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Für eine Euphorie braucht es noch mehr

Das Nationalteam sollte wieder DAS Gesprächsthema werden wollen. Dafür heißt es, jetzt nachzulegen - und das in vielfacher Hinsicht.

Für eine Euphorie braucht es noch mehr Foto: © GEPA

"Es ist alles aufgegangen, wie wir uns das gewünscht haben. Die Zuschauer sind extrem nahe dran, du hast überall das Gefühl, du bist mittendrin, statt nur dabei. Und wenn die Fans in der zweiten Halbzeit 'Oh, wie wunderschön' singen - oder wie heißt das?"

Eine kurze Aufklärung später wird ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick bewusst, dass das ÖFB-Publikum "Oh, wie ist das schön" intoniert hat - eine Melodie, die ihm natürlich aus der Heimat bestens bekannt ist.

"Ich bin mittlerweile sehr auf österreichische Musik spezialisiert, deswegen kenne ich die deutschen Fangesänge gar nicht mehr so", rettet sich der 64-Jährige charmant und bringt auch noch Schleichwerbung für den von ihm initiierten neuen ÖFB-Song unter.

Was zählt, ist, dass es am Freitag im neuen Linzer Stadion nicht nur ein sportlich gelungener Auftakt in die EM-Qualifikation war, sondern auch vom Ambiente her.

Ein 4:1 reicht noch nicht für eine Euphorie

So gesehen war es der notwendige erste Schritt in die richtige Richtung, um auch in Österreich wieder jenen Heimvorteil zu generieren, wie er in vergleichbaren Nationen handelsüblich ist.

Am Montag gegen Estland soll, abermals in Linz, der nächste her. Und auch danach wird es weitere benötigen, um jenen Moment zu erreichen, den im rot-weiß-roten Lager alle ein wenig herbeisehnen - das Entstehen einer neuen Euphorie.

Reicht ein souveränes 4:1 gegen Aserbaidschan bereits, um wieder die breite Masse hinter dem Nationalteam zu vereinen? Natürlich nicht.

Aber es ist quasi die Pflicht der ÖFB-Elf, den idealen Spielplan mit zwei Auftakt-Heimspielen gegen die Gruppen-Underdogs zu nutzen. Sechs Punkte aus diesen beiden Matches wären nicht nur sportlich eine gute Basis, sondern sollten auch helfen, weiteren Kredit beim eigenen Publikum zurückzugewinnen.

Kleinere und größere Signale

Fanbindung ist eines der wichtigsten Themen der Frühphase dieser Quali. Etwas zugespitzt formuliert, erreichte das ÖFB-Team zuletzt nur noch sein absolutes Stammpublikum und dieses war nicht sonderlich happy.

Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Natur. Die Stadion-Problematik hat natürlich einen großen Anteil, aber es gab genügend weiteren Grund zur Unzufriedenheit, wie diese LAOLA1-Reportage herausarbeitet.

Man kann dem ÖFB nicht vorwerfen, dass er nach dem stimmungstechnischen Tiefpunkt gegen Italien nicht - spät, aber doch - erkannt hat, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

Die ganze Woche über wurden kleinere und größere Signale gesendet. Beim öffentlichen Training im Camp in Windischgarsten wurden die Besucher vor Ort glücklich gemacht, gleichzeitig entstanden schöne Bilder für die restliche ÖFB-Welt - wenn David Alaba auf Anfrage Umarmungen verteilt, ist das ja auch tatsächlich herzig.

Auch ein Song kann ein Akzent sein

Auch Rangnicks Idee, Paul Pizzera einen modernen ÖFB-Song kreieren zu lassen, ist nicht auf seine große Liebe zur Musik zurückzuführen, sondern auf seinen Eindruck, dass es neue Akzente braucht und es dem ÖFB gut tun könnte, auch mal ein wenig Selbstironie zu zeigen.

Während die Spitzenfunktionäre des ÖFB-Präsidiums noch einen weiten Weg vor sich haben, um die Friedenspfeife zu rauchen und nach wie vor offene Wunden beklagen, nimmt es der Teamchef selbst in die Hand, um neues Publikum zu werben.

Ob einem der Song taugt oder nicht, ist gar nicht so entscheidend. Geschmäcker sind nun mal verschieden. "hoch gwimmas (n)imma" polarisiert, und das ist gut so.

Rangnick und die Nationalteam-Kultur

Auch im LAOLA1-Forum wurde eifrig und vor allem interessant diskutiert.

So schrieb User "OutlawChicken": "An alle, die sich deswegen aufregen: Genau so etwas brauchen wir für unser Nationalteam. Neue Impulse. Vielschichtigkeit. Die Idee populäre, österreichische Popmusiker einen ÖFB Song kreieren zu lassen, ist einfach gut und hätte schon viel früher kommen müssen. Es wird Arbeit nötig sein, um die Fans wieder in die Stadien zu bringen und das ist ein erster, wichtiger Schritt. Wir sind in vielen Bereichen nicht modern genug, wie zum Beispiel in der Socialmedia-Abteilung, aber dieser Song ist der Beweis, dass sich in dieser Hinsicht etwas bewegt."

Das muss man nicht so sehen, wie die Antwort von "realistischer_gruener" beweist: "Was? Ein Song über den ÖFB soll die Fans ins Stadion locken? Und die Idee soll neu sein? Das machen die Deutschen doch immer wieder vor großen Turnieren. Naidoo, Sportis, Grönemeyer alle haben sie schon Songs für den DFB geschrieben, bezahlt oder aus freien Stücken. Der Grund ist in Österreich nicht die Öffentlichkeitsarbeit, sondern der Nationalstolz und die hohe Anzahl an Gloryhunters bei uns. Daran ändert auch ein Song oder Postings im Social Media nichts."

