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Neo-Teamboss Peter Bayer: Die Zukunftsvision für AlphaTauri

Ein neuer Österreicher steht an der Spitze des Zweitteams. Er erklärt, wo die Teams künftig zusammenwachsen sollen und wie es um Red Bulls Motorsport steht.

Neo-Teamboss Peter Bayer: Die Zukunftsvision für AlphaTauri Foto: © getty

Nach 17 Jahren an der Spitze der Scuderia AlphaTauri bzw. Toro Rosso dankt Franz Tost am Ende des Formel-1-Jahres ab.

Der Österreicher-Anteil in den Führungsriegen bleibt aber ident, denn mit Peter Bayer rückt gleich der nächste nach. Der Vorarlberger teilt sich als CEO die Aufgaben dann mit Laurent Mekies, der Teamchef wird.

Und der 51-Jährige bringt vielfältigste Erfahrung mit: Er war Generalsekretär der Olympischen Winter-Jugendspiele und bei verschiedenen Hochseesegel-Projekten inklusive des America's Cup involviert.

Ab 2017 war Bayer für die FIA tätig und kennt damit das Formel-1-Geschäft sehr genau. Erst als Sport-Generalsekretär, ab 2021 bis zu seinem Ausstieg 2022 als Exekutivdirektor der Formel 1, 2, 3 und 4.

Im LAOLA1-Interview erklärt Bayer, wie sich die Rolle des Zweitteams von Red Bull und die Synergien mit der "großen Schwester" künftig ausformen sollen, ob Red Bull Wert auf einen österreichischen Fahrer legt und welche Bedeutung der Motorsport unter den neuen Konzernbossen überhaupt noch hat.

LAOLA1: In Zukunft soll AlphaTauri die Synergie-Effekte mit Red Bull Racing stärker nutzen. In welchem Bereich ist das möglich?

Peter Bayer: Es gibt ein relativ ein klares Reglement der FIA, was erlaubt ist, an Teilen zu kaufen. Der nächste Schritt wird sein, das voll auszunutzen. Da geht es etwa um die Vorderradaufhängung, die aktuell ein zentrales Element ist, Hinterradaufhängung, Gearbox. Da müssen wir unser Team und unsere Infrastruktur umstellen. Wir werden weniger Designer für diese Teile brauchen, dafür Leute, die sich um die richtige Integration kümmern. Die Vision ist, dass wir uns im technischen Bereich maximal an dieses Weltmeister-Team annähern und inspirieren lassen.

LAOLA1: Für diese Teile muss man dann quasi eine Rechnung stellen.

Bayer: Genau. Die FIA hat ein System entwickelt - das war meine Idee damals, danke Peter (lacht) - auf dem Konzept von "Motional Value". Das heißt: Für diese Teile gibt es eine Preisliste, in dem gibt es einen Aufschlag für angenommene Entwicklungskosten. Damit wollten wir vermeiden, dass Teams Teile entwickeln und hin- und hertauschen, wie sie es brauchen. Wie wir diese Teile dann ins Auto einbauen und das aerodynamische Konzept rundherum entwickeln, ist zu 100 Prozent unsere Aufgabe. Da dürfen wir uns mit Red Bull Racing auch nicht darüber unterhalten.

Die Formel 1 ist einfach die absolute Spitze des Motorsports. Da hinzukommen, ist ein langer, kostspieliger Weg voller Entbehrungen. Da fahren die Besten. Ich kann nichts an Performance einbüßen, nur damit jemand aus dem Heimatland fährt.

Über einen österreichischen Fahrer

LAOLA1: Auch, wenn das Auto damit keine Red-Bull-Kopie sein kann, werden diese Teile einen Fortschritt bedeuten, wenn sie richtig implementiert werden.

Bayer: Genau. Ein Erfolgsbaustein von Red Bull Racing ist der Unterboden, der uns nichts angeht. Aber der zweite Erfolgsbaustein sind die Aufhängungen. Da dürfen wir als AlphaTauri diese Teile aus dem jetzigen Jahr kaufen und nächstes Jahr verwenden. Wenn man sieht, wie schnell sie jetzt sind... heißt das, dass wir zumindest den Schritt ins Mittelfeld schaffen müssen. Das ist ganz klar unser Ziel.

LAOLA1: Auch abseits des technischen Bereichs sollen die Teams zusammenwachsen.

Bayer: Das andere Thema ist der kommerzielle Bereich. Auf globalem Niveau Sponsoren zu suchen, ist ein unglaublich aufwendiges und personalintensives Thema. Red Bulls Commercial-Abteilung in Milton Keynes umfasst etwa 90 Mitarbeiter. Wir haben mit allen Bereichen, inklusive Kommunikation und so weiter etwa 25 Personen. Sie haben große Agenturen, die sie weltweit unterstützen. Auf diese Agenturen könnten wir über die Red-Bull-Familie auch Zugriff erhalten und Märkte aktivieren, auf die bislang nur Red Bull Racing Zugriff hatte. Wir suchen in allen erlaubten Bereichen die Synergien, wollen alles unter einem Dach zusammenführen, optimieren und uns gegenseitig unterstützen. In der Kommunikation machen wir das ja schon, etwa mit diesem "verrückten Rennen">>>.

