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"Es heißt nicht mehr: Warum der Gregoritsch?"

Michael Gregoritsch erklärt, was er verändert hat, um wieder durchstarten zu können.

Foto: © GEPA

Auf gewisse Art und Weise sei die Situation zwischen dem SC Freiburg und dem österreichischen Nationalteam schon vergleichbar - zwei Überraschungsteams, die höher eingeschätzten Mannschaften das Leben schwer machen.

"Trotz allem sind wir der David, also quasi die Gallier", grinst Michael Gregoritsch vor dem Kräftemessen mit Weltmeister Frankreich in der UEFA Nations League, in dem das ÖFB-Team mit einem Sensationssieg in Paris den Klassenerhalt schaffen könnte.

Ganz ohne Zaubertrank präsentiert sich der Stürmer davor in Bestform - einerseits psychisch dank des beim Verein getankten Selbstvertrauens, andererseits auch körperlich.

Gregoritsch hat an Muskeln zugelegt. 91 Kilogramm beträgt das neue Kampfgewicht statt zuvor 85.

Das Spiel verändert

"Ich habe mein Spiel ein bisschen verändert", erzählt der Steirer, "auch von der Position her, ich bin von hinter den Spitzen ganz nach vorne gewandert. Ich habe ein wenig zugenommen, bin mit dem Rücken zum Tor besser geworden und habe mich auf meine größten Stärken beschränkt, und die sind nun mal im Sechzehner. Zudem habe ich Gott sei Dank gelernt, besser anzulaufen und den Gegner so gut wie möglich unter Druck zu setzen, was im heutigen Fußball sehr wichtig ist."

Nachdem man "Gregerl" zwischenzeitlich ein hartnäckiges Karriere-Tief unterstellen konnte, präsentiert er sich im Kalenderjahr 2022 wieder von seiner treffsicheren Seite.

Es fühlt sich einfacher an

Dies hilft auch dem Selbstverständnis im Nationalteam. Derzeit sei mehr Grundvertrauen der rot-weiß-roten Fußball-Öffentlichkeit zu spüren:

"Es fühlt sich natürlich einfacher an, wenn es nicht heißt: Warum der Gregoritsch? Es ist besser, wenn man herkommt und es heißt, er hat es sich verdient und ist wahrscheinlich sogar eine Option, um zu spielen. Ich habe immer gewusst, dass ich eine gewisse Berechtigung habe, dabei zu sein - ob es immer hundertprozentig richtig und fair war, weiß ich nicht."

"Vor fünf Jahren habe ich zum Beispiel nicht persönlich abgesagt in Freiburg, sondern habe das über meinen Berater gemacht."

Michael Gregoritsch

Aber er habe natürlich stets beweisen wollen, dass es richtig ist. Dies ist auch immer wieder gelungen, beispielsweise mit dem Treffer beim EURO-Auftaktspiel gegen Nordmazedonien.

Der Dank gilt Ex-Teamchef Franco Foda, der ihn stets dabei behalten habe. Es sei jedoch klar, dass man im Nationalteam nicht dieses Selbstvertrauen und vor allem Selbstverständnis an den Tag legen könne, wenn man im Verein nicht spielt.

Wo wäre Gregoritsch, wäre er schon 2017 nach Freiburg?

Derzeit strahlt Gregoritsch dieses Selbstvertrauen aus. Denn nach seinem Wechsel zum SC Freiburg läuft es für den Angreifer mit fünf Toren in den ersten zehn Pflichtspielen bestens.

Zuvor lief es auch in Augsburg nach längerer Durststrecke wieder. Mit neun Saison-Toren, sieben davon im Frühjahr, gelang ihm ein würdiger Abschied vom langjährigen Arbeitgeber.

Freiburg hatte schon 2017 angeklopft. Damals fiel die Wahl auf Augsburg. Zu spekulieren, wo er in seiner Karriere stehen würde, hätte er sich damals anders entschieden, sei müßig:

"Ich habe ja auch in Augsburg in den ersten ein, zwei Jahren gut gespielt. Der Weg mit Fehlern und auch guten Sachen, den ich gegangen bin, war in Ordnung so, denn er hat mich dahingebracht, wo ich jetzt bin."

Der Reifeprozess

Jetzt mit 28 fühlt sich Gregoritsch so richtig angekommen. Und gereift. Denn gerade was den Reifegrad betrifft, hätte sich einiges getan:

"Vor fünf Jahren habe ich zum Beispiel nicht persönlich abgesagt in Freiburg, sondern habe das über meinen Berater gemacht. Vor drei Jahren war die Geschichte mit Werder Bremen, nach der ich es emotional nicht mehr geschafft habe, mich auf Augsburg zu konzentrieren. Das sind sicher Dinge, in denen ich gereift bin. Das habe ich jetzt von vornherein ganz anders gelöst."