User "zyte" resümiert: "Ob das Lied gefällt oder nicht, ist Geschmackssache - aber ich finds einfach nur leiwand, wie der Rangnick sich reinsteigert und eine richtige Nationalteam-Kultur aufbauen will. Selbst über an sich 'unwichtige' Sachen wie eine Stadionhymne denkt er nach... 'I am from Austria' hat in Wahrheit eh schon mehr traurige als positive Erinnerungen anhaften ;-)."

Wie auch immer, wenn der Musik-Ausflug hilft, wieder ein bisserl mehr Schmäh im Nationalteam zuzulassen, ist es auch kein Fehler - wie hier bei Konrad Laimer, der sich wie im Video "der nächsten depperten Frage" stellt:

@laola1 Konrad Laimer 🇦🇹 über seine Performance gegen Aserbaidschan und im neuen AUT of ORDA Song ⚽️🎶 Was ist dein Tipp für das kommende Match gegen Estland? 🤔⬇️ #laola1 #l1 #wirlebensport #öfb #Nationalteam #konradlaimer #österreich #em2024 #viral #fypシ ♬ Originalton - Laola1.at das Sportportal

Auch Gloryhunter sind willkommen

Rangnicks Prognose, dass "hoch gwimmas (n)imma" in vier Wochen die Charts anführt, bremst selbst Pizzera gewaltig ein - hier ist der Steirer vielleicht auch mehr Branchenkenner als der ÖFB-Chefcoach.

Sie zeigt jedoch nicht nur die Denkweise des Deutschen, sich immer an den Erfolgreichsten zu orientieren, sondern den Hintergedanken, dass dieser Song gerne auch möglichst viele Leute erreichen darf, die sich bestenfalls am Rande für das Nationalteam interessieren.

Für eine Euphorie braucht es gesteigerte Aufmerksamkeit über den inneren Kreis an ÖFB-Interessierten hinaus. Für ein volles Happel-Stadion, und dort steigt nun mal der Juni-Showdown mit Schweden, sowieso.

Auch Gloryhunter sind willkommen, manche von ihnen lassen sich ja vielleicht längerfristig auf das Nationalteam ein.

Das Nationalteam muss wieder das Gesprächsthema werden

Sportlicher Erfolg ist der einfachste Weg, um jemanden zu binden. Aber es benötigt mehr als das. Wenn selbst der härteste Kern der ÖFB-Fans beklagt, dass die Bindung zur Mannschaft komplett verloren gegangen sei, wie soll dann die breite Masse ein Gefühl für dieses Team entwickeln?

Nimmt man Marko Arnautovic und David Alaba aus, haben die meisten Protagonisten des aktuellen Kaders noch eine gewisse Wegstrecke vor sich, um etwa die Popularitätswerte vieler Mitglieder der 2016er-Mannschaft zu erreichen.

Es mag Folklore sein, aber die damalige Mannschaft strahlte nun mal über die eigentliche Kern-Zielgruppe hinaus und erreichte auch Bevölkerungsteile, denen man nicht per se riesiges Interesse am ÖFB-Team nachsagen muss.

Auch das geht nicht von selbst und auch darum geht es in dieser Quali: Das Nationalteam sollte wieder das Gesprächsthema sein wollen. Wie sehr dies mit dem Publikums-Zuspruch im Stadion Hand in Hand geht, muss man nicht extra erwähnen.

Der Funke

Heinz Lindner teilt den Eindruck, dass zwischen Fans und Mannschaft wieder mehr Zusammenhalt im Entstehen ist: "Das ist auch unser Ziel!"

Die Choreo gegen Aserbaidschan
Foto: © GEPA

Auftritte wie jener gegen Aserbaidschan seien diesbezüglich eine Hilfe: "Man hat gespürt, dass der Funke von uns auf die Fans übergeschwappt und dann wieder zu uns zurückgekommen ist. Dieses gegenseitige Pushen braucht es, damit wir uns für die EM qualifizieren."

Es sei noch ein langer Weg: "Aber eine Euphorie gehört dazu, um erfolgreich Fußball zu spielen."

Ohne Sieg gegen Estland könnte es schwierig werden, gegen Schweden in einem der Schlüsselspiele dieser Qualifikation das notwendige Ambiente zu haben.

Es braucht das Ausverkauft-Schild

Der Montags-Termin hat gegenüber jenem am Freitag viele logische Nachteile. Gerade für Fans aus den anderen Bundesländern ist ein Matchbesuch arbeitsbedingt mitunter nicht möglich.

500 Restkarten gab es am Sonntag noch. Es wäre ein wichtiges Signal, wenn auch diese Partie wieder vor vollem Haus über die Bühne ginge.

Rangnick: "Ich hoffe, dass das Stadion ausverkauft sein wird und wir wieder eine ähnliche Atmosphäre haben."

Und gegen "Oh, wie ist das schön"-Gesänge würde sich erst recht niemand wehren.

Wie gut können die Fans eigentlich die österreichische Hymne?

@laola1 Der LAOLA1 Länderspiel-Test: Wer kann die österreichische Bundeshymne 🇦🇹 singen? 🗣️ Wie haben sich die Kandidaten geschlagen? 🤔😂 #laola1 #l1 #wirlebensport #öfb #em2024 #länderspiel #nationalhymne #österreich #umfrage #quiz #viral #fyp ♬ RUNAWAY - KAYDEN

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