LAOLA1: Ein Teil des Teams soll auch nach England übersiedeln. Was sind die Überlegungen?

Bayer: Wir haben aktuell 120 Mitarbeiter in England, alle im technischen Bereich. Den müssen wir ausbauen, darum werden neue Mitarbeiter in England angesiedelt. Aber alles andere bleibt in Italien, die Produktion und der Zusammenbau des Autos, die Finanzabteilung - kurz: Das Headquarter bleibt in Faenza. Wir wollen in den nächsten drei Jahren in England also ein Performance-Center aufbauen.

LAOLA1: Welche Rolle spielt bei alldem die Budgetgrenze?

Bayer: Bereiche wie Marketing sind vom Cost Cap ausgenommen. Da sind wir in sehr enger Abstimmung mit der FIA. Da hilft auch meine Erfahrung, der quasi von der "Polizei" kommend auf die andere Seite gewechselt ist. Daher kenne ich das Framework sehr genau. Logischerweise ist es wichtig im Sinne der Transparenz und des Gerechtigkeitsdenkens, dass alles, was wir tun, hundertprozentig legal ist. Aber dafür werden wir sicher sorgen.

Franz Tost verabschiedet sich
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LAOLA1: Die neuen Red-Bull-Bosse haben dem Vernehmen nach einen anderen Zugang zum Motorsport. Wie gehen sie tatsächlich an das Thema heran?

Bayer: Über die Vergangenheit kann ich wenig sagen. Der Markenwert, den Motorsport und insbesondere die Formel 1 für Red Bull erzeugen, ist enorm. Ein Riesenanteil an der globalen Werbeleistung. Und es gibt Studien, dass wir mit der Formel 1 auch den Dosenverkauf antreiben. Dementsprechend gibt es Begeisterung und Unterstützung dafür. Die beiden Besitzer stehen zu hundert Prozent dahinter. Am Ende des Tages kostet diese globale Werbung relativ wenig im Vergleich zum Output. Untersuchungen haben ergeben, dass die drei Top-Teams der Formel 1 allein jährlich einen Werbewert von etwa drei Milliarden Euro pro Jahr erzeugen. Da kann man sich ausrechnen, warum das für eine Marke Sinn macht. Abgesehen davon: Die Emotionen, die derzeit herrschen, der aktuelle Boom der Formel 1, der neue, junge und auch weibliche Zielgruppen anspricht - eine bessere Plattform für eine Marke gibt es eigentlich nicht.

LAOLA1: Der neue Name für das Team wird aktuell gesucht. Was lässt sich dazu sagen?

Bayer: Ins Detail zu gehen, ist schwierig. Die Gespräche laufen aktuell und wir sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aber wir möchten für das Team eine eigene starke Identität mit Werten entwickeln, die es uns erlauben, das Team zu positionieren. Und Partnern erlaubt, sich damit zu identifizieren und zu engagieren.

LAOLA1: Auch in Zukunft sollen Fahrer für Red Bull Racing ausgebildet und vorbereitet werden. Warum mussten zuletzt mit Sergio Perez und auch Nyck de Vries Piloten ins Red-Bull-Umfeld geholt werden, die keinen eigenen Nachwuchs-Hintergrund haben?

Bayer: Da müssen wir vielleicht ein bisschen geduldig sein. Die Pyramide, die wir damals bei der FIA gebaut haben, von der Formel 4 bis zur Formel 1 fängt jetzt langsam an, Talente zu produzieren. Was wir aktuell erleben ist eine gewisse Trockenheit am Markt. Die Besten sind jetzt oben, aktuell haben wir nur Spitzenfahrer in der Formel 1. Früher gab es ja auch andere Zustände. Und jetzt müssen wir durch diese Lücke einmal durch. Aber Helmut Marko hat mir seine Analyse gezeigt. Wir haben aktuell durchaus einige Topfahrer in der Formel 2 und Formel 3. Er geht schon sehr tief, der Red-Bull-Talente-Pool. Und ich habe mit unseren Fahrern über den Sprung von der Formel 2 in die Formel 1 gesprochen. Sie meinten, er ist riesig. Ein simpler Aspekt: Eine Formel-2-Saison kostet zwei Millionen Euro pro Fahrer. Die Formel 1, runtergebrochen auf beide Autos, 100 Millionen. Die kommen da an, sitzen auf einmal in einem "Raumschiff" und rundherum sind 19 andere, die im Sinn haben, schneller zu sein.

LAOLA1: Wäre es das Wunsch-Szenario, Yuki Tsunoda zum nächsten Red-Bull-Racing-Fahrer zu machen?

