Der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) hat am Freitag ein neues Kapitel aufgeschlagen.
Erstmals kam das höchste Verbandsgremium als Aufsichtsrat statt als Präsidium zusammen. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Josef Pröll sah sich nach der konstituierenden Sitzung in Wien in seiner Hoffnung bestärkt, dass im jahrelang von öffentlichen Querelen heimgesuchten Verband Ruhe einkehren könne. "Ich spüre eine Art Konsolidierung, eine Phase, in der man etwas aufbauen kann."
Pröll versprach nach einer "sehr disruptiven, spannenden Phase" im Verband künftig eine "transparente, glasklare Information nach außen". Nach Gremiensitzungen will der frühere Vizekanzler und Finanzminister stets selbst und aus erster Hand über die Beschlüsse Auskunft geben.
In seinen ersten drei Wochen im Amt hat der neue Verbandschef zahlreiche Gespräche geführt. "Ich bin ein bisschen wie der Mülltrichter des ÖFB. Jeder hat seine Befürchtungen geäußert", sagte Pröll. "Aber ich mache mir gerne selber mein Bild." Etwa von den Unstimmigkeiten zwischen Generalsekretär Thomas Hollerer und Geschäftsführer Bernhard Neuhold, den beiden operativen Leitern des größten Sport-Fachverbandes des Landes.
Pröll gegen personelle Schnellschüsse
Pröll will mit beiden zusammenarbeiten. "Ich habe vollstes Vertrauen in die hauptamtlichen Geschäftsführer", betonte der Niederösterreicher. Die Zusammenarbeit des Duos sei "verbesserungswürdig", insgesamt sehe er aber die Möglichkeit, Dinge umzusetzen. "Ich bin positiv überrascht gegenüber dem, was mir gesagt wurde. Ich habe auf den ersten Blick keine größeren Baustellen erkannt."
Er habe von Neuhold und Hollerer in seinen ersten 19 Tagen im Amt immer alles bekommen, was er benötigt habe. "Bei mir hat jeder seine Chance", betonte Pröll. "Ich sehe keine unabdingbare Notwendigkeit, jetzt personell zu handeln." Das gilt auch für die Suche nach einem neuen, übergeordneten CEO, mit dem Prölls Vorgänger versucht hatten, den Konflikt zwischen Neuhold und Hollerer zu lösen.
Pröll selbst betonte, neben seinem Brotberuf als Generaldirektor des zur Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien gehörenden Lebensmittelkonzerns Leipnik-Lundenburger "keinen Ehrgeiz" zu haben, eine operative Rolle im ÖFB zu übernehmen. Auch bekannte er sich durch die von seinen Vorgängern eingeleitete Strukturreform zu einer Stärkung des Hauptamtes. Der Wandel vom Präsidium zum Aufsichtsrat sei in der ersten Sitzung bereits "spürbar" gewesen.
Studie, Strategiepapier und ÖFB-Campus
Behandelt wurden laut Pröll im Wesentlichen drei Punkte. Einerseits werde sich der Verband künftig mit einer Studie dem Wirtschaftsfaktor Fußball widmen. Es gehe darum, wirtschaftliche, gesundheitsökonomische und integrative Leistungen auch monetär zu bewerten. "Wir werden in den nächsten Jahren sehen, dass die öffentlichen Budgets belastet sind", meinte Pröll. "Da werden jene im Vorteil sein, die belegen können, was sie leisten."
Dazu soll eine Strategie ausgearbeitet werden, wo man mit dem Fußball in Österreich in den nächsten 20 Jahren hinwolle. Dafür soll laut Pröll in eine externe Beratung investiert werden. Die Ausschreibung werde im Sommer erfolgen. Ein besonders wichtiges Thema erscheint die Wirtschaftlichkeit des neuen ÖFB-Campus in Aspern bei laufenden Betriebskosten. Daher waren auch die Campus-Manager Andreas Baumgartner und Alexander Gruber sowie ÖFB-Finanzleiter Christian Winkler anwesend.
"Ich bin aus der Sitzung kommend deutlich optimistischer", betonte Pröll. "Wir können nicht davon ausgehen, dass der Campus positiv bilanziert. Aber die Befürchtungen, dass es ein Millionengrab werden könnte, haben sich eindeutig nicht bewahrheitet." Das Trainingszentrum werde die Verlustzone von jährlich einer Million Euro bis 2029 nicht erreichen. "An diesen Daten werden die Verantwortungsträger jetzt auch gemessen." Die Übergabe der Einrichtung durch die bauführenden Firmen erfolge am 22. Juli.
"Wir dürfen dieses Projekt als ÖFB niemals aus den Augen verlieren."
Hoffen auf erfolgreichen WM-Quali-Start
Deutlich länger wird es dauern, bis Österreich ein neues Nationalstadion erhält. Pröll sprach die angestrebte Multifunktionsarena laut eigenen Angaben am Donnerstag bei seinem Vorstelltermin in neuer Rolle bei Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) an – im vollen Bewusstsein, dass sie bei Sparpaketen der öffentlichen Hand aktuell nicht umzusetzen ist. "Aber ich habe versichert, dass wir auf dieses Thema zurückkommen. Wir dürfen dieses Projekt als ÖFB niemals aus den Augen verlieren."
Rückenwind könnte eine WM-Teilnahme des A-Nationalteams bringen, die erste seit 1998. Pröll stattete dem Team von Ralf Rangnick am Donnerstagabend in Wien einen zweistündigen Antrittsbesuch ab. "Wir hatten einen sehr guten Austausch", sagte der 56-Jährige nach einem gemeinsamen Abendessen.
Nun gelte der volle Fokus dem Quali-Auftakt am Samstag (ab 20:45 Uhr im LIVE-Ticker >>>) in Wien gegen Rumänien. Die Hoffnung im Land ist groß. Pröll: "Es ist eine unglaubliche Sehnsucht zu spüren, dass wir mit dem Match in die Zielgerade einbiegen und uns nach 30 Jahren wieder einmal für eine WM qualifizieren."