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Das ÖFB-Team-Dilemma: Die RB-Ecke gegen den Rest

Ein Konflikt der Systeme! Sportchef Schöttel spricht von zwei Lagern im ÖFB-Team.

Das ÖFB-Team-Dilemma: Die RB-Ecke gegen den Rest Foto: © GEPA

Ups, da ist Peter Schöttel vielleicht doch mehr als gewollt entglitten.

Der Druck steigt, die Enttäuschung direkt nach der 1:2-Niederlage in Cardiff gegen Wales war groß und bedeutete zugleich das Ende aller WM-Träume im ÖFB-Lager.

Dass es im Nationalteam in den vergangenen Jahren nicht immer so harmonisch zugegangen sein soll, ist auch ein offenes Geheimnis. Doch von zwei Lagern in sportlicher Hinsicht zu sprechen, traute sich zumindest von den Verantwortlichen öffentlich noch kaum jemand. Schließlich geht es ja darum, verschiedene Herangehensweisen im Nationalteam zu bündeln und einen gemeinsamen, erfolgreichen Weg einzuschlagen.

"Haben Kader, der nicht einfach zu führen ist"

Dem Sportdirektor dürfte dies nun eher passiert sein, möglicherweise ist es aber auch ein erster Schritt für eine visionsreiche Neuaufstellung für die Zukunft, was die taktische Grundausrichtung betrifft.

Eigentlich wurde der 54-jährige Wiener im "ORF" nur darauf angesprochen, ob von der Qualität der Spieler - oftmals wurden diese ja als "Goldene Generation" bezeichnet - nicht mehr drin gewesen wäre, vor allem im Spiel mit dem Ball. Die so ehrliche Antwort überraschte dann doch ein wenig:

"Das ist ein schwieriges Thema. Wir haben einen Kader, der glaube ich auch nicht einfach zu führen ist", platzte es aus Schöttel heraus, "weil da doch schon unterschiedliche Stile aufeinandertreffen." Dabei gab er durchaus zu, dass es Grüppchen innerhalb des Teams gibt, zumindest was das spielerische Grundverständnis betrifft.

Zwei Grüppchen im ÖFB-Team: "Schwierig, alles unter einen Hut zu bringen"

"Wir haben da schon diese Red-Bull-Ecke, die ja so vehement gefordert wird, und dann haben wir den anderen Teil der Mannschaft, der sehr über das Spielerische kommen will und damit die größten Erfolge gefeiert hat. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist schwierig", gibt Schöttel zu und springt damit indirekt auch dem möglicherweise mit Ende März gescheiterten Teamchef Franco Foda zur Seite, der eine Situation der Gegensätze zu meistern hatte.

Während der Sportchef ein klein wenig abschwächt, sieht er es in seiner Funktion dann doch als Auftrag, dieses Problem bei der Weichenstellung für erfolgreichere Zeiten in Rot-Weiß-Rot nicht unter den Tisch zu kehren. "Es ist uns ganz gut gelungen in den letzten Jahren, aber nicht immer. Ich denke, dass das ganz sicher ein Thema für die nächste Zeit werden wird."

Noch zu gut in Erinnerung sind Szenen, als die Red-Bull-Fraktion dem inneren Drang folgte und vorne anpressen wollte, von Foda jedoch mit wilden Gesten wieder zurückbeordert wurde. Andreas Ulmer war etwa so ein Beispiel.

Einerseits hat man diese Spieler ihrer eigentlichen Stärken beraubt und der Chance, die berühmt-berüchtigte Idee eines Getränkekonzerns zu übernehmen, andererseits fühlen sich Spieler wie Marko Arnautovic, Sasa Kalajdzic oder Aleksandar Dragovic im durchs Extrempressing erzwungenen Flipper-Spiel möglicherweise nicht so wohl, da sie es nicht in der Intensität kennen.

Alphatiere sterben aus, die Spielstil-Frage bleibt

Der Mittelweg wurde scheinbar unter Foda nicht gefunden und jeder würde gerne die Priorität für jenen Spielstil sehen, der ihm am meisten behagt. So kann man zumindest Schöttels Worte deuten. Dass dies dann zu Unzufriedenheit führt und bei einem fehlenden roten Faden auch den Erfolg vermissen lässt, ist nur eine logische Folge.

