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Michael Sollbauer: Raus aus der Komfortzone

Was ist eigentlich möglich für "Sole"? Warum Struber eine große Karriere haben wird.

Michael Sollbauer: Raus aus der Komfortzone Foto: © getty

Als ÖFB-Legionär ist Michael Sollbauer ein Spätberufener.

Dafür erlebte er rund um seinen 30er einiges. Erst die dramatische Rettung mit dem FC Barnsley, dann das Schnuppern an der Premier League. Nun gilt es für den Innenverteidiger mit Dynamo Dresden in der prominent besetzten 2. deutschen Bundesliga zu bestehen.

Im LAOLA1-Interview reflektiert der 31-jährige Kärntner seine vielen neuen Eindrücke im routinierteren Fußballer-Alter.

Zudem spricht er über aktuelle und ehemalige Wegbegleiter. So geht Sollbauer etwa bei Gerhard Struber davon aus, dass er als Trainer in Europa eine prägende Rolle spielen wird.

LAOLA1: Wie fällt dein Zwischenfazit der ersten Monate bei Dynamo Dresden aus?

Michael Sollbauer: Positiv. Ich bin froh, dass ich hier bin. Dynamo Dresden ist ein richtig gut aufgestellter Verein. Sportlich läuft es für mich persönlich richtig gut. Ich komme auf viel Einsatzzeit. Dass es für uns als Aufsteiger kein Spaziergang wird, war uns trotz des guten Starts bewusst. Zuletzt waren wir mit den Ergebnissen unzufrieden, das war keine einfache Phase, jetzt haben wir endlich mal wieder zwei Siege aus den vergangenen drei Spielen geholt. Als Aufsteiger wissen wir, dass eine Saison lange dauert. Wir kämpfen um jeden Punkt und wollen vor der Winterpause noch so viele wie möglich mitnehmen.

Sollbauer im Duell mit Landsmann Guido Burgstaller
Foto: © getty

LAOLA1: Dynamo steht für Tradition und emotionale Fans. In den letzten rund zwei Jahrzehnten ist der Verein allerdings zwischen 2. und 3. Liga gependelt. Was ist deiner Meinung nach perspektivisch drinnen?

Sollbauer: Ich finde, man kann Dynamo Dresden als schlafenden Riesen bezeichnen. Wir haben vor ein paar Jahren ein neues Trainingszentrum bekommen, das Stadion ist toll, die Atmosphäre unserer Fans gehört zu den besten im Land. Der Verein hat für die nächsten Jahre eine Vision. Dynamo sieht sich nicht zwischen der 2. und 3. Liga, das müssen wir von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen her auch nicht, und sportlich sehe ich auch keinen Grund, warum wir pendeln sollten. Die Vision ist ganz klar, dass wir uns in der 2. Liga etablieren und in ein paar Jahren vorne mitspielen wollen. Natürlich sind wir mit der bisherigen Punkteausbeute nicht zufrieden, aber man sieht, dass sich die anderen Aufsteiger auch schwer tun. Auch größere Vereine wie Absteiger Werder Bremen tun sich in dieser Liga nicht so leicht.

LAOLA1: Mit Werder, Schalke oder dem HSV gibt es diverse prominente Gegner. Namen, die normal nicht in die 2. Liga gehören.

Sollbauer: Das ist ein Mitgrund, warum das Thema Dresden so interessant war. Die 2. Bundesliga ist mit sehr vielen namhaften Klubs gespickt, die man nicht unbedingt mit Zweitklassigkeit in Verbindung bringt. Knapp 55.000 Zuschauer auf Schalke waren von der Kulisse her alles andere als 2. Liga. Mit Hannover, Nürnberg oder Düsseldorf sind weitere große Namen dabei. Die Liga ist eng und bietet natürlich auch immer wieder Spiele, in denen man mit Dynamo nicht unbedingt Favorit ist. Aber als Spieler ist es umso interessanter, wenn man gegen solche Mannschaften spielen kann.

