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Erstes Pflichtspiel: Das System Foda am Prüfstand

Testspiele kann Foda, auch Pflichtspiele? Bestandsaufnahme vor dem Ernstfall:

Erstes Pflichtspiel: Das System Foda am Prüfstand Foto: © GEPA

Dass Österreich unter der Anleitung von Franco Foda Testspiele kann, hat das Nationalteam in den vergangenen zehn Monaten zu Genüge bewiesen.

Nun kommt es erstmals zum "Tag der Wahrheit", wenn es in der UEFA Nations League auswärts gegen Bosnien-Herzegowina (ab 20:45 Uhr im LIVE-Ticker) geht und somit das "System Foda" auch in einem Pflichtspiel auf dem Prüfstand steht.

Die Erfolgsbilanz ist allgemein bekannt: Sieben Spiele, sechs Siege, dazu eine aus diversen Gründen erklärbare Niederlage gegen Brasilien.

Vor der ersten Aufführung geben die Generalproben wenig Anlass zum Klagen. Das Lob für Foda ist allgegenwärtig - beginnend mit der Etablierung eines flexibleren Spielsystems bis hin zum Forcieren des Konkurrenzkampfs.

Bei all den positiv besprochenen Themenfeldern: Gibt es derzeit eigentlich etwas, das dem 52-Jährigen Sorgen bereitet?

Fehler erkennen, Fehler beheben

"Kopfzerbrechen habe ich generell weniger in meinem Leben. Ich versuche immer, positiv zu denken, optimistisch zu sein", verneint Foda, warnt jedoch im selben Atemzug eindringlich davor, nach den guten Resultaten alles durch die rosarote ÖFB-Brille zu betrachten: "Klar haben wir vieles gut gemacht, aber man darf auch nicht den Fehler machen und sagen, dass alles gut war."

Foda unterlegt dies mit einem Beispiel aus dem Schweden-Spiel, in dem man vor der Pause zu langsam nach vorne gespielt habe, und erläutert sogleich, wie man es in Zenica besser machen müsse: "Wenn du den Ball hast, musst du einfach zielstrebiger agieren, zielorientiert Richtung gegnerisches Tor spielen. Das wird entscheidend sein: Wenn der Gegner in der Defensive unorganisiert ist, musst du das einfach ausnutzen. Da bleibt wenig Zeit! Das haben wir auch im Training noch mal besprochen und einstudiert. Das wird ein Schlüssel zum Erfolg sein - defensiv gut stehen und schnell in die Offensive spielen."

Quasi ein typischer Foda: Fehler erkennen, Fehler benennen, Fehler beheben.

Was war, ist vorbei

Kommunikativ bewegt sich Foda stets nah an der eigentlichen Materie, für die er eingestellt wurde. Philosophische Ausflüge kommen eher selten vor, und genau diesen nüchternen Blick auf das Wesentliche hat er auch seiner Mannschaft eingeschärft.

Noch wesentlicher als Testspiele sind Pflichtspiele. Unter seinem Vorgänger Marcel Koller lautete zwischenzeitlich das Vorurteil, dass das ÖFB-Team in Pflichtspielen voll da ist, dafür in freundschaftlichen Vergleichen die Konzentration nachlässt (besser als umgekehrt natürlich). Letzteres scheint ausgebügelt, nun gilt es den Beweis anzutreten, dass Foda auch in Pflichtspielen für Erfolg sorgen kann.

Die Vorzeichen stehen bestens, aber dem ÖFB-Coach ist bewusst: "Fußball lebt nicht in der Vergangenheit. Alles was war, ist vorbei."

Große Sorgen, dass sein Team nicht liefern wird, plagen ihn jedoch offenkundig keine. Sicher sei der Auftakt in die Nations League ein anderes Gefühl, schließlich gehe es jetzt um etwas, gleichzeitig verspricht er: "Wir sind bestens vorbereitet!" Im Training habe man gemerkt, wie fokussiert seine Schützlinge auf dieses Spiel hinarbeiten.

Personell Farbe bekennen

Und zwar der ganze Kader. Allzu viele Quervergleiche zu Koller sind wohl wenig zielführend, unterschiedliche Herangehensweisen können zu verschiedenen Zeiten durchaus Sinn machen.

Einen spannenden Aspekt bezüglich Personal bringt aber gerade das Bosnien-Spiel mit sich. Bislang konnte Foda in Tests diverse Personalentscheidungen unter dem Deckmantel des Experimentierens verkaufen, nun muss er erstmals in einem Pflichtspiel personelle Farbe bekennen.

