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Manuel Prietl: "Die anderen müssen, wir wollen!"

Mit Bielefeld auf Aufstiegskurs. Warum Manuel Prietl dennoch unter dem Radar fliegt:

Manuel Prietl: Foto: © getty

Mit Arminia Bielefeld als Tabellenführer auf Aufstiegskurs in die deutsche Bundesliga, vom "Kicker" in der Kategorie "Herausragend" zum besten defensiven Mittelfeldspieler der 2. Liga gekürt:

Keine Frage, Manuel Prietl hat einen gelungenen Herbst hinter sich. In seiner Heimat bekommt man von diesem Höhenflug jedoch relativ wenig mit.

"In Österreich laufe ich vielleicht ein wenig unter dem Radar, aber das stört mich eigentlich gar nicht. Ich bin auch kein Stürmer, der jede Saison 15 bis 20 Tore schießt", schmunzelt der 28-Jährige im LAOLA1-Interview.

Für ihn ist es leicht erklärt: Er hat nie für einen Großklub wie Sturm, Austria, Salzburg oder Rapid gespielt, dies verringert die Medienpräsenz. Dafür ging er einen Weg in den Profifußball, der in der steirischen Landesliga beim SV Gleinstätten begann und zwei Mal beinahe mit dem Beginn eines Studiums geendet hätte.

Umso mehr bedeutet ihm der aktuelle Höhenflug, mit dem sich Prietl jedoch nicht zufrieden gibt.

"Ich habe in Österreich nie für einen großen Klub gespielt. Ich war vier Jahre beim SV Mattersburg, aber das ist kein Traditionsverein. Wenn man für Sturm, Austria, Salzburg oder Rapid gespielt hat, hat man eine andere Medienpräsenz. In Deutschland genieße ich Wertschätzung, vor allem in Bielefeld."

LAOLA1: Mit Bielefeld Tabellenführer, vom „Kicker“ zum besten Spieler auf deiner Position gewählt – in Österreich kriegt man von deinen Leistungen dennoch wenig mit. Wirst du in der Heimat ein bisschen unterschätzt?

Prietl: Es ist ganz einfach: Ich habe in Österreich nie für einen großen Klub gespielt. Ich war vier Jahre beim SV Mattersburg, aber das ist kein Traditionsverein. Wenn man für Sturm, Austria, Salzburg oder Rapid gespielt hat, hat man eine andere Medienpräsenz. In Deutschland genieße ich Wertschätzung, vor allem in Bielefeld. Wir fühlen uns sehr wohl hier, und ich bin auch dankbar, dass ich bei Mattersburg die Möglichkeit bekommen habe, mich in der österreichischen Bundesliga zu zeigen. Der Verein ist ein gutes Sprungbrett für junge Spieler. In Österreich laufe ich vielleicht ein wenig unter dem Radar, aber das stört mich eigentlich gar nicht. Ich bin auch kein Stürmer, der jede Saison 15 bis 20 Tore schießt (schmunzelt).

LAOLA1: Dafür bist du auf Aufstiegskurs. Wie groß ist die Euphorie in Bielefeld?

Manuel Prietl: Klar ist Euphorie da, aber es hat sich schon ein bisschen abgezeichnet. Für viele ist es sicher überraschend, aber wenn man das Kalenderjahr 2019 hernimmt, haben wir 65 Punkte geholt. Dennoch: Wir wissen das natürlich auch richtig einzuschätzen. Der Hamburger SV und der VfB Stuttgart haben ganz andere Möglichkeiten, können immer nachlegen und haben mit ihren Transfers im Winter auch noch mal gut reagiert. Es wird sicher spannend bis in den Mai.

Die Arminia lebt vom Teamspirit
Foto: © getty

LAOLA1: Im Herbst habt ihr nur zwei Mal verloren. Wie leicht ging es von der Hand?

Prietl: Wir hatten auch einige 50:50-Partien, in denen wir das nötige Quäntchen Glück hatten. Grundsätzlich war es eine sehr gute Hinrunde, aber in der 2. Bundesliga darf man sich nie auf irgendetwas ausruhen, sonst kriegt man schnell die Rechnung präsentiert. Wir wissen, dass wir im Spitzenfeld der Außenseiter sind. Den Druck haben andere. Sagen wir mal so: Die anderen müssen, wir wollen!

LAOLA1: Du hast die finanziellen Vorteile von so manchem Konkurrenten angesprochen. Welche Vorzüge bringt die Arminia ins Aufstiegsrennen ein?

Prietl: Bei uns herrscht ein extrem guter Teamspirit. Wir haben über drei, vier Jahre ziemlich viele Spieler gehalten und immer wieder zwei, drei gute Neuzugänge dazugekriegt. Außerdem wissen wir, wie die Liga funktioniert. Hier wird gekämpft und gekratzt, die 2. Liga ist kein Honigschlecken – das ist für Mannschaften, die aus der Bundesliga runterkommen, teilweise schwierig. Und vor allem: Die Arminia ist halt schon ein geiler Verein! Die Fans leben voll mit, trotzdem ist es immer noch sehr familiär. In meinen dreieinhalb Jahren hier habe ich alles miterlebt. Im ersten Jahr sind wir am letzten Spieltag in der letzten Viertelstunde dem Abstieg von der Schaufel gesprungen. In den beiden Saisonen danach waren wir sehr konstant, sind Vierter und Siebenter geworden.