"Ich bin sehr lange in Österreich geblieben, viele Jahre beim WAC. Dort hat man sich immer wieder gedacht, dass man aus Österreich fast nicht mehr rauskommt, noch dazu in meinem Alter. Natürlich ist es jetzt eine Bestätigung für mich, dass die Qualität absolut da ist."

Michael Sollbauer

LAOLA1: Du hast in Dresden bislang kaum eine Minute verpasst. In Barnsley bist du damals nach deinem Wechsel auf Anhieb in die Startelf gerückt und dort bis auf kurze Phasen im heurigen Frühjahr geblieben. Bist du jemand, der keine Eingewöhnungszeit braucht?

Sollbauer: Man muss sich als Fußballer relativ schnell anpassen. Ich bin nicht der Typ, der große Probleme hat, in eine Gruppe zu finden. Wie man sich das vorstellen kann, gibt es bei einem Umzug in ein anderes Land immer wieder etwas zu organisieren. Aber das Wichtigste ist, sich auf die Aufgabe auf dem Platz zu konzentrieren. Alles andere kommt dann, wenn es die Zeit zulässt. Außerdem gewöhne ich mich ja auch schneller ein, wenn ich mittendrin bin und zu vielen Minuten komme. Außerdem muss man wissen, worauf man sich einlässt. Ich bin sehr froh, dass es sowohl in England als auch in Deutschland so aufgegangen ist.

LAOLA1: Du sammelst deine Legionärs-Erfahrungen im Alter um die 30. Denkst du dir im Nachhinein: Eigentlich hättest du das auch früher angehen können?

Sollbauer: Ich habe die Zeit in England, aber auch die bisherige in Deutschland immer wieder reflektiert. Ich bin sehr lange in Österreich geblieben, viele Jahre beim WAC. Dort hat man sich immer wieder gedacht, dass man aus Österreich fast nicht mehr rauskommt, noch dazu in meinem Alter. Natürlich ist es jetzt eine Bestätigung für mich, dass die Qualität absolut da ist – nicht nur als Sportler, sondern auch charakterlich, um sich in solchen Situationen einzufinden. Mit Barnsley habe ich ja quasi alle Höhen und Tiefen mitgemacht und dabei sehr viele Minuten gesammelt. Auch in der 2. deutschen Liga ist es sehr schön zu sehen, dass ich qualitativ absolut auf Augenhöhe mithalte. Ich fühle mich aktuell richtig gut und fit. Das Alter blende ich aus, denn das Wichtigste ist, dass man die Qualität hat, täglich am Platz zu stehen, und auch von Verletzungen verschont bleibt. Ich versuche meine Erfahrungen einzubringen und bin auch jemand, der eine Mannschaft führen kann.

In Barnsley alle Höhen und Tiefen mitgemacht
Foto: © getty

LAOLA1: Wenn du das Alter ausblendest: Was schwebt dir für die kommenden drei bis fünf Jahre vor? Vorige Saison hast du ja plötzlich an der Premier League geschnuppert, was Lust auf mehr machen könnte.

Sollbauer: Prägend war davor sicher schon die Rettung von Barnsley, die wir auf Biegen und Brechen geschafft haben. Aber vor allem in der letzten Saison habe ich gesehen, dass es nach oben nicht so viele Limits gibt. Wir haben natürlich probiert, das gut einzuordnen, aber im Endeffekt haben wir das ganze Jahr um den Aufstieg in die Premier League gespielt, auch wenn wir es schlussendlich nicht ganz bis zum Finale geschafft haben. Aber ich war mittendrin und habe sehr viele Minuten gesammelt. Ich weiß, dass noch sehr viel möglich ist und habe auch das Gefühl, dass ich dem Ende noch lange nicht nahe bin. Ich habe noch einige Jahre vor mir. Neben den vielen Eindrücken, die ich im Ausland miterleben durfte, war das vielleicht die größte Veränderung für mich: Ich bin raus aus der Komfortzone, um mich weiterzuentwickeln und einfach auch zu sehen, was möglich ist – und es ist einiges möglich. Ich strebe danach, mich jedes Mal zu verbessern. Für mich war das Motto nicht: Ich gehe aus England nach Deutschland, um mich zurückzulehnen. Ganz und gar nicht. Ich finde dieses Projekt gut und bin hier, um meine nächsten Schritte zu machen.

