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ÖFB-Kader - ein Luxusproblem vor der EURO 2020?

Mit dieser Kaderbreite hat ÖFB nicht gerechnet. Qual der Wahl, aber auch Stolz bei Foda.

ÖFB-Kader - ein Luxusproblem vor der EURO 2020? Foto: © GEPA

Wer hätte vor einigen Monaten noch mit dem ÖFB-Team in dieser Form gerechnet?

Stefan Posch, Konrad Laimer, Christopher Trimmel - um nur einige Beispiele zu nennen. Spieler, die ihre Chance genützt haben und sich nun zum erweiterten Stamm von Teamchef Franco Foda zählen dürfen.

Das Repertoire an möglichen Alternativen ist in dieser EM-Qualifikation rapide in die Höhe geschossen. Plötzlich verfügt Österreich über eine Kaderbreite, die - wenn alle mal fit sind - große Sprünge zulässt und selbst im Fall von Verletzungen - wie es gegen Slowenien der Fall war - kein Kopfzerbrechen auslöst.

Ein Luxus, der viel wert sein kann, wenn man einen Ausblick auf die EURO 2020 wagt - obwohl noch ein Punkt für das fixe Ticket eingefahren werden muss. Die Qual der Wahl wird jedoch auch für schwierige Entscheidungen sorgen, wer den Cut schafft und wer nicht.

Trotzdem löst die Tatsache, wie gut die rot-weiß-rote Auswahl derzeit in der Breite aufgestellt ist Jubelstürme bei ÖFB-Präsident Leo Windtner aus: "Das ist die Erkenntnis dieser Qualifikation überhaupt. Und wenn man gesehen hat, wie die U21 trotz mehrerer Ausfälle - weil einige zum A-Team befördert wurden - gegen die Türkei souverän gewonnen hat, dann macht uns das schon einigermaßen zuversichtlich und stolz, weil hier einiges nachkommt, womit wir in dieser Breite nicht gerechnet haben."

Ein Ringen um den 23-Mann-Kader für die EM

Sehr wohl damit rechnen muss man, dass noch einige Spieler zurückkehren und so die Konkurrenz immer größer wird und die Qualität heben sollte.

Gegen Slowenien fehlte Marko Arnautovic, den kompletten Lehrgang verpassten David Alaba, Stefan Lainer, Florian Grillitsch und Philipp Lienhart - großteils Stammkräfte sofern sie von Verletzungen verschont bleiben.

Und auf lange Sicht gesehen werden auch gerade im Hinblick auf die EM-Endrunde auch die Pechvögel Xaver Schlager, Hannes Wolf sowie der lange rekonvaleszente Alessandro Schöpf wieder dabei sein.

Aus diesem Potpourri an international erfahrenen Top-Spielern, Bundesliga-Routiniers und jungen Wilden gilt es die richtige Mischung zu finden und die richtige Auswahl zu treffen. Denn im EM-Kader haben nicht mehr als 23 Spieler Platz - das ist auch Foda bewusst.

Foda hält ganzen Kader bei Laune - nicht nur die erste Elf

Die Auswahl wird er wohl aus einem "größeren Pool von 30, 40, 50 Spielern" treffen müssen, wie der Teamchef selbst zugibt. Schon jetzt blickt der 53-jährige Deutsche frohen Mutes, aber doch mit dem Wissen im Hinterkopf, Spieler dann enttäuschen zu müssen, in die Zukunft.

"Das sind die unangenehmen Situationen eines Trainers. Alle Spieler, die wir nominieren und auch dieses Mal im Kader waren – die kommen alle mit der Intention, von Beginn an spielen zu wollen. Sie haben ja alle die Qualität, spielen in ihren Vereinen gut. Und da ist es halt wichitg, dass du auch mit den Spielern kommunizierst und ihnen vermittelst, warum ich diese Entscheidungen treffe", erklärt Foda seine Herangehensweise.

Diese zeigt bisher Erfolg, denn auch nach den Auftaktniederlagen in der Qualifikation setzte man sich zusammen und fand eine Lösung, gemeinsam erfolgreich zu sein, was sich in den letzten sechs Spielen auch in den Ergebnissen widerspiegelte.

"Man sieht einfach, dass wir jetzt ein Team sind. Wir haben einen guten Teamgeist innerhalb der Gruppe. Jeder ist bereit auch für die Mitspieler Opfer zu bringen und nur so kannst du erfolgreich sein. Du gewinnst keine Qualifikation nur mit elf Spielern, sondern du benötigst alle Spieler – das wissen auch unsere Spieler, wir haben großes Vertrauen in alle. Klar, irgendwann gibt es schwierige Entscheidungen zu treffen, aber das gehört halt zum Trainerjob auch dazu", ergänzt Foda.

Foda: "Sie haben unser absolutes Vertrauen"

Positiv in der derzeitigen Situation ist, dass alle Spieler gerne zum Team kommen und eine positive Atmosphäre herrscht. Zudem haben sich einst weniger zur Geltung gekommene Spieler enorm weiterentwickelt und Führungspositionen eingenommen.

Andere wiedeurm haben Ausfälle vergessen machen können, weil sie sich nahtlos in Fodas System eingegliedert haben und mit ihren Leistungen überzeugt haben. Gegen Slowenien kam das Team durch ein starkes Kollektiv zum Sieg - auch ohne Arnautovic oder Alaba.

