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ÖFB-Schlamassel: Die Folgen der Visionslosigkeit

Es ist höchste Zeit, dass die Konsequenzen im ÖFB ganz oben ihren Anfang nehmen.

ÖFB-Schlamassel: Die Folgen der Visionslosigkeit Foto: © GEPA

So, Franco Foda weg, Peter Stöger rein, alles wieder gut, Tschüüüüss – wir sehen uns bei der EURO 2024 in Deutschland!

So einfach geht’s.

Oder auch nicht.

Dass Franco Foda gerade den Zorn des Fußball-Volkes abbekommt, muss und wird er aushalten. Ein Teamchef, der sich dieses Risikos bei der Vertragsunterschrift nicht bewusst ist, weiß nicht, was er tut.

Dass der Vertrag des 55-Jährigen nach dieser von Anfang bis Ende verhunzten Bewerbungs-Phase für die WM 2022 verlängert wird, ist so gut wie auszuschließen (sofern man bei dieser ÖFB-Führung etwas ausschließen kann).

Womit wir beim Thema wären. Foda sollte dieses Schlamassel nicht alleine ausbaden müssen.

Es gehört fraglos zu den Mechanismen des Fußball-Geschäfts, dass Trainer das berühmte schwächste Glied in der Kette sind, und jene, die sie bestellt haben, in Zeiten des Misserfolgs unter teils bemerkenswerten Erinnerungslücken leiden, wie die Bestellung zustande gekommen ist.

Das ist hier nicht der Fall, weil wir sie immer wieder daran erinnern können und müssen.

Denn auch viele, viele Fußball-Fans wissen, wie zwischenmenschlich verwerflich der ÖFB-Herbst 2017, in dem Sportdirektor Peter Schöttel und in Folge Foda in ihre Ämter gekommen sind, teils gelaufen ist. Welch mitunter fragwürdige Motive dahinterstanden, auch wenn offiziell das Scheitern in der Qualifikation für die WM 2018 die Trennung von Sportdirektor Willi Ruttensteiner erforderlich machte.

So, wieder eine WM verpasst. So gesehen wäre es Zeit, Rückgrat zu zeigen, oder?

Salzburgs Landespräsident Herbert Hübel? Rücktrittsreif.

Tirols Landespräsident Josef Geisler? Rücktrittsreif.

Niederösterreichs Landespräsident Johann Gartner? Rücktrittsreif.

Wiens Landespräsident Robert Sedlacek? Rücktrittsreif.

Burgenlands damaliger Landespräsident Gerhard Milletich ist seither in einem "Verfahren", das eigentlich kaum Fragen über die Vorgehensweise der ranghöchsten Fußball-Funktionäre Österreichs offengelassen hat, gleich zum Anführer dieser Gruppe befördert worden. Und ja, eh schon wissen, rücktrittsreif.

Und nicht falsch verstehen, rücktrittsreif sind diese Herrschaften, die sich 2017 besonders eifrig für die personellen Änderungen einsetzten, in meinen Augen bekanntlich nicht erst seit gestern.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Als Nächster würde hier dann wohl Peter Schöttel stehen.

Sinn dieser Übung ist jedoch ein anderer. Zu Foda in einem gewissen Aktionismus noch ein weiteres Bauernopfer zu präsentieren und sich selbst als diejenigen, die eh aufräumen, zu inszenieren, wäre zu wenig.

Es ist höchste Zeit, dass die Konsequenzen im ÖFB ganz oben ihren Anfang nehmen. Ja eh, keine neue Erkenntnis – das wissen viel zu viele Beobachter schon lange. Aber es passiert nichts. Also kann man es nicht oft genug wiederholen.

JETZT ist der Zeitpunkt, an dem so oder so am zukünftigen Personal geschraubt wird. Warum also nicht über die eh aufgelegte Teamchef-Frage ein wenig größer hin zum ÖFB-Präsidium denken?

Warum nicht die Strukturen modernisieren, sodass ausgeschlossen ist, dass bezüglich Profi-Fußball Unbefugte in Sachen Profi-Fußball mitplappern?