LAOLA1: Stichwort Komfortzone: Welche Erfahrung war nach all den Jahren in der Bundesliga besonders lehrreich?

Sollbauer: Neben dem Sportlichen natürlich ganz klar die persönliche Ebene, in ein neues Land zu kommen. Klar, in Deutschland ist es etwas einfacher, aber in England musste ich komplett neu anfangen, es war nicht die Muttersprache, man muss sich auf das Leben dort einstellen, die Kultur annehmen und sich dann eben sportlich neu beweisen. Denn man kommt ja quasi als No-Name. Das hat mich persönlich richtig nach vorne gebracht. Dazu lernt man natürlich sportlich viel Neues, welche Faktoren einfließen, um erfolgreich Fußball zu spielen. Das sind für mich klare Plus-Punkte. Als Sportler ist es wichtig, sich neuen Herausforderungen zu stellen, deshalb war dieser Schritt aus meiner eigenen Komfortzone auch richtig. Denn ich war ja wirklich nahezu zehn Saisonen in Wolfsberg. Ich musste mich einfach neu beweisen und sehen: "Sole – was ist eigentlich möglich?"

"Mit Alexander Schmidt hatte ich von Beginn an eine sehr, sehr gute Ebene. Wir tauschen uns oft über die österreichische Bundesliga aus, gehen nach nahezu jedem Spieltag die Spiele durch."

Michael Sollbauer

LAOLA1: Dein Trainer Alexander Schmidt verfügt aus seiner Zeit in Salzburg und St. Pölten über reichlich Österreich-Erfahrung. Wie viel Austausch gibt es über das rot-weiß-rote Fußball-Geschehen?

Sollbauer: Mit Alexander Schmidt hatte ich von Beginn an eine sehr, sehr gute Ebene. Wir tauschen uns oft über die österreichische Bundesliga aus, gehen nach nahezu jedem Spieltag die Spiele durch. Er kennt dort ja auch noch viele Spieler. Er ist wirklich ein sehr kompetenter Trainer, und ich bin sehr froh, unter ihm arbeiten zu können. Er verfolgt etwa die Salzburger Philosophie, die ich ebenfalls aus der österreichischen Liga kenne, genauso wie den Weg der Klubs dahinter. Ich bin sehr froh, dass ich in Sachen Mentalität, Einstellung und Menschenführung viel lernen kann. Auch das ist für mich ein wichtiger Faktor, dass ich von neuen Trainern und Wegbegleitern lernen und neue Dinge aufschnappen kann. Auch in einer Phase, in der es sportlich vielleicht nicht so gut läuft, kann man beobachten, wie mit der Situation umgegangen wird – und Alex macht das richtig gut.

LAOLA1: Wie hilfreich ist es, mit Philipp Hosiner einen Landsmann im Kader zu haben?

Sollbauer: Ich habe in Barnsley mit seinem Cousin Patrick Schmidt zusammengespielt, also war die Verbindung schnell da. Ich habe mich vor meinem Wechsel natürlich mit Philipp unterhalten, und er hat mir in der Eingewöhnung oder beim Organisieren diverser Sachen sehr geholfen. Wir hatten früher viele Matches gegeneinander. Philipp hat letztens mal nachgeschaut – es gibt nur zwei Spieler, gegen die er öfter gespielt hat (Daniel Schütz und Robert Zulj; Anm.d.Red.). Wir sind in einem ähnlichen Alter, sind beide Väter, haben viele Themen, über die wir uns austauschen können – und das gerne auch im Dialekt, das tut auch mal gut in der Kabine.