Vor allem, wenn Alphatiere wie die oben genannten Routiniers weiterhin das Sagen haben - was sich schnell ändern kann. Auch wenn aus Arnautovic die Enttäuschung sprach, wird er offenkundig über seine ÖFB-Zukunft nachdenken, Aleksandar Dragovic wird nach seinem 100. Länderspieleinsatz am Dienstag gegen Schottland wohl auch nicht mehr langfristig eine Alternative sein.

Somit bleiben große Namen wie Arnie und Co. wohl ohne eine einzige WM-Teilnahme - eine traurige Bilanz. Selbst Pechvogel Christoph Baumgartner meinte dazu: "Wie soll es mir gehen? Extrem schlecht. Ich hätte den Jungs natürlich auch gerne geholfen, diesen großen Traum zu erfüllen. Klar, für mich wird es noch die eine oder andere Chance geben, für den einen oder anderen vielleicht nicht. Deshalb ist es umso bitterer, aber ich kann es jetzt leider nicht mehr ändern."

"Man hat gesehen, dass die Mannschaft absolut lebt"

Die Spieler stellen es aber zumindest öffentlich weiterhin so dar, als ob das Werk'l laufen würde, die Mechanismen greifen, nur Kleinigkeiten fehlen würden. "Wer am Ende gesehen hat, wie wir gefightet haben, hat gesehen, dass die Mannschaft absolut lebt und alles versucht hat, um das Spiel zu drehen", hielt Hoffenheim-Legionär Baumgartner fest und verteidigte die von außen oftmals kritisierte Kaderzusammenstellung.

Auch für (Noch-)Teamchef Foda war die Frage nach fehlender Leidenschaft in einem Endspiel wie in Wales ein gefundenes Fressen. Energisch versuchte er diesen Vorwurf zu widerlegen, wie so oft blieb er jedoch wirkliche Gründe schuldig, warum man es abgesehen von leichtfertigen Ballverlusten und zu langsamem Spiel nicht geschafft hat, einen Gegner wie Wales zu schlagen. Schließlich gelang das in der Ära Foda nie, einen besser platzierten Top-20-Gegner zu schlagen.

"Wenn Sie sagen, dass die Mannschaft in der zweiten Halbzeit ohne Leidenschaft gespielt hat, dann verstehe ich die Frage nicht ganz, weil sie alles versucht und unternommen hat", ärgerte sich der Trainer über die Frage eines Journalisten und konterte mit ausgeübtem Druck, Chancen aber auch dadurch eröffneten Räumen für den Gegner. "Aber der Mannschaft dann Leidenschaft abzusprechen, ist nicht korrekt und auch nicht richtig."

"Wir haben Fehler gemacht, keine Ahnung, vielleicht auch der Trainer, wir alle"

Kleinigkeiten in den entscheidenden Momenten würden dem ÖFB-Team fehlen - keine Rede ist von einer Philosophie, einem durchgezogenen Spielstil, einer Systemfrage oder fehlendem Willen und Einsatz.

Immerhin gibt man Fehler zu, wenn auch widerwillig. "Wir haben Fehler gemacht, keine Ahnung, vielleicht auch der Trainer, wir alle. Es gibt keinen, der keine Fehler macht. Aber das werden wir in Ruhe besprechen und analysieren", bestätigt Foda, um dann doch in die Zukunft abzuschweifen.

"Ich diskutiere nicht in der Öffentlichkeit über Qualität. Wir hatten eine willige Mannschaft, klarerweise auch ein paar junge Spieler auf dem Platz. Ich bin aber überzeugt, dass sich gerade die jungen Spieler in der Zukunft weiterentwickeln können und es wird mir immer vorgehalten, dass wir gegen keinen Gegner der Top 20 gewinnen konnten, aber man sieht, dass die Spiele sehr eng waren, wie gegen Italien oder Wales. Uns fehlen kleine Momente, an denen werden wir arbeiten, damit wir gegen besser stehende Nationen gewinnen können."

Dabei sollte Fodas Nachfolger die von Schöttel angesprochenen zwei unterschiedlichen Philosophien im Team und Grüppchen nicht außer Acht lassen. Außer dem Deutschen wird diese Herausforderung doch noch einmal zugetraut.

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