news

Simone Inzaghi: Aus dem Schatten des Bruders

Der Trainer von Lazio Rom hat seinen Bruder auf der Bank überflügelt.

Simone Inzaghi: Aus dem Schatten des Bruders Foto: © getty

Die Jungs aus der Nachbarschaft haben fast jeden Tag an die Türe der Inzaghis geklopft. Die Bitte war jedes Mal dieselbe: „Magst du mit uns Fußballspielen, Pippo?“

Und wenn die Mama das Okay gegeben hat, war die Antwort auch jedes Mal dieselbe: „Nur, wenn Simone auch mitspielen darf.“

Am guten Verhältnis der Inzaghi-Brüder hat sich nie etwas geändert. Noch heute lassen sie keine Möglichkeit ungenutzt, sich gegenseitig zu unterstützen und öffentlich zu loben.


Dass das brüderliche Konkurrenzdenken nie sonderlich ausgeprägt war, war Simones Glück. Er ist rund zweieinhalb Jahre jünger als Filippo und stand immer im Schatten seines großen Bruders. Während Pippo im Trikot von Juventus und vor allem Milan zur Legende wurde, praktisch alles gewann, was es zu gewinnen gab, war Simone zwar eine ganz gute, aber vergleichsweise recht glanzlose Karriere vergönnt.

Nun ist Simone Inzaghi, der am Tag des Hinspiels gegen RB Salzburg seinen 42. Geburtstag feiert, aber obenauf. Während sein Weltmeister-Bruder nach einem eher missglückten Engagement beim AC Milan seine Karriere nach dem Aufstieg mit Venezia aus der dritten in die zweite Liga wieder in Schwung zu kriegen versucht, überrascht er als Lazio-Coach.

Von der Pike auf

Der Weg dorthin hat einige Zeit gedauert. Sechs Jahre lang hat der Ex-Stürmer das Trainer-Handwerk im Lazio-Nachwuchs von der Pike auf gelernt. Regelmäßig holte er Titel mit dem Römer Nachwuchs.

Und dann kam das Derby Anfang April 2016. Papa Giancarlo erzählt die Geschichte nur zu gerne: Als Diego Perotti in der 87. Minute zum 4:1 für die Roma einschoss, drehte er sich im heimischen Wohnzimmer zu seinem ältesten Sohn und sagte: „Dein Bruder ist gerade Lazio-Trainer geworden.“

Wenige Stunden später erklärte der Klub tatsächlich die Trennung von Coach Stefano Pioli und die Einsetzung Inzaghis als Interimstrainer. Vier Siege in sieben Spielen holte der Novize bis zum Saisonende, die Kritiken waren gut. Doch die Klub-Führung hatte andere Pläne.


"LAOLA1 On Air - Der Sport-Podcast" beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausgabe mit der aktuellen Situation des italienischen Fußballs. Hier anhören:


Er solle doch bitte in der kommenden Saison bei Salernitana in der Serie B – Lazio-Eigentümer Claudio Lotito besitzt auch diesen Verein – verbringen. Inzaghi nahm die Herabstufung hin, ohne in der Öffentlichkeit auch nur ein böses Wort zu verlieren.

"El Locos" Verrücktheiten

Immerhin hatte es Lotito auf einen Großen seines Fachs abgesehen: Marcelo Bielsa sollte die hohen Erwartungen der Römer erfüllen. Doch „El Loco“ machte seinem Spitznamen wieder einmal alle Ehre. Denn in den Wochen darauf ging alles schief, was nur schiefgehen konnte.

Bielsa einigte sich mit dem Klub und unterschrieb einen Vertrag, als er das erste Training leiten sollte, war er aber einfach nicht da. Was folgte waren absurde Anschuldigungen beider Seiten.

Inzaghi als Lazio-Spieler
Foto: © getty

Bielsa behauptete, Lazio habe ihm Neuverpflichtungen versprochen, mit den Spielern dann aber gar keine Gespräche geführt. Lazio behauptete, der Neo-Coach wollte das Geld für Neuzugänge selbst verwalten, habe absurde Forderungen gestellt und außerdem habe Roma-Sportdirektor Walter Sabatini dazwischengefunkt und dem Argentinier falsche Geschichten über Lazio aufgetischt.

Was von dieser wenig ruhmreichen Episode blieb, war eine Mannschaft, die praktisch ohne Trainer in die Vorbereitung gestartet war, Fans, die wüst gegen Klub-Eigentümer Lotito protestierten und völlige Unklarheiten in der Kaderplanung.

"Ich bin seit 17 Jahren in diesem Verein, ich kenne die Herausforderungen"

Der Klub-Boss sprach von einem „vergifteten Umfeld“ und dass nun endlich wieder Normalität hergestellt werden müsse. Und er rief Inzaghi an, um ihm zu erklären, er sei jetzt doch wieder Cheftrainer. Er sei der Trainer, an dem man immer geglaubt habe, verkündete Lotito.

„Das ist alles sehr plötzlich passiert. Zuerst habe ich geglaubt, ich bleibe, dann hat mir der Klub gesagt, ich solle zu Salernitana und dann hat sich das Schicksal doch anders entschieden“, sagte der Doch-wieder-Trainer damals. Einige Wochen später erklärte er vielsagend: „Ich bin seit 17 Jahren in diesem Verein, ich kenne die Herausforderungen.“

"Was würden wir sagen, wenn Bielsa dort stehen würde, wo Simone jetzt steht? Wir würden ihn einen Zauberer nennen!"

Pippo Inzaghi

Der 42-Jährige hat diese Herausforderungen gemeistert, das Team schnell wieder in die Spur gebracht und blieb von Ende September bis Ende November sogar neun Spiele in Folge ungeschlagen, beendete die Saison auf Rang fünf und musste sich erst im Finale der Coppa Italie Serienmeister Juventus geschlagen geben.

Außerdem zählt der Klub auch wieder auf die Unterstützung seiner Ultras, die den wochenlangen Boykott im Herbst 2016 für beendet erklärt haben.

Lotito wusste das zu schätzen. Inzaghi erhielt einen wesentlich besser dotierten Vertrag bis Sommer 2020.

„Ich glaube nicht, dass irgendwer daran geglaubt hat, es war eine Mission Impossible, aber Simone hat es möglich gemacht. Was würden wir sagen, wenn Bielsa dort stehen würde, wo Simone jetzt steht? Wir würden ihn einen Zauberer nennen“, sagte Bruder Pippo im Frühjahr 2017 über die Leistungen seines Bruders.

In der laufenden Saison hat Lazio noch einen Schritt nach vorne gemacht. Mit dem sensationellen 3:2-Sieg gegen Juventus in der Supercoppa wurde im Sommer der erste Titel seit 2013 geholt. Zudem steht das Team auf dem fünften Rang der Tabelle und darf von einer Teilnahme an der Champions League 2018 träumen.

Kommentare