Koller setzte zu seinen besten Zeiten bekanntlich auf eine eingespielte Stammelf. Dies brachte diverse Vorteile mit sich, aber auch den Nachteil, dass zahlreiche Kadermitglieder schon bei der Anreise wussten, dass es eher nichts wird mit Einsatzzeit.

Man kann nicht behaupten, dass Foda seine Elf zuletzt wie wild durcheinandergewirbelt hat. Gerade beim Sommer-Lehrgang scheinen sich einige Spieler so in den Vordergrund gespielt zu haben, dass sie nun schwer zu verdrängen sind und die Tendenz zumindest ein wenig in Richtung relativ fixem Stamm geht.

Fragezeichen für die eigenen Spieler

"Wie wir spielen wollen, wissen sie schon, das haben wir ja trainiert. Aber wer spielen wird? Das werden wir sehen! Wichtig ist: Jeder Spieler muss bereit sein! Jeder muss damit rechnen, dass er spielt. Jeder muss sich auf ein Spiel vorbereiten."

Franco Foda

Seinen Spielern gibt er bislang dennoch Rätsel auf. Noch am Sonntag zu Mittag meinte Sebastian Prödl: "Ich sehe es so, dass der Trainer uns viele Fragezeichen gibt. Wir Spieler wissen nicht, wie wir am Dienstag spielen. Es ist nicht abzuschätzen, ob wir Dreierkette oder Viererkette spielen und wer die Positionen bekleidet. Natürlich gab es immer ein paar Fixpunkte, aber wenn der Trainer das im Vorfeld so klar kommunizieren würde, dann hätten wir nicht diese Spannung im Training oder in einem Testspiel gegen Schweden. So sieht jeder die Chance, am Dienstag zu spielen."

Genau darum geht es Foda. Zwar würden sich seine Spieler alleine wegen der Einteilungen beim Training der Standardsituationen gewisse Aufstellungs-Antworten zusammenreimen können, aber er will sie so lange wie möglich zappeln lassen, auch wenn er den Plan schon im Kopf habe:

"Wie wir spielen wollen, wissen sie schon, das haben wir ja trainiert. Aber wer spielen wird? Das werden wir sehen! Wichtig ist: Jeder Spieler muss bereit sein! Jeder muss damit rechnen, dass er spielt. Jeder muss sich auf ein Spiel vorbereiten."

Wenn der Teamchef dann auch tatsächlich hin und wieder eine personelle Überraschung einstreut, könnte diese Strategie weiter funktionieren. Wenn sich eine glasklare Stammelf herauskristallisiert, eher weniger, zumindest kaum langfristig. Momentan ist es aber tatsächlich so, dass sich ein Großteil des Kaders Chancen ausrechnet, sich zumindest in die gefühlte Stammelf arbeiten zu können, wenn die Leistungen im Verein, im Training und vor allem in den Länderspielen stimmen.

Festlegungen sind out

Eine Festlegung auf eine relativ fixe Startelf wäre - eben - eine Festlegung. Und Festlegungen sind im System Foda definitiv out.

Eine Festlegung auf einen klaren Einser-Goalie ob der guten Leistungen von Heinz Lindner und der nicht vorhandenen Länderspiel-Erfahrung seiner Konkurrenten? Foda hält dies nicht für notwendig und fährt gut damit, denn Lindner pusht dies offenbar zu Topleistungen.

Eine Festlegung auf einen fixen zweiten Kapitän, wenn der eigentliche Spielführer Julian Baumgartlinger fehlt? Foda hält dies nicht für notwendig und fährt gut damit, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Er begründet diese Maßnahme auch damit, innovativ sein zu wollen, neue Wege zu gehen.

Man könnte es auch "sich alle Optionen offen halten" nennen. Oder flexibel sein. Und Flexibilität ist sicherlich das Schlagwort schlechthin der bisherigen Amtszeit des langjährigen Sturm-Trainers, der besagte Flexibilität in Graz erst recht spät für sich entdeckt hat, aber Weiterentwicklungen erfreulicherweise aufgeschlossen gegenübersteht.

Flexibilität ist das höchste Gut

In der Tat hat Foda dem ÖFB-Team ein relativ variables Gesicht verpasst. Der Switch von Dreier- auf Viererkette ist kein großes Rätsel für die Spieler, auch wenn man ohnehin meist Dreierkette spielt und gut damit fährt. "Die Umstellung auf die Dreierkette macht das Ganze noch stabiler", findet Martin Hinteregger.

