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Krönt das Pokalwunder die Arminia-Auferstehung, Herr Prietl?

Der 33-Jährige spielte sieben Jahre lang in Bielefeld. Der Sieg im DFB-Pokal wäre der Höhepunkt einer verrückten Auferstehung.

Krönt das Pokalwunder die Arminia-Auferstehung, Herr Prietl? Foto: © getty

Am Samstag heißt es im DFB-Pokal-Finale David gegen Goliath: Arminia Bielefeld trifft im Berliner Olympiastadion auf den VfB Stuttgart (ab 20 Uhr im LIVE-Ticker>>>).

Champions-League-Teilnehmer gegen Drittliga-Meister, ein krasser Kontrast. Dabei sind die Zeiten noch gar nicht so lange her, als die Arminia zehn Punkte vor Stuttgart Meister in der 2. Bundesliga wurde (2019/20).

Seither haben sich die Klubs aber in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt. Während die Schwaben sich danach in der Bundesliga etablieren konnten und im Vorjahr sensationell Vizemeister wurden, rasselte Bielefeld vom Oberhaus mit zwei Abstiegen in Folge in die 3. Liga.

"Freut mich irrsinnig"

Dort angekommen, drohte dem Klub sogar der Totalabsturz in die Regionalliga. Am Ende konnte man sich als 14. aber vor dem Abstieg retten. Heuer spielte Bielefeld vor allem im Frühjahr eine überragende Saison. Man krönte sich zum Drittliga-Meister und eliminierte am Weg ins Pokalfinale nicht weniger als vier Bundesligisten.

Einer, der die letzten Jahre der Arminia maßgeblich mitgeprägt und erlebt hat, ist Manuel Prietl. Der 33-Jährige, der sieben Jahre in Bielefeld spielte, beendete im Vorjahr seine Karriere beim SCR Altach und arbeitet mittlerweile als Co-Trainer der Zweitvertretung des TSV Hartberg.

"Mich freut es irrsinnig für den Verein, nachdem er durch eine solche Leidenszeit gehen musste", meint er über den Einzug seines Ex-Klubs ins Finale im Gespräch mit LAOLA1.

Vom Bilderbuch in den Alptraum

Prietl kann aus erster Hand über die oft als Paradebeispiel für einen "Fahrstuhlklub" bezeichnete Arminia berichten.

"Die ersten fünf Jahre waren wie im Bilderbuch. Als ich hingekommen bin (2016, Anm.), haben wir den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga geschafft, die Vereinsverantwortlichen haben richtige Entscheidungen getroffen und einen Stamm von sechs bis acht Spielern immer zusammengehalten", berichtet er über seine Zeit.

"Ich habe damals aber nie so richtig verstanden, warum man das wollte. Es war ja etwas Erfolgreiches da."

Prietl über die Kursänderung im Jahr 2021

Unter Uwe Neuhaus gelang schließlich die bereits erwähnte Fabelsaison 2019/20 und der Aufstieg in die Bundesliga. In Folge seien dann "fragwürdige Entscheidungen" getroffen worden, berichtet Prietl.

"Der Trainer (Neuhaus, Anm.) wurde entlassen, als wir auf Platz 16 gelegen sind. Noch zwei Wochen zuvor haben wir in München gegen Bayern 3:3 gespielt", erinnert sich der 33-Jährige an den März 2021. Am Ende schaffte man als 15. den Klassenerhalt. Der Klub habe "einen anderen Weg einschlagen wollen. Ich habe damals aber nie so richtig verstanden, warum man das wollte. Es war ja etwas Erfolgreiches da".

Nicht wie Bochum und Union

In der Folgesaison holte Bielefeld nur fünf Siege, musste als 17. absteigen. "Wir waren ein kleinerer Klub, da musst du in den ersten Jahren schauen, dass du den Klassenerhalt schaffst. So wie es Bochum oder Union Berlin über Jahre geschafft haben (sich zu etablieren, Anm.), das wäre bei Arminia Bielefeld auch möglich gewesen", meint Prietl.

Hängende Köpfe: In den letzten Jahren ein (zu) häufiges Bild in Bielefeld (Prietl li.)
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Der Weg, vor allem auf die Jugend zu setzen, bewährte sich nachweislich nicht. "Es war dann in der Bundesliga nicht einfach, mit einer so jungen Mannschaft und so wenig etablierten Spielern", so Prietl. Außerdem seien "noch Corona und viele Ausfälle" dazugekommen. So sei schließlich die Kontinuität verloren gegangen, die den Klub jahrelang solide performen ließ.

Natürlich hat man die jungen Spieler mit dem Ziel verpflichtet, sie später für gutes Geld weiterzuverkaufen - ein bei vielen kleineren Klubs beliebtes Konzept. "Leider haben wir in Bielefeld nicht die besten Griffe gehabt", erinnert sich Prietl.

