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Nationalteam: Mehr "Torgeilheit" gefordert

Torflaute als Hauptproblem. Wie lässt es sich lösen? Fodas Gebot der Stunde:

Nationalteam: Mehr Foto: © GEPA

Achtung Floskel-Alarm!

"Wenn du Spiele gewinnen willst, musst du Tore machen", packte Franco Foda am Weg zum zweiten EM-Quali-Spiel gegen Israel in Haifa (Sonntag, 18 Uhr im LIVE-Ticker) eine alte Fußball-Weisheit aus, deren Richtigkeit aber wohl niemand in Frage stellt.

Beim 0:1 gegen Polen offenbarte die ÖFB-Offensive ein gewisses Unvermögen vor dem gegnerischen Tor. Wieder einmal. Denn die Diskussion ist bekanntlich keine neue.

Nachdem das Nationalteam zu Beginn der Teamchef-Ära von Foda relativ konstant genetzt hat (14 Tore in den ersten sieben Spielen), geht seit dem ersten Pflichtspiel beim Nations-League-Auftakt in Bosnien-Herzegowina nicht mehr viel.

"Drei Tore in sechs Spielen sind zu wenig, darüber müssen wir nicht lange diskutieren", stellt auch Foda klar.

Ein Blick auf die folgende Tabelle verdeutlicht den derzeit negativen Trend in Sachen Torausbeute. Allzu oft plagte das Nationalteam zuletzt die Ladehemmung.

Die bisherigen Torschützen in der Foda-Ära:

Datum Gegner Resultat ÖFB-Torschützen
14.11.2017 Uruguay (h) 2:1 Sabitzer, Schaub
23.03.2018 Slowenien (h) 3:0 Alaba, Arnautovic (2)
27.03.2018 Luxemburg (a) 4:0 Arnautovic, Grillitsch, Gregoritsch, Schaub
30.05.2018 Russland (h) 1:0 Schöpf
02.06.2018 Deutschland (h) 2:1 Hinteregger, Schöpf
10.06.2018 Brasilien (h) 0:3 -
06.09.2018 Schweden (h) 2:0 Helander(ET), Alaba
11.09.2018 Bosnien-Herzegowina (a) 0:1 -
12.10.2018 Nordirland (h) 1:0 Arnautovic
16.10.2018 Dänemark (a) 0:2 -
15.11.2018 Bosnien-Herzegowina (h) 0:0 -
18.11.2018 Nordirland (a) 2:1 Schlager, Lazaro
21.03.2019 Polen (h) 0:1 -

Fodas Gebot der Stunde: Vertrauen

Das Problem ist bei allen Beteiligten verstanden. Doch was tun? Geht es um die Lösung, wird es schon schwieriger.

"Es macht jetzt auch keinen Sinn, wieder pausenlos darüber zu reden, denn dann festigt sich das irgendwann in den Köpfen der Spieler."

Franco Foda

Foda ist lange genug Trainer, um nicht das erste Mal damit konfrontiert zu sein, dass bei einer seiner Mannschaften der Ball einfach nicht ins Tor will. Das aus Trainer-Sicht größere Problem wäre es, wenn sich das Team kaum Chancen herausspielen würde.

"Wir kreieren ja Tormöglichkeiten! Das haben wir in allen Spielen getan, alleine wenn ich an die zweite Halbzeit gegen Bosnien denke oder Nordirland", bekräftigt der Teamchef, "im Moment machen wir halt die Tore nicht, und das ist unser Manko. Aber es macht jetzt auch keinen Sinn, wieder pausenlos darüber zu reden, denn dann festigt sich das irgendwann in den Köpfen der Spieler. Stattdessen gilt es jetzt einfach weiter zu arbeiten, weiter so zu spielen, weiter Tormöglichkeiten zu kreieren und dann werden wir wieder Tore machen. Davon bin ich überzeugt."

Deshalb ist für ihn das Gebot der Stunde: "Vertrauen! Irgendwann machst du die Tore. Es hat ja nicht viel gefehlt. Marc Janko macht das Ding normal blind."

Stürmer-Diskussion greift zu kurz

Der vergebene Hundertprozenter von Janko ist nach dem Polen-Spiel naturgemäß jene Szene, an der sich das Unvermögen am einfachsten festmachen lässt. In weiterer Folge dauert es auch nicht mehr lange und man ist beim ÖFB-Dauerbrenner, und zwar der Stürmer-Diskussion, angelangt.

Natürlich werden in erster Linie Stürmer an Toren gemessen, aber letztlich greift diese Diskussion irgendwo zu kurz. Denn genauso wie Offensivkräfte nur selten von der Arbeit nach hinten entbunden sind, sind auch Spieler aus anderen Mannschaftsteilen dazu eingeladen, Tore beizutragen. Diesbezüglich kommt im ÖFB-Team recht wenig.

  • Wenn man die Startelf gegen Polen hernimmt, hat Marcel Sabitzer nach 34 Länderspielen fünf Tore zu Buche stehen - zu wenig für seine Möglichkeiten, die er im Verein beinahe schon traditionell besser abruft als im ÖFB-Dress.

  • Valentino Lazaro traf zwar in Nordirland und ist somit der letzte ÖFB-Torschütze - dies war jedoch sein erstes Länderspiel-Tor, dem er relativ lange hinterhergelaufen ist.

  • Die beiden zentralen Mittelfeldspieler Julian Baumgartlinger (67 Länderspiele) und Florian Grillitsch (14) halten bei jeweils einem Länderspiel-Treffer. Von dieser Position kommt derzeit also wenig bis gar keine Torgefahr.