Hoher Wohlfühl-Faktor in einer charakterstarken Mannschaft

Gemeint ist der Abschied vom FC Augsburg: "Ich habe die Verantwortlichen in Augsburg bereits nach dem ersten Kontakt mit Freiburg angerufen und gemeint: 'Passt's auf, ich würde das gerne machen, finden wir eine Lösung.' Vor eineinhalb Jahren war es vielleicht noch nicht absehbar, dass wir im Guten auseinander gehen werden."

In Freiburg wiederum hätten sich bislang alle Erwartungen bestätigt: "Ich habe sogar noch unterschätzt, dass es dort so gut ist."

Charakterstark

Damit ist gar nicht einmal nur das Vertrauen, das ihm Trainer-Urgestein Christian Streich offenkundig entgegenbringt, gemeint. Selbiges habe er auch in seiner finalen Halbserie in Augsburg genossen.

Aber das Gesamtkonstrukt Freiburg imponiert Gregoritsch spürbar:

"Es macht unglaublich Spaß. Die Truppe ist qualitativ extrem gut. Und ich würde fast sagen, charakterlich ist es im Gesamten die beste Vereinsmannschaft, in der ich war."

Dies ist natürlich eng mit dem Führungsstil von Streich verbunden, der diesen Verein seit seiner Amtsübernahme Ende Dezember 2011 prägt.

Gespräche mit Streich

"Er ist besessen vom Detail und klar in seinen Dingen, die er machen will. Gemeinsam mit den Verantwortlichen Clemens Hartenbach und Jochen Saier wurde ein Gefüge zusammengestellt, das wirklich ein Team ist. Von den Ärzten über die Physios - da gibt es keine Kämpfe untereinander. Alles wird zügig angesprochen. Der Trainer ist natürlich derjenige, der den Takt angibt", schildert Gregoritsch.

"Ich habe viele Gespräche mit dem Trainer, die eigentlich fast gar nichts mit Fußball zu tun haben."

Michael Gregoritsch

Streich würde jedoch in einer Art und Weise den Takt angeben, wie der ÖFB-Legionär "das noch nicht erlebt" habe.

"Also wirklich sehr kommunikativ. Er hinterfragt sich auch ständig selbst, was er noch verbessern könnte. Ich fühle mich total wohl mit ihm, habe viele Gespräche mit ihm, die eigentlich fast gar nichts mit Fußball zu tun haben."

Die Fans verkörpern Stadt und Verein

Gut tut Gregoritsch zudem, in anderen Tabellenregionen mitzukicken, als er es in Augsburg zumeist erlebt hat.

"In den entscheidenden Spielen gegen den Abstieg war dort auch eine Riesen-Stimmung, aber in Freiburg verkörpern die Fans die Stadt und den Verein. Es ist eine unglaubliche Stimmung, die jedoch nie aggressiv ist, sondern von Freundlichkeit und Offenheit geprägt ist. Die Euphorie ist immens - wenn wir auf den Platz rauskommen, ist der Fanblock schon voll", beschreibt der Grazer die Begeisterung.

Freiburg stand vergangene Saison im Finale des DFB-Pokals und kämpfte bis spät in der Saison um einen Champions-League-Platz. Daher ist der dritte Tabellenplatz für viele vielleicht überraschend, aber kein Zufall. Fünf Mal zu Null in sieben Runden spricht zudem für sich.

Streich ist dennoch dafür bekannt, nicht zu viel Euphorie aufkommen zu lassen. "Wenn es der Trainer vorgibt, ist der Klassenerhalt das Ziel. Er ist der Chef", schmunzelt Gregoritsch.

Nicht nur die üblichen Verdächtigen

Was auch immer das wahre Ziel ist, der Stürmer kann vermutlich damit leben, sich derzeit in der Tabelle von den ÖFB-Kollegen nur hinter Christopher Trimmel und Spitzenreiter Union Berlin anstellen zu müssen.

"Er ist einer meiner besten Freunde im Nationalteam, wir haben auch privat viel Kontakt. Am Ende wäre es mir aber natürlich lieber, wenn Freiburg vor Union steht", lacht Gregoritsch, dem die aktuelle Tabellensituation jedoch auch objektiv taugt:

"Ist ja lustig, oder? Also ich finde es schon cool, wenn nach dem 7. Spieltag mal ein, zwei andere Mannschaften oben dabei sind und nicht nur die üblichen Verdächtigen. Man lechzt ja immer danach, dass es spannender wird."

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