"Wer meinen Weg kennt, weiß, dass es natürlich die Erfüllung eines Kindheitstraums wäre. Ich habe eigentlich im Dorf begonnen, war nie in einer Fußball-Akademie. Für jeden österreichischen Fußballer ist die deutsche Bundesliga ein Ziel, das allerdings nur die wenigsten erreichen."

LAOLA1: Was würde dir persönlich ein Aufstieg bedeuten? Deutsche Bundesliga ist deutsche Bundesliga…

Prietl: Wer meinen Weg kennt, weiß, dass es natürlich die Erfüllung eines Kindheitstraums wäre. Ich habe eigentlich im Dorf begonnen, war nie in einer Fußball-Akademie. Für jeden österreichischen Fußballer ist die deutsche Bundesliga ein Ziel, das allerdings nur die wenigsten erreichen. Es ist auch ganz schwierig dorthin zu kommen, weil es eine der besten Ligen der Welt ist. Noch ist der Weg dorthin weit. Aber es schadet nicht, wenn jeder in unserer Mannschaft einen Traum hat. Nach Höherem zu streben, ist im Fußball nie verkehrt.

LAOLA1: Du hast als Teenager beim SV Gleinstätten in der steirischen Landesliga beziehungsweise Regionalliga gespielt. Mit knapp zehn Jahren Abstand: War es ein Vorteil, gegen Erwachsene zu spielen, und nicht beispielsweise in der Sturm-Jugend gegen Gleichaltrige?

Prietl: Man hört immer wieder von Spielern, die solch einen Weg eingeschlagen haben – sei es Christoph Monschein bei der Austria, Thomas Goiginger beim LASK oder mein früherer Mattersburg-Kollege Thorsten Röcher. Mir persönlich hat es extrem geholfen, dass ich in diesem Alter schon viele Spiele im Erwachsenen-Bereich gemacht habe. Ich habe mit 16, 17 regelmäßig für Gleinstätten in der Landesliga gespielt und hatte dabei das Glück, einen Trainer zu haben, der mich technisch-taktisch sehr gut auf das vorbereitet hat, was danach kommen sollte. In der Akademie spielst du lange gegen Gleichaltrige – im Endeffekt setzen sich pro Jahrgang manchmal auch nur zwei, drei Spieler durch. Das ist eine eher geringe Quote.

Ausbildung bei Gleinstätten statt in einer Akademie
Foto: © GEPA

LAOLA1: Mit 20 hast du für Hartberg in der 2. Liga gespielt, eine Saison später bist du zu Mattersburg gewechselt. Wann war der Moment, als du bemerkt hast, dass du nicht nur den Profi in dir hast, sondern sogar das Potenzial für einen Deutschland-Wechsel?

Prietl: Bevor ich zu Hartberg bin, habe ich mich schon für ein Studium angemeldet, weil ich gar nicht gewusst habe, in welche Richtung es geht. In Hartberg ist es für die Mannschaft nicht so gut gelaufen, für mich persönlich schon – ich habe jedes Spiel gemacht, bin dann zu Mattersburg in die Bundesliga und ins U21-Nationalteam. Da habe ich mir zwischendurch schon gedacht: Boah, das ist jetzt schnell gegangen! Aber: So schnell, wie es bergauf gegangen ist, ist es dann auch bergab gegangen.

LAOLA1: Inwiefern?

Prietl: In meiner ersten Saison mit Mattersburg sind wir abgestiegen, aber ich meine vor allem meine erste schwere Verletzung, die sehr kompliziert war. Die Physiotherapeuten haben mir schon gesagt, dass es wahrscheinlich vorbei sein wird. Mit 22, 23 war ich wieder am Scheideweg. Gott sei Dank bin ich mit Hilfe eines sehr guten Physiotherapeuten in Salzburg wieder rausgekommen.

LAOLA1: Was war das für eine Verletzung?

Prietl: In Mattersburg wird ja wenig nach außen getragen, weil sie die Spieler schützen wollen – im Nachhinein war das vielleicht gar nicht so schlecht. Ich bin damals mehrmals fit gespritzt worden, was dumm und naiv von mir war. Keine Ahnung, ob dabei ein Nerv quasi totgespritzt wurde, auf jeden Fall habe ich meine Fußschaufel nicht mehr heben und senken können. Das war wie gelähmt – passen und schießen ging nicht mehr. Mir wurde gesagt, dass sich ein Nerv sehr langsam erholt und es länger dauern kann oder gar nicht mehr kommt. Wenn man dir mit 23 sagt, dass es vorbei sein kann, hast du ein paar schwierige Momente. Ich habe mich damals schon wieder in Richtung Studium orientiert, bevor es doch wieder wurde. Danach habe ich wieder regelmäßig gespielt, wir sind mit Mattersburg aufgestiegen, und ich habe mir gedacht, dass es cool wäre, ins Ausland zu kommen. Da ich in Mattersburg ablösefrei war, hat sich das mit Bielefeld gut ergeben.

