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Der ÖFB und die Suche nach Kreativität

Es werden zu wenige Spieler mit Kreativität und Torgefahr entwickelt.

Der ÖFB und die Suche nach Kreativität Foto: © GEPA

„Ich will keinen Druck machen, aber Hannes Wolf war im Nachhinein der österreichische U21-Messi. Er war für uns wie Messi für Argentinien. Wenn er gegen Deutschland spielen kann, gewinnen wir“, sagt Werner Gregoritsch.

Der U21-Teamchef ist für markige Sprüche bekannt. In diesem Fall trifft der Steirer den Nagel ziemlich pointiert auf den Kopf. Neun ausgewiesene Offensivspieler standen im Kader für die U21-EM in Italien, doch der Ausfall eines einzigen konnte von den anderen acht praktisch nie kompensiert werden.

„Wir hätten in jedem Spiel die Möglichkeit gehabt, mehr Tore zu erzielen. Es war bei diesem Turnier definitiv so, dass die Chancenauswertung nicht gut war“, stellt ÖFB-Sportdirekor Peter Schöttel fest.

"Da müssen wir aufholen"

Es ist keine ganz neue Erkenntnis, aber die Auftritte der ÖFB-U21 haben einmal mehr deutlich vor Augen geführt, dass sich Österreich schwer tut, kreative Spieler und Torjäger auszubilden.

„Dass wir auf bestimmten Positionen für die nächsten Jahre extrem gut aufgestellt sind – etwa die Innenverteidigung – ist bekannt. Auf anderen Positionen sind wir nicht so gut aufgestellt. Wir müssen im Offensivbereich mehr Kreativität und individuelle Klasse entwickeln. Man sieht bei anderen Ländern, dass da in bestimmten Bereichen mehr vorhanden ist“, gibt Schöttel zu.

"Zwischen 10 und 14 müssen die Spieler weniger nach Vorgaben trainieren, sondern einfach Fehler machen und selbst Lösungen entdecken"

Peter Schöttel

In den Trikots der ÖFB-Auswahlen sollen künftig wieder mehr Kicker zu sehen sein, von denen Unerwartetes zu erwarten ist. Es gibt einen Plan, wie das funktionieren soll. Schöttel führt aus: „Wir müssen überall ansetzen. Speziell im unteren Bereich, in den LAZs, müssen wir mehr an Kreativität zulassen. Wir müssen Kreativität fördern. Im Akademie-Bereich haben wir den enormen Auftrag, im athletischen Bereich etwas zu tun, da müssen wir aufholen.“

„Der Schlüssel für individuell gute Spieler liegt im Altersbereich von 10 bis 14 Jahren. Da müssen wir mehr Kreativität als zuletzt ermöglichen. Da müssen die Spieler weniger nach Vorgaben trainieren, sondern einfach Fehler machen und selbst Lösungen entdecken. Wir brauchen Trainer, die das zulassen und fördern“, sagt der Wiener.

Arbeit an der Basis

Während an der Spitze, also in den Profi-Klubs und den Akademien zumeist ausgezeichnet ausgebildete Trainer am Werk sind, ist das ein klarer Auftrag an jene Männer und Frauen, die Kinder schon vor deren Eintritt in die Nachwuchsschmieden trainieren. Gleichzeitig ist das wiederum ein Auftrag an den ÖFB, der für die Schulungen der Nachwuchstrainer verantwortlich ist.

So sieht es auch Schöttel: „Der ÖFB hat die Aufgabe, auch an der Basis Dinge richtig zu machen. Es geht darum, die richtigen Trainer für die Kinder zu haben, Trainer, die etwas vermitteln und motiviert sind. Denen darf das Ergebnis nicht so wichtig sein, sondern die individuelle Ausbildung. Im Endeffekt sollte es das hohe Ziel sein, dass irgendein LAZ in Tirol oder Vorarlberg in acht Jahren einen Teamspieler hat.“

U21-Coach Gregoritsch verdeutlicht in seiner Sicht der Dinge einen ein wenig anderen Ansatz: „Ich habe nicht das Gefühl, dass weniger Kreative entwickelt werden. Es gibt schon kreative Spieler. Spieler, die hinter der letzten Angriffslinie spielen können, haben wir genug. Romano Schmid zum Beispiel.“ Vielmehr gehe es darum, diese Spieler dann auch an die Spitze zu bringen.

"Prokop war am selben Niveau wie Dembele"
Foto: © GEPA

„Dominik Prokop war bei der U17-EM 2014 auf demselben Niveau wie Ousmane Dembele von Barcelona. Wenn ich mir dann ansehe, wo sich Dembele oder Donny van de Beek von Ajax, der bei dem Turnier auch aufgefallen ist, hinentwickelt haben und man das mit Prokop vergleicht… In Wahrheit ist Prokop von der Robustheit bei der U21 schon nicht mitgekommen. Das ist gar nicht böse gemeint“, sagt Gregoritsch.

Der Grund dafür sei, dass es immer schwieriger werde, für talentierte Fußballer auch den Weg nach ganz oben zu schaffen: „Es ist komplexer geworden. Du musst mental stark sein, um alles, was auf dich einprasselt, wegzustecken. Du musst fußballerisch etwas können und athletisch sein. Außerdem braucht es Handlungsschnelligkeit.“

Den Aspekt der Athletik hat auch Schöttel bereits erwähnt. Der Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung wiederum nimmt in den meisten Akademien wohl noch nicht jenen Stellenwert ein, den er in anderen Ländern genießt.

Tore oder Anlaufen?

Und dann wäre da noch die Sache mit den Goalgettern. Diese zu entwickeln, ist bekanntlich besonders schwierig. „Dafür braucht es Instinkt. Ein Knipser ist ein Knipser“, ist sich Gregoritsch sicher.

Doch die taktischen Korsette, in die Spieler heutzutage schon sehr früh gezwängt werden, verhindern es immer wieder, dass Spieler ihren vorhandenen Torriecher auch entsprechend weiterentwickeln. Gregoritsch erklärt: „Das müssen wir fördern. Man darf keinen Knipser zum Anlaufspieler machen. Das Erste, was immer gefragt wird: ‚Kann er anlaufen?‘ Ich sage dann: ‚Nein, er kann Tore schießen! Was brauchst du – Tore oder Anlaufen?‘ Die primäre Aufgabe eines Stürmers ist es, Chancen zu kreieren, Tore und Assists zu liefern.“

Tatsächlich tun sich österreichische Top-Klubs derzeit richtig schwer, bereits im Nachwuchs Stürmer zu finden, die Tore garantieren. Gregoritsch nennt zwei positive Beispiele, die in der kommenden U21-EM-Quali wohl zum Einsatz kommen werden.

„Marko Raguz vom LASK ist einer, der Tore machen kann, Chikwubuike Adamu vom FC Liefering ist auch einer“, sagt der 61-Jährige. Dennoch ist auch er mit dem aktuellen Output nicht zufrieden: „Hoffentlich bekommen wir in Zukunft mehr Stürmer. Daran müssen wir arbeiten.“

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