Der ÖFB hat sich in den vergangenen Tagen bis auf die Knochen blamiert und in einer Art und Weise der Lächerlichkeit preisgegeben, dass selbst weniger fußballaffines Publikum irritiert den Kopf schüttelt – der Mehrheit der Fußball-Familie blutet ohnehin das Herz.

Der ganze ÖFB? Nein.

Die Mannschaft, Noch-Teamchef Marcel Koller und sein Betreuerstab, aus dem einige Mitglieder ausscheiden werden, haben Charakter bewiesen, in einer schwierigen Situation zwei Siege eingefahren und so manchem Funktionär eine Nachhilfestunde in Sachen Professionalität gegeben.

Diese Spieler verdienen es, dass man nach diesem unwürdigen Theater der vergangenen Tage nicht zur Tagesordnung übergeht, sondern dass es Konsequenzen gibt.

Um es unmissverständlich zu formulieren: Es muss Rücktritte geben.

ÖFB-„Präsident“ Leo Windtner wäre – Konjunktiv – nach all den Geschehnissen in diesem Jahr längst rücktrittsreif, dazu später mehr.

Denn zuerst muss – kein Konjunktiv – Niederösterreichs Landespräsident Johann Gartner seinen Hut nehmen. Das ist in meinen Augen alternativlos.

Und dabei geht es sogar weniger um seinen Wissenschafts-Sager – der ist zwar Bullshit, aber die Meinungsfreiheit in Österreich lässt eben auch kuriose Ansichten zu.

Absolut inakzeptabel ist es jedoch, in der „NÖN“ die Intelligenz mancher Teamspieler in Frage zu stellen. Dies ist skandalös – und dies ist das harmloseste druckreife Wort in dieser Situation.

Wenn es der österreichische Fußball als Ganzes und im Konkreten auch seine „Mitstreiter“ unter den Landespräsidenten unwidersprochen zulassen, dass hier Mitglieder des ÖFB-Teams von einem Funktionär, der eigentlich nichts anderes als das Wohlergehen dieser Mannschaft im Sinn haben sollte, beleidigt und diffamiert werden, sind Hopfen und Malz verloren.

Ich nehme an, Gartner meint mit seiner Kritik Marc Janko, Marko Arnautovic und Julian Baumgartlinger. Hier handelt es sich um ein Trio, das seit vielen Jahren im Ausland lebt, über den Tellerrand Österreichs hinausblickt, im Gegensatz zum Bürgermeister von Ziersdorf schon viel für den rot-weiß-roten Profi-Fußball geleistet hat und auch definitiv intelligent genug ist, um die aktuellen Vorgänge richtig einzuordnen – genauso wie im Jahr 2017 den Wert der Wissenschaft für den Fußball, aber das nur nebenbei.

Aber der Intelligenz-Sager alleine ist es ja nicht. Sein Vorwurf an so manchen seiner Landespräsidenten-Kollegen, sich selbst in den Mittelpunkt stellen zu wollen und sie als „Wichtigtuer, für die es besser wäre, manchmal den Mund zu halten“ abzukanzeln, richtet sich eigentlich von selbst, wenn man am selben Tag drei Interviews mit teils fragwürdigem Inhalt gibt.

Wenn es nicht um so viel gehen würde, wäre es ja beinahe schon belustigend, wie sich so mancher derzeit mit seinen Aussagen sein eigenes Kompetenz-Grab schaufelt - und es sagt ohnehin mehr als 1000 Worte, wie sich die "Landesfürsten" untereinander gerade selbst zerfleischen.

Wer jedoch nicht selbst erkennen will/kann, wie imageschädigend diese Vorgehensweise ist, dem muss geholfen werden. Es ist Zeit zu gehen, Herr Gartner, es ist besser so. In Ihrem eigenen Interesse und vor allem im Interesse des österreichischen Fußballs!

Aber auch die Herren Landespräsidenten Herbert Hübel (Salzburg), Josef Geisler (Tirol), Robert Sedlacek (Wien) und Gerhard Milletich (Burgenland), die dem Vernehmen nach bei der inzwischen legendären Präsidiumssitzung am Samstag für den konzeptlosen Peter Schöttel als Sportdirektor gestimmt haben, müssen – kein Konjunktiv – in sich gehen und sich die Frage stellen, ob den Profi-Fußball betreffende Entscheidungen nicht eine Hausnummer zu groß für sie sind – und hier reden wir von der Spitze des heimischen Profi-Fußballs.

Die Umstände dieser Entscheidung sind bestens dokumentiert, müssen hier also nicht nochmals aufgerollt werden, auch auf die denkbaren Motive kann sich jeder inzwischen seinen eigenen Reim machen.