LAOLA1: Wobei festzuhalten ist, dass dein "Bundesdeutsch" inzwischen hervorragend ist.

Sollbauer (lacht): Das fällt mir auch immer wieder auf. Aber in der Kabine ist es sonst schwierig. Als Österreicher ist man da in einer Grauzone. Mit ein paar Jungs aus dem Raum Bayern ginge es, aber sonst würdest du angeschaut werden, als wärst du aus einem Land mit komplett anderer Sprache. Da passe ich mich lieber an, als ständig wiederholen zu müssen.

Gerhard Struber - schon beim WAC ein prägender Trainer
Foto: © GEPA

LAOLA1: Nach Barnsley gelockt hat dich damals dein früherer WAC-Coach Gerhard Struber. Wie entscheidend war er rückblickend für deine Karriere?

Sollbauer: Wie man sich vielleicht denken kann: Gerhard Struber ist für mich der wichtigste Wegbegleiter als Trainer und wird es wahrscheinlich auch immer bleiben. Ich habe von ihm sportlich wie menschlich richtig viel mitgenommen. Was wir gemeinsam erlebt haben, war sehr prägend – speziell die Zeit in Barnsley, wo die Situation aufgrund von Corona und ohne Familie sehr schwierig war. Das hat den Kontakt natürlich etwas enger gemacht. Er ist ja in die USA weitergezogen, aber ich verfolge seinen Weg natürlich. Ich schaue mir weiter Spiele von ihm an, weil mich die Art und Weise, wie er seiner Arbeit nachgeht, sehr beeindruckt. Sowohl früher als sein Spieler, als auch jetzt als Beobachter. Ich finde auch, dass eigentlich zu wenige am Schirm haben, wie gut seine Fähigkeiten sind. Er ist bewusst diesen Schritt weg aus England auf die andere Seite nach Amerika gegangen und leistet wenig überraschend auch dort gute Arbeit.

"Gerhard Struber wird ja auch immer wieder hier in Deutschland ins Spiel gebracht. Mich würde es nicht überraschen, wenn er in den nächsten Jahren in Europa eine prägende Rolle spielt."

Michael Sollbauer

LAOLA1: Klingt so, als würdest du davon ausgehen, dass wir ihn irgendwann auch in Europa in einer gewichtigen Rolle sehen?

Sollbauer: Davon gehe ich eigentlich schwer aus. Ich denke, dass er auch für sich persönlich einen sehr guten Plan hat, eine klare Philosophie, wie er es angehen will. Er wird ja auch immer wieder hier in Deutschland ins Spiel gebracht. Mich würde es nicht überraschen, wenn er in den nächsten Jahren in Europa eine prägende Rolle spielt. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja wieder einmal. Man weiß nie, was passiert.

LAOLA1: Wie intensiv glühen eigentlich noch die Drähte zum WAC? Dort läuft es in dieser Saison ja nicht so schlecht…

Sollbauer: Speziell zu Christopher Wernitznig und Alexander Kofler habe ich einen sehr, sehr guten Draht. Wir hören uns nahezu wöchentlich, tauschen uns nach unseren Spielen aus. Zu Saisonbeginn lief es beim WAC ja nicht besonders, aber vor allem die zweite Hälfte des Herbst-Durchgangs ist sehr gut. Ich glaube, dass speziell heuer die Situation in Wolfsberg aufgrund des ruhigen Umfelds etwas leichter ist. Denn im Wiener Raum läuft es ja nicht so besonders, auch der LASK kämpft mit seiner Situation. Sturm hat auch ein bisschen nachgelassen, wobei ich die Grazer weiter richtig stark einschätze. Außerdem freut es mich auch, dass es für Klagenfurt gut läuft, auch dorthin habe ich den einen oder anderen Kontakt. Für den WAC sehe ich jedenfalls eine richtig gute Chance, wieder ein gewichtiges Wort um die ersten Plätze – also außer dem ersten Platz natürlich – mitzureden.

VIDEO - Dortmund-Bayern hinter den Kulissen:


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