Zwei Umbrüche waren einer zuviel

Nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga blieb erneut kaum ein Stein auf dem anderen. Immerhin holte man diesmal auch den einen oder anderen erfahrenen Spieler, eigentlich verfügte die Arminia über eine durchaus zweitligataugliche Mannschaft.

"Die 2. Bundesliga ist eine brutale Liga, man sieht ja, welche Vereine dort mitspielen. Da brauchst du eine zusammengeschweißte Mannschaft", meint Prietl. Zwei Umbrüche in zwei Jahren ließen daraus aber eine Herkulesaufgabe werden. "Leider hat es dann kein Trainer mehr geschafft, daraus ein Team zu formen", befindet Prietl.

"Wir hatten zwei gültige Spielerverträge, und zwar am 14. Juni. Da haben andere Vereine schon ihren Kader fertig."

Sportchef Michael Mutzel hatte nach seiner Amtsübernahme keine leichte Aufgabe

Die Folge war der bittere Gang in Liga drei, weil man in der Relegation gegen Wehen Wiesbaden den Kürzeren zog.

Auf Schock folgt "Komplettsanierung"

Der erneute Abstieg war für den Klub ein echter Schock. Maik Kniat wurde als neuer Trainer verpflichtet, Michael Mutzel als neuer Sportchef. Die beiden hatten sogleich alle Hände voll zu tun: "Wir hatten zwei gültige Spielerverträge, und zwar am 14. Juni. Da haben andere Vereine schon ihren Kader fertig und wir mussten in drei, vier Wochen gucken, dass wir überhaupt eine schlagkräftige erste Elf oder 15 zum Trainingsbetrieb stellen können", sagte er kürzlich im "ZDF".

Kein Wunder, dass die erste Saison nicht so lief, wie man es bei einem Namen wie Arminia Bielefeld vielleicht erwarten würde. Nach einem durchwachsenen Jahr ging es heuer steil bergauf. Es sei gut, dass man nicht schon wieder die sportliche Führung umgekrempelt, sondern an dem Duo festgehalten habe, meint Prietl.

Der erneute Abstieg sei "dem Verein eine Lehre" gewesen, so der nunmehrige Jung-Trainer. Man habe dann eine "Komplettsanierung" durchgezogen.

Mutzel und Kniat leisten "richtig gute Arbeit"

Die Arminia zeigte also wieder so etwas wie Kontinuität und es scheint, als habe man seine Lektion gelernt. "Dafür ernten sie jetzt die Früchte", lobt Prietl. "Man merkt jetzt einfach, dass sie (Mutzel und Kniat, Anm.) in Ruhe arbeiten können. Sie haben richtig gute Arbeit gemacht. Auch im Vorstand ist es ruhiger geworden", fügt er an.

Grund zum Feiern gab es für die Arminia heuer bereits des öfteren
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Für Kniat und Mutzel hat Prietl viel Lob übrig: "Wenn sie dieses Duo halten können, werden wir noch viele erfolgreiche Jahre bei der Arminia sehen.

Die vorläufige Krönung wäre natürlich ein Sieg im DFB-Pokal, das Finale wird Prietl live vor Ort verfolgen. "Ich war sieben Jahre dort, verbinde nach wie vor sehr viel mit dem Verein und bin nach wie vor ein riesen Fan", sagt Prietl.

"Fußballstadt Bielefeld" pilgert nach Berlin

Dass man diesmal nicht zuhause spiele, sei natürlich kein Vorteil. "Jeder der schon einmal dort war oder dort gespielt hat, das ist eine ganz besondere Atmosphäre", schwärmt Prietl von der Bielefelder Alm. "Die Ostwestfalen lieben den Fußball, Bielefeld ist generell eine Fußballstadt", erzählt er.

"Die Jungs sind in den Pokalspielen so rotzfrech aufgetreten, dass ich glaube, dass Bielefeld das schaffen kann."

Prietl traut seinem Ex-Klub die Sensation zu

Nichtsdestotrotz "haben sie 35.000 Bielefelder, die dorthin kommen und einige mehr, die vor dem Stadion sein werden", wird die Unterstützung dennoch lautstark sein. Natürlich könne es Stuttgart helfen, dass man es gewohnt ist, vor 75.000 Zuschauern zu spielen.

Seiner Arminia traut er die Sensation aber dennoch zu: "Die Jungs sind in den Pokalspielen so rotzfrech aufgetreten, dass ich glaube, dass Bielefeld das schaffen kann".

Es wäre jedenfalls der größte Wurf in der Bewerbsgeschichte: Noch nie gewann ein Drittligist den DFB-Pokal. Für die Arminia wäre es der größte Erfolg der Vereinshistorie.

Klar ist: Das Finale in Berlin wird zur Bühne für ein neues Kapitel im ewigen Duell David gegen Goliath – und Arminia Bielefeld ist bereit, den letzten Stein zu werfen.



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