An dieser Stelle bietet es sich für jene, die ihn versäumt haben, an, sich den Beitrag der ORF-Kollegen in „Sport am Sonntag“ zu Gemüte zu führen. Möge, nur als Beispiel, jeder für sich selbst darüber urteilen, ob er Aussagen wie Auftreten von Hübel als arrogant empfindet oder nicht.

Um es auf den Punkt zu bringen: Sehr geehrte Herren, ihr hattet in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten einen erheblichen Anteil daran, den ÖFB in ein Chaos zu stürzen, wie es selbst die größten Pessimisten kaum für möglich gehalten hätten.

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Selbst wenn dies nicht, wie manche vermuten, ein seit längerer Zeit eingefädelter Plan gewesen sein sollte: Diese Personalrochaden sind derart aus dem Ruder gelaufen, dass es eigentlich nicht ohne (persönliche) Konsequenzen, sprich diverse Rücktritte, bleiben kann.

Eigentlich. Als gelerntem Fußball-Österreicher ist mir natürlich klar, dass genau gar nichts passieren wird und es nicht so schnell die Chance auf einen echten Neustart gibt.

Eine Rücktrittskultur pflegen im ÖFB leider nur Spieler. Freiwillig wird sich so mancher Sesselkleber nicht zurückziehen (es sollte sich zumindest bei den nächsten Wahlen des Landespräsidenten in den jeweiligen Bundesländern jeder Wahlberechtigte seine Gedanken machen, wie sehr ihm das Vorgehen „seines“ Präsidenten gefällt).

Und genau deshalb sind die konstruktiven Kräfte in Fußball-Österreich gefordert, die mit den Entscheidungsprozessen im ÖFB keine Freude haben. Schweigen bedeutet hier Zustimmung.

Und dieser Hinweis richtet sich an jeden, den die Angst plagt, dass im ÖFB die Aufbauarbeit der vergangenen sechs Jahre durch die Rückkehr zu Freunderlwirtschaft und Verhaberung gefährdet ist – egal ob prominent oder nicht prominent.

Jetzt ist es nicht die Zeit, es allen recht zu machen. Auch prominente Vertreter der Fußball-Szene, etwa aus der Bundesliga, sollten sich in dieser Frage nicht in Diplomatie üben, sondern Farbe bekennen.

Öffentlicher Druck bewirkt bisweilen Wunder.

Und es ist auch keinem Fan verboten, dem Landespräsidenten seines „Vertrauens“ auf ruhige und konstruktive Art und Weise die Frage zu stellen, warum er sich so positioniert, wie er sich positioniert – manchmal lassen sich diese volksnahen Herrschaften ja gerne bei Stammtischen blicken.

Vor der abgelaufenen Länderspiel-Woche kannten wohl nur Insider die besagten Herrschaften, inzwischen ist so mancher Landespräsident eine kleine Berühmtheit – dem einen oder anderen werden diese „15 days of fame“ wahrscheinlich sogar gefallen, andere scheinen lieber aus der Deckung heraus zu agieren.

Wobei ausdrücklich darauf hingewiesen sei: Es ist grundfalsch, alle Landespräsidenten in einen Topf zu werfen. Die Vertreter aus Vorarlberg, Oberösterreich, der Steiermark und Kärnten haben für Ruttensteiner gestimmt. Wenn nicht OÖ-Vertreter Gerhard Götschhofer – zu spät – gerade Klartext redet, hört man von ihnen nur wenig. Zu wenig.

Aber es ist gut zu wissen, dass es in diesem Gremium Kräfte gibt, die nicht bei jedem Machtspielchen mitmachen.

Eine Herangehensweise, die man den Bundesliga-Vertretern nicht attestieren kann. Hans Rinner, Markus Kraetschmer und Erwin Fuchs haben geschlossen für Schöttel votiert und waren somit letztlich das Zünglein an der Waage.

Dass die Bundesliga als Vertreter des Profi-Fußballs an Entscheidungsprozessen im ÖFB beteiligt ist, macht natürlich trotzdem Sinn.

Dennoch konnten in den vergangenen Tagen selbst die ÖFB-Granden nicht verhehlen, dass man die Kompetenz der Entscheidungsträger in Frage stellen kann. Und dies ist ein unzumutbarer Zustand – schließlich ist es das Mindeste, was man verlangen kann, dass über das Wohlergehen des ÖFB und speziell des Nationalteams Leute entscheiden, die etwas von Profi-Fußball verstehen.

Da ich nicht davon ausgehe, dass der ÖFB derzeit in der Lage ist, von innen heraus einen Reformprozess dieser offenkundig völlig falsch aufgesetzten Struktur zu starten, darf die Öffentlichkeit nicht müde werden, auf diese Fehler hinzuweisen.

