier ist unsere Lizenz eine italienische, weil damals das Minardi-Team übernommen wurde. Und die Lizenz zu ändern ist ein relativ komplexer Prozess, daher blieb es dabei. Ich habe auch einmal gehört, dass Herr Mateschitz sehr stolz darauf war, ein italienisches Team, eine Scuderia zu besitzen. Das war ihm extrem wichtig, hat mir Franz Tost erzählt. Österreich ist definitiv eines, wenn nicht das Lieblingsrennen im gesamten Team, wegen der Gastfreundschaft, der Strecke, der gesamten Anlage und auch der Wiener Schnitzel fühlen wir uns hier extrem wohl.