Bayer: Das ist eigentlich Teil unserer Aufgabe. So sollte es sein.

LAOLA1: Was fehlt ihm vielleicht noch?

"Sie sind strukturiert, aber haben einen Teil der italienischen Mentalität und Fröhlichkeit in sich. Ich glaube, dieses organisiert sein, gepaart mit einer gewissen Passion, hilft uns enorm in dem Sport."

Über österreichische Verantwortliche in der F1

Bayer: Das müssen wir Franz (Tost, Anm.) fragen. Ich glaube, dass er auf einem super Weg ist. Der ist physisch top, der ist im Kopf da, der hat den Grund-Speed und alles für einen Top-Fahrer. Jetzt geht es halt logischerweise um die Erfahrung und ums Auto. Deswegen sind wir auch gefordert.

LAOLA1: Inwiefern ist es Red Bull als österreichischer Marke vielleicht ein Anliegen, doch irgendwann wieder einen Österreicher in die Formel 1 zu bringen?

Bayer: Der Fahrer muss gut sein. Welche Nationalität dahinter steht, wird auf die nächsten Jahre noch egal sein. Zum einen denke ich, dass es für ein österreichisches Unternehmen sicherlich wichtig wäre, einen österreichischen Fahrer zu haben. Es würde uns alle wahrscheinlich mit Freude und Stolz erfüllen. Gleichzeitig muss man sehen: Die Formel 1 ist einfach die absolute Spitze des Motorsports. Da hinzukommen, ist ein langer, kostspieliger Weg voller Entbehrungen. Da fahren die Besten. Ich kann nichts an Performance einbüßen, nur damit jemand aus dem Heimatland fährt.

LAOLA1: Auch wenn es aktuell keine österreichischen Fahrer gibt, ist das Land bei den Teamverantwortlichen stark im Geschäft. Sie sind der Nächste in dieser Riege. Warum gibt es diese starke Tradition?

Bayer: Ich glaube ehrlich, dass viel auf die Faszination und die Leidenschaft unserer Väter zurückgeht. Bis in die Zeit von Jochen Rindt. Für mich selbst war es Niki Lauda. Ich kann mich noch erinnern, als ich ihn bei der FIA kennengelernt habe. Da war ich "starstruck", völlig sprachlos. Ich stehe vor Niki Lauda! Und Lindsay Owen-Jones, der ehemalige Vorstandsvorsitzende von 'L'Oreal' und selbst begeisterter Rennfahrer, hat zu mir einmal gesagt: 'Peter, die Österreicher sind die besseren Deutschen'. Ich weiß gar nicht, ob ich das jetzt so sagen soll (lacht). Sie sind strukturiert, aber haben einen Teil der italienischen Mentalität und Fröhlichkeit in sich. Ich glaube, dieses organisiert sein, gepaart mit einer gewissen Passion, hilft uns enorm in dem Sport. Natürlich fängt es an mit Niki, aber auch Toto Wolff hat mit Mercedes Strahlkraft, dann kommt schon bald Red Bull. Die haben den Motorsport weltweit besetzt. In jeder Disziplin, die ich früher betreut habe, war Red Bull in irgendeiner Form dabei. Und das ist ein Begriff, das ist österreichisch. Als Österreicher bin ich extrem stolz, für Red Bull zu arbeiten. Wir haben Didi Mateschitz zu verdanken, dass diese Motorsport-Faszination weiterlebt.

LAOLA1: Wie schauen die nächsten Monate bis zur offiziellen Übergabe des Spitzenpostens für Sie aus?

Bayer: Ich bin der Schatten von Franz. Wir teilen uns das Büro. Ich sitze den ganzen Tag neben ihm, höre und sehe, was er macht. Wenn ich irgendwen noch nicht kenne, stellt er mich vor und bezieht mich sehr aktiv ein. Das sind mindestens 50 Prozent meiner nächsten Monate: Einfach beobachten. Ich kenne ja die teaminternen Abläufe noch nicht so ganz. Wir hocken in jedem Meeting, in jedem Briefing. Von der Reifen- bis zur Strategieplanung schaue ich alles an, um mehr zu verstehen. Die anderen 50 Prozent meiner Zeit gehen zukunftsgerichtet in die Planung all dieser Synergien. Etwa die neue Lokalität in England zu finden, wo wir die neuen Mitarbeiter unterbringen können. Mit dem kommerziellen Bereich und den Sponsoren setze ich mich schon tagtäglich auseinander.

LAOLA1: Wie wird die Arbeitsteilung innerhalb der Doppelspitze mit Laurent Mekies im Endeffekt aussehen?

Bayer: Er macht alles, was das Racing betrifft. Sport, Technik und einen gewissen Teil der Finanzen. Meine Hauptaufgabengebiete werden Strategie, kommerzielle Entwicklung, Marketing, Legal und der Rest der Finanzen sein.

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