Wenig Gegentore zu bekommen, steht bei Foda ohnehin weit oben auf der Prioritätenliste. Abgesehen vom Brasilien-Match bekam man in keiner Partie mehr als eines. Prödl: "Das spricht für unglaubliche Beharrlichkeit, was die Defensivarbeit angeht. Der Trainer ist sehr bedacht darauf, auch weil er selbst Verteidiger war, aber nicht nur deswegen."

Flexibilität hört bei Foda nicht beim Verhindern von Toren auf, auch offensiv sollen verschiedene Mittel zum Erfolg führen: "Wir haben auch im Spiel nach vorne viel Variationsmöglichkeiten. Wir können über die Flügel spielen, über das Zentrum angreifen, haben Spieler, die auch auf engem Raum Lösungen finden, die im Eins gegen Eins gut sind."

Kurzum: Foda will von seinen Spielern, und zwar von allen, dass sie stets auf alles gewappnet sind und für jede denkbare Situation eine Lösung parat haben. Entsprechend will er sie auch stets auf alles vorbereiten.

Auswärtsspiel in einem Wettbewerb als Neuland

Ein Beispiel im Hinblick auf den Nations-League-Auftakt: In Nordirland agierte Bosnien für Foda überraschend passiv. Zu Hause vermutet er, dass sie im Spiel nach vorne aktiver zu Werke gehen werden. Im Training wurde daran gefeilt.

"Der Gegner spielt zu Hause, sie müssen mit der Unterstützung des Publikums nach vorne spielen, und da entstehen Räume - Räume, die wir gut bespielen müssen. Es kann aber auch sein, dass uns Bosnien unter Druck setzt, dafür müssen wir Lösungen haben. Wir haben auch Spiele von ihnen gesehen, in denen sie Pressing gespielt haben. Es ist wichtig, dass die Spieler das wissen, vor allem die Verteidigung, und dass sie dann auch in der Lage sind, sich aus diesen Pressing-Situationen zu lösen", fordert Foda.

"Wenn du abhängig bist und dich auf andere verlässt, bist auch du verlassen."

Franco Foda

So unberechbar Foda für den Gegner sein und so berechenbar er selbst auf alles vorbereitet sein will. Einen Umstand konnte er nicht wirklich trainieren. Die meisten Testspiele fanden zu Hause statt. Auswärts gastierte man lediglich in Luxemburg, wo man bei allem Respekt ein Pflichtspiel in einem Hexenkessel nur schwerlich simulieren konnte. Die meisten ÖFB-Kicker kennen Pflichtspiele in der Fremde zwar, für den Teamchef selbst ist es Neuland. 

"Ein Wettbewerbsspiel auswärts ist etwas Neues, da müssen wir einfach präsent sein. Jeder einzelne Spieler muss zeigen, was er kann. Wir müssen wie zuletzt als Mannschaft auftreten: Kompakt, jeder muss für den anderen da sein und bereit sein, Opfer zu bringen, für den Mitspieler mitzudenken und mitzulaufen." 

Wer sich auf andere verlässt, ist verlassen

Da man nicht behaupten kann, dass Koller nicht versucht hat, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, ist Fodas Arbeit wohl als Evolution der Arbeit des Schweizers einzuordnen, weniger als Revolution. Mit der Flexibilität und dem verstärkten Konkurrenzkampf drehte er an wichtigen und richtigen Schrauben.

Eines eint jedoch sowohl Koller als auch Foda. Hochrechnungen und Ablenkungen durch Blick auf andere Spiele mögen sie nicht. So kann der Deutsche die Rechnung, dass das 2:1 von Bosnien in Nordirland ein Nachteil für Österreich sei, nicht nachvollziehen. Genau wie den Gedanken, dass schon das erste Nations-League-Spiel ein vorentscheidendes sei, da Bosnien bei einem Sieg auf sechs Punkte davonziehen könnte.

Für ihn gilt, was unter Koller galt - man muss die eigenen Hausaufgaben machen: "Wenn ich das so sagen darf, ist mir das Ergebnis in Nordirland ganz ehrlich egal, weil es nie Sinn macht, auf andere Mannschaften zu schauen. Du musst deine eigenen Aufgaben lösen und deine Punkte holen. Dann ist egal, wie die anderen spielen."

Nachsatz: "Wenn du abhängig bist und dich auf andere verlässt, bist auch du verlassen."

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