  • Sieht man von den relativ verlässlichen Torschützen Marko Arnautovic (20 Tore in 78 Länderspielen) und David Alaba (13 in 68) ab, gehörte so gesehen Innenverteidiger Martin Hinteregger mit seinen drei Treffern in 38 Länderspielen fast schon zu den besseren ÖFB-Scorern. Alessandro Schöpf und Louis Schaub, die zuletzt bisweilen mit Torerfolgen aufzeigten, fehlen momentan.

Foda fordert Tore aus der zweiten Reihe

Keine Frage: Ein weiterer verlässlicher Goalgetter neben Arnautovic würde dem ÖFB-Team gut tun. Aber will man zur EURO 2020, wäre es auch kein Fehler, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen.

Ein Standpunkt, den Foda teilt und diesbezüglich das Polen-Spiel hernimmt: "Max Wöber hatte eine Riesen-Situation, als er zehn Meter vor dem Tor drübergeschossen hat. David hatte die Möglichkeit, 'Sabi' hatte die Möglichkeit, Marko hatte die Möglichkeit, Marc hatte die Möglichkeit. Das waren Stürmer, Mittelfeldspieler und Verteidiger!"

"Ich sage es immer wieder: Nicht nur die Stürmer müssen Tore machen, sondern alle müssen bereit sein, Tore zu erzielen. Dass wir auch aus der zweiten Reihe noch mehr zum Abschluss kommen, ist vielleicht das, was uns fehlt. 'Grillo' hat einen super Schuss. Wir sollten auch aus der zweiten Reihe zum Torerfolg kommen."

Mehr "Torgeilheit" gefragt

Letztlich ist also auch die Eigenverantwortung aller Akteure gefragt, die Tore irgendwo erzwingen zu wollen. So fordert etwa auch Sabitzer mehr "Torgeilheit":

"Wir brauchen viele Spieler, die torgeil und hungrig auf Tore sind, die in die Box reingehen. Wir brauchen viele Spieler vorne drinnen, damit irgendetwas passieren kann. Gegen Polen war es meist nur Marko."

Marcel Sabitzer

"Wir müssen vorne kreativer sein und unsere Chancen entschlossener nützen", meint der Leipzig-Legionär, "wir brauchen viele Spieler, die torgeil und hungrig auf Tore sind, die in die Box reingehen. Wir brauchen viele Spieler vorne drinnen, damit irgendetwas passieren kann. Gegen Polen war es meist nur Marko. Wenn du nur einen Spieler vorne drinnen hast, ist es schwierig. Dann muss die Flanke passen, dann muss der Laufweg passen und der Verteidiger muss ein bisschen schlafen. Gegen Israel muss das Ziel sein, dass wir drei bis vier Spieler in der Box haben."

Ähnlich klingen die Ansätze von Kapitän Julian Baumgartlinger: "Wir müssen mit noch mehr Überzeugung flanken, dabei eventuell noch mehr Box-Besetzung haben, also noch mehr Abnehmer für die Flanken. Vielleicht erzwingen wir es dann noch mehr. Oder selber mal ein Tor nach einer Standardsituation machen. Gegen Polen hatten wir sehr viele Standards - aus dem Halbfeld, Direktsituationen, Ecken. Da ist zu wenig herausgekommen. Die Polen haben es anders gemacht."

Ungefährliche Standards als Problem

Hier spricht der Leverkusen-Legionär einen wichtigen Punkt an. Letztlich machte ein aus einem Corner resultierender Treffer den Unterschied gegen Polen - in einem Spiel, in dem Österreich tatsächlich viele ruhende Bälle vorfand. Daraus resultierten jedoch nur selten gefährliche Situationen.

"Wir trainieren es, wir studieren Varianten ein und haben aus Standards auch schon einige Tore gemacht. Die Polen haben es gut verteidigt", meint Foda, den in diesem Zusammenhang eher das Abwehrverhalten beim polnischen Tor ärgert:

"Wir haben seit ich Teamchef bin, noch kaum ein Standardtor erhalten, da waren wir eigentlich immer sattelfest. Auch dieses Tor hätten wir verhindern können. Wir haben den Ball abgewehrt und dann das versäumt, was ich immer will, und zwar dass wir rausrücken. Wenn alle geschlossen zum Ball rausgerückt wären, wären drei Mann im Abseits gestanden."

Dosenöffner für enge Spiele

Dem Thema ruhender Ball, offensiv wie defensiv, wird man sich im ÖFB-Team während der Vorbereitung in Haifa tendenziell widmen. "Daran kann man auch innerhalb von Tagen noch arbeiten", verdeutlicht Baumgartlinger, "und Standardsituationen werden die ganze Qualifikation ein Thema sein - gerade gegen Teams, die vielleicht eher in diesen Situationen ihren Erfolg suchen."

Wie der Ball im gegnerischen Tor landet, ist unterm Strich aber relativ gleichgültig, Hauptsache er tut es. Und vor allem der Dosenöffner, das 1:0 zu erzielen und nicht gezwungen zu sein, dem Tor hinterherzulaufen, wird im weiteren Verlauf der EM-Qualifikation eine große Rolle spielen.

"In Führung zu gehen, ist heutzutage in diesen engen Spielen besonders wichtig - die letzten Länderspiele haben sich fast alle um ein Tor gedreht. Das müssen wir einmal auf unsere Seite ziehen", fordert Baumgartlinger.

In Haifa damit zu beginnen, wäre ein guter Schritt. Egal wer das Tor erzielt. Alle sind herzlich dazu eingeladen.

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