Warum nicht von einer neuen Führung sportlich Verantwortliche einsetzen lassen, die eine Philosophie festlegen und dann einen dazu passenden Teamchef küren?

Wann wenn nicht jetzt?

Die ernüchternde Antwort bleibt: Das wird nicht passieren, weil sich dieses seit vielen, vielen Jahren fast unverändert in Amt und Würden befindliche Gremium dann selbst entmachten müsste. So ein Landesfürsten-Thron ist halt auch verdammt bequem.

Das sind übrigens alles Themen, die wir schon vor fünf Jahren (und in Wahrheit noch viel länger) so oder so ähnlich diskutiert haben – eine schnelle Google-Suche beweist das.

Was ist seither geschehen? Nix. Die Gefahr ist groß, dass wir auch in fünf oder zehn Jahren ähnliche Themen diskutieren müssen.

Denn es hebe die Hand, wer tatsächlich glaubt, dass der ÖFB bei dieser Führung in den allerbesten Händen ist, dass die Struktur rund um das Aushängeschild Nationalteam eh super ist, dass diese leitenden Funktionäre die richtigen sind, um die nachhaltige Entwicklung des Fußballs in Österreich sicherzustellen.

Dass ich meine Hand unten lasse, wird niemanden überraschen. Dieses Vertrauen in die handelnden Führungskräfte habe ich nicht. Dieses Vertrauen möchte ich jedoch gerne haben.

Vertrauen darin, dass der Fußball wichtiger ist als das eigene Amt. Vertrauen darin, dass es klare Visionen gibt, wohin sich der rot-weiß-rote (Spitzen-)Fußball entwickeln soll.

Visionen, die es in den ersten 17 Jahren dieses Jahrtausends – sicherlich anfangs auch beflügelt von einer Heim-EURO – sehr wohl gab, die Schritt für Schritt abgearbeitet wurden, um hin zu einem Spieler-Pool zu kommen, mit dem man sich nicht so präsentieren sollte wie zuletzt.

Um neue Visionen zu entwickeln, muss man zuerst überhaupt welche wollen. Dass es im ÖFB bei Führungskräften nicht zwingend welche braucht, zeigte sowohl der Herbst 2017 als auch die Wahl von Milletich.

Oder weiß irgendjemand nach einigen Monaten im Amt, was der ranghöchste Funktionär im österreichischen Fußball mit selbigem vor hat? Konzept und so.

In welches öffentliche Licht der ÖFB teilweise – mutmaßlich unabsichtlich – von seiner eigenen Spitze gestellt wird, ist zudem ewig schade, weil es dort durchaus Mitarbeiter mit Ideen gibt, in deren Hände man die Gestaltung der heimischen Fußball-Zukunft legen könnte.

Der Punkt ist: Auch bei einem Sieg in Wales und im Falle einer Quali für die WM wären viele dieser Themen vorhanden gewesen, da sie ohnehin schon Dauerbrenner sind. Die Chance, dass sich tatsächlich etwas ändert, wäre jedoch bei null Prozent gewesen.

Jetzt in der Stunde des Misserfolgs ist sie leider auch denkbar gering. Aber hoffen darf man im Sinne des österreichischen Fußballs ja, dass sie genutzt wird. Vielleicht öffnet sich – mit ein bisschen öffentlichem Druck und einer Debatte, die sich nicht rein wie handelsüblich auf den Teamchef-Job konzentriert – ein Zeitfenster für so überfällige Veränderungen.

Denn genau diese Teamchef-Debatte ist es ja, hinter der sich manche Spitzenfunktionäre nicht nur verstecken können, sondern sie letztendlich - ojeoje - auch noch beeinflussen.

Aber vielleicht kommt ja sogar einer der Herren auf die Idee, den Folgefehler zu erkennen, seine Beteiligung am Scheitern einzugestehen und dafür auch gerade zu stehen.

Okay, der war gut…

Viel wahrscheinlicher: Viel Glück, Peter Stöger! Wir sehen uns dann im VIP-Klub!

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