Mit Hartberg gegen Arnautovic
Foto: © GEPA

LAOLA1: Was bringt es rückblickend, dass du zwischendurch auch andere Dinge als eine Karriere als Profi-Fußballer im Kopf gehabt hast?

Prietl: Alles, was mir passiert ist, gehört zu mir, und daraus ziehe ich auch extrem viel. Ich bin auch dadurch zum Profi geworden. Es hört sich zwar blöd an, aber wahrscheinlich muss immer irgendetwas passieren, damit du zum Nachdenken anfängst und gescheiter wirst. Danach war dann nichts mehr mit Feiern oder Alkohol – ich wollte nur noch fit werden und habe mich intensiv mit gesunder Ernährung beschäftigt. Es hat im Hinblick darauf, was danach gekommen ist und hoffentlich noch kommen wird, extrem geholfen. Du bist dann schon besser vorbereitet.

LAOLA1: Inzwischen hat dich dein Weg dahin geführt, dass dich der „Kicker“ zum besten Spieler der 2. Bundesliga auf deiner Position gekürt hat. Wie geht es dir mit solch einer Auszeichnung?

Prietl: Ganz ehrlich: Ich beschäftige mich mit diesen Dingen nicht so. Klar kriegt man es mit, weil es dir Familie und Freunde schicken. Dadurch sieht man es dann auch, und es ist natürlich eine schöne Ehrung. Aber viel kaufen kann ich mir davon nicht. Es ist schön, wenn die Leute darauf schauen und ich nehme es auch gerne an, aber ich glaube, dass bei mir schon noch mehr drinnen ist und ich auch mit 28 noch nicht am Ende bin. Ich will noch besser werden.

LAOLA1: Also eine Art Zwischenzeugnis?

Prietl: Ja, Zwischenzeugnis trifft es sehr gut. Was wir in der Hinrunde geleistet haben, war cool, und deshalb hatten wir ja auch mehrere Spieler in diesen Wertungen vorne mit dabei. Gerade ich als defensiver Spieler könnte ohne eine super Mannschaft niemals glänzen, da bist du sehr abhängig von deinen Mitspielern.

"In Österreich galt ich als lauf- und zweikampfstark. Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich eine komplett andere Welt gesehen. In der 2. Liga waren es noch mehr Tempo, noch mehr Zweikämpfe. Ich musste also als erstes in jenen Bereichen zulegen, von denen ich gar nicht gedacht hätte, dass ich da zulegen muss."

LAOLA1: In dreieinhalb Jahren 2. Deutsche Bundesliga lernt man vermutlich einiges dazu. In welchen Bereichen hast du dich in Bielefeld besonders weiterentwickelt?

Prietl: In Österreich galt ich als lauf- und zweikampfstark. Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich eine komplett andere Welt gesehen. In der 2. Liga waren es noch mehr Tempo, noch mehr Zweikämpfe. Ich musste also als erstes in jenen Bereichen zulegen, von denen ich gar nicht gedacht hätte, dass ich da zulegen muss. Seit Uwe Neuhaus unser Trainer ist, konnte ich auch fußballerisch einiges dazulernen. Wobei ich in diesem Bereich noch nicht am Ende bin und noch viel lernen kann.

LAOLA1: Neuerdings schießt du auch Tore – schon zwei in dieser Saison…

Prietl (grinst): Ja, heuer ist mir schön einer auf den Kopf geflogen…! Nein, im Ernst: Klar ist es cool, wenn man als defensiver Mittelfeldspieler auch noch zu Toren kommt, aber wichtig ist, dass ich meinen Vorderleuten den Rücken freihalte und im Spielaufbau mithelfe, dass der Ball nach vorne kommt. Das sind meine Hauptaufgaben. Dennoch: Meiner Meinung nach erreicht man nie seinen Zenit, man kann im Fußball auch mit 35 noch etwas dazulernen, wenn man willig ist.

LAOLA1: Die Konkurrenz ist gerade auf deiner Position riesig, dennoch die Abschlussfrage: Hast du die EURO 2020 irgendwo im Hinterkopf?

Prietl (zögert): Die Europameisterschaft? Damit habe mich noch gar nicht beschäftigt. Klar träumt man als Fußballer vom Nationalteam, aber ich weiß die Situation natürlich einzuschätzen. Gerade auf meiner Position herrscht immense Konkurrenz, sie spielen alle in der deutschen Bundesliga. Sicher: Im Fußball darf man niemals nie sagen. Wenn der Anruf kommt, sage ich garantiert nicht Nein. Träumen darf man – und eine Turnier-Teilnahme ist für jeden österreichischen Fußballer ein Traum. Aber im Hinterkopf hatte ich es bis jetzt nicht.

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