Als jemand, der den mancherorts sehr unkritischen Umgang mit der Teamchef-Ära von Didi Constantini hautnah miterlebt hat, empfinde ich die breite Front der medialen Ablehnung gegen die aktuellen Vorgänge so gesehen definitiv als Fortschritt. Die Koller-Ära hat die Messlatte in Sachen Professionalität für alle Beteiligten höher gelegt, Seilschaften werden inzwischen weniger akzeptiert.

Einige lesenswerte Beispiele: Die „OÖN“ zeigen die „Task Farce“ auf, Christian Hackl vernichtet den ÖFB im „Standard“ nach allen Regeln der schreiberischen Kunst und ortet, dass jeder Goldhamsterzüchterverband professioneller geführt werde. Die „Kleine Zeitung“ zeigt auf, dass die Gewichtungen gegen Ruttensteiner schon lange vorher feststanden. "90minuten" listet auf, warum der ÖFB wieder im 20. Jahrhundert angekommen ist.

Besonders gratulieren muss man Gerald Gossmann, der im „Profil“ jene beiden Sätze niederschrieb, die das aktuelle Dilemma am besten auf den Punkt bringen. Angesichts der nicht gerade hoffnungslosen sportlichen Situation meint er:

„Es würde ein paar Spachtelarbeiten benötigen, derzeit wird aber das Haus niedergerissen. Anstatt zarte Ausbesserungen vorzunehmen, wird mit dem Vorschlaghammer hantiert.“

Womit wir bei jenem Herren wären, der dies alles zulässt. Dem „Präsidenten“.

Es ist geradezu grotesk, dass sich Leo Windtner von oben bereits angesprochenen Gartner in der „Krone“ folgendes ausrichten lassen muss.

„Beppo Mauhart hätte sich von seinen Gremien nicht so viel gefallen lassen wie Leo Windtner. Ein Schiff kann nur einen Kapitän haben.“

Um in der auch von Windtner bemühten Schifffahrtssprache (Stichworte: „Raue See“) zu bleiben: Irgendwie unlustig, wenn man sich das als Kapitän von seinem eigenen „Matrosen“, der offenkundig in die andere Richtung rudert, anhören muss.

Aber in diesem Punkt hat Gartner nicht einmal unrecht. Windtners Schmerzgrenze müsste längst überschritten sein.

Schon im Juni habe ich an dieser Stelle angesichts der Posse rund um seine Wiederwahl die Frage gestellt: „Warum tut sich Windtner das an?“ Liest man diese Zeilen mit einigen Monaten Abstand, ist es geradezu erschreckend, wie vorhersehbar manches war.

Man sollte Windtners Verdienste nicht unterschätzen. Er ist immer noch der ÖFB-Boss, unter dem die Bestellung von Marcel Koller möglich war – gerade damals alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Vom einstigen Triumvirat Koller/Ruttensteiner/Windtner ist jedoch nur noch Letzterer übrig – und, mit Verlaub, jener, der am wenigsten für den sportlichen Aufschwung kann.

Nun muss der Oberösterreicher fürchterlich hilflos wirkend mitanschauen, wie gegen seinen Willen viele Errungenschaften, an denen er beteiligt war, ernsthaft in Gefahr geraten.

Aber angesichts der Zugeständnisse, die er akzeptiert hat, um an der Macht zu bleiben, kann man nur attestieren, dass Karma halt manchmal tatsächlich a bitch ist.

Also ja, natürlich ist - kein Konjunktiv - Windtner längst rücktrittsreif. Er wäre gut beraten, sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen, bevor der persönliche Gesichtsverlust noch größer wird.

Mir fiele nur ein vernünftiger Grund ein, warum es doch Sinn machen könnte, dass er vorerst im Amt bleibt – und zwar die Frage des Nachfolgers.

Dass angesichts des weiter verschärften Chaos, das ein Windtner-Abgang bedeuten würde, der eine oder andere Landespräsident auf die Idee kommen könnte, nach dem ehemaligen Generaldirektor Alfred Ludwig als „Retter der Fußball-Nation“ zu rufen, ist ob des sicherlich unumstößlichen Entschlusses vom „Gigi“, in Pension zu bleiben, tendenziell nur ein haltloses Gerücht. Aber was, wenn nicht?

Aber selbst wenn Ludwig weiter seine Rente genießt, wäre angesichts der aktuellen Machtverhältnisse im ÖFB-Präsidium bezüglich Präsidenten-Wahl das Schlimmste zu befürchten.

Und ob, sagen wir ein Präsident Hübel oder ein Präsident Geisler, der Weisheit letzter Schluss wären? Alleine diese Vorstellung stimmt einen irgendwie traurig.


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