"Ich habe schon gewusst, dass wir Ausfälle verkraften können, aber Fakt ist auch, dass Spieler wie Marko, David oder Stefan Lainer schon wichtige Bestandteile unserer Mannschaft sind. Sie können die Mannschaft noch besser machen", unterstreicht Foda jedoch demonstrativ, wie wichtig diese Charaktere für das Team sein können.

"Aber für mich war es schon wichtig zu sehen, dass wir Ausfälle kompensieren können und deshalb habe ich immer betont, dass es wichtig ist, dass man alle Spieler in so einer Qualifikationsrunde benötigt. Nicht nur die elf, die spielen, sondern ein großer Kader mit 30 Spielern – jeder wird gebraucht. Und das haben dann auch die Spieler bestätigt mit ihren Leistungen. Wir geben allen Spielern das Vertrauen, auch jenen die derzeit in ihren Vereinen vielleicht nicht so zum Zuge kommen. Sie haben unser absolutes Vertrauen und das geben sie uns auch auf dem Platz zurück."

"Angenehmer, als Spieler dazuzunehmen, die nicht die Qualität haben"

Der entthronten Nummer 1 Heinz Lindner wurde nicht die fehlende Spielpraxis zum Verhängnis, sondern die Tatsache, dass er zuletzt keinen Klub hatte. Nun als Rückhalt von Wehen-Wiesbaden in der zweiten deutschen Bundesliga ist aber auch sein Comeback nicht ausgeschlossen.

Dass der Spielrhythmus kein entscheidender Faktor sein muss, beweisen die regelmäßigen Einsätze von Valentino Lazaro, der bei Inter Mailand noch nicht wie gewünscht zum Zug kommt, oder Stefan Ilsanker, der bei RB Leipzig schon mehr gespielt hat.

So wie ÖFB-Präsident Leo Windtner ist natürlich auch Sportdirektor Peter Schöttel zufrieden mit dieser Ausgangsposition, die Österreich in den kommenden Jahren viele neue Möglichkeiten eröffnen sollte. Mitleid für den Teamchef, eine Wahl treffen zu müssen, hat er freilich nicht.

"Das gehört auch zur Trainerarbeit dazu. Wir sind froh, dass der Teamchef aus vielen guten Spielern wählen kann. Es ist sicher die angenehmere Geschichte als wenn wir nur zehn, zwölf Gute hätten und dann sehr viele dazunehmen müssten, die nicht über die Qualität verfügen. Es ist natürlich eine schwierige Geschichte, den Burschen ist es natürlich auch bewusst, dass der Kader groß ist. Aber das wird ganz sicher leistungsfördernd sein", ist der Ex-Internationale überzeugt.

Schöttel: "Habe selten so eine entschlossene Mannschaft gesehen"

Neben der großen Auswahl könnte die plötzlich vorherrschende Reife im ÖFB-Team ein Plus in Hinsicht auf ein Großereignis wie die EM 2020 sein. Denn der letzte Besuch in Frankreich 2016 war schlussendlich nicht von Erfolg gekrönt - dafür gab es viele Gründe, die fehlende Reife hat aber mit Sicherheit auch eine Rolle gespielt.

Vor allem im Spiel gegen Slowenien merkte man der teils noch sehr jungen Truppe eine unglaubliche Abgeklärtheit an, die auch von allen Seiten gelobt wurde. "Ich habe selten so eine entschlossene Mannschaft gesehen, die einfach die Weichen für die Europameisterschaft stellen wollte", erklärt Schöttel, der in seiner aktiven und Karriere danach doch schon einiges erlebt hat. "Es war sehr beeindruckend für mich, vom Start weg zu sehen, wie entschlossen die Mannschaft ist, wie sie dem Gegner vom Start weg gezeigt hat, wie schwierig es gegen uns wird."

Auch Neulinge wie Stefan Posch strahlten eine derartige Souveränität aus, die natürlich auch auf die Erfahrungen mit Hoffenheim in einer Top-Liga wie der deutschen Bundesliga zurückzuführen sind. Schon zuletzt gegen Bayern hatte etwa Präsident Windtner erleben dürfen, "wie unwahrscheinlich abgeklärt Stefan spielt".

Reife im Team? "Es überrascht mich nicht"

Für große Lobeshymnen ist es zu früh, doch die Richtung und die Mischung scheint zu stimmen. Überrascht ist Schöttel von der Reife im Team ohnehin nicht:

"Es überrascht mich nicht, aber es freut mich zuzuschauen. In Wahrheit haben wir die Qualifikation nach dem Niederlagenstart fast in sechs von zehn Spielen geschafft. Das spricht schon dafür, dass die Mannschaft, der Trainer und das Betreuerteam ruhig geblieben sind, die richtigen Schlüsse gezogen haben und mit einer enormen Entschlossenheit ans Werk gegangen sind."

Sollte die Quali-Party gegen Nordmazedonien endgültig gefeiert werden, stehen richtungsweisende Entscheidungen an. Denn dann hat Foda wirklich die Qual der Wahl, wer ihn zur EM-Endrunde begleiten darf.

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