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Die unbekannten "Canaleros"

Panama nimmt zum ersten Mal an einer Weltmeisterschaft teil. Ein Portrait:

Die unbekannten Foto: © getty

Mit Panama hat man im Allgemeinen nur wenige Assoziationen. Als Erstes denken die meisten Menschen wohl an den Kanal, der seit 1914 den Atlantischen mit dem Pazifischen Ozean verbindet.

Vielen Lesern ist das mittelamerikanische Land womöglich aus den Janosch-Büchern bekannt, in welchem zwei Freunde unbedingt nach Panama möchten. Steuerberater, oder Menschen die aufmerksam die Nachrichten verfolgen, verbinden Panama mit dem Begriff "Steueroase".

Panama ist ein Land mit großer Natur- und Kulturvielfalt, erzählt Simon Jäger, ein Österreicher der in Panama lebt und im Blog "Simon Down Under" seine Erlebnisse festhält. "Das Land zwischen zwei Kontinenten hat eine enorme Artenvielfalt und seine Landesfläche steht zu knapp einem Drittel unter Naturschutz."

Jäger streicht besonders das Zusammenleben verschiedener Volksgruppen heraus: "Von Indigenen Völkern über Mestizen bis zu Schwarzen, Mulatten und Chinesen. Alle leben sie friedlich miteinander. Panama war noch nie Schauplatz von ethnischen oder religiösen Auseinandersetzungen. Ich finde das in der heutigen Zeit besonders beachtenswert."

Zenit einer Entwicklung

Doch für eines ist der Staat, welcher ungefähr gleich groß ist wie Österreich, auf der internationalen Bühne nicht bekannt, nämlich für das hiesige Fußball-Nationalteam. Am 10. Oktober 2017 änderte sich dieser Umstand allerdings schlagartig: Panama schaffte die erste Qualifikation für eine WM-Endrunde.

Dass "Los Canaleros" nach Russland fahren, ist zwar überraschend, aber letztendlich nur der nächste Schritt in der Entwicklung der Nationalmannschaft. Die Kicker aus Panama schnitten bei den letzten Gold-Cups stets erfolgreich ab, 2011 und 2015 war erst im Semifinale Schluss. 2013 scheiterte die Mannschaft im Finale an den USA.

2014 hätte es beinahe zur ersten WM-Qualifikation gereicht, doch damals scheiterte man am letzten Spieltag knapp. Mexiko nahm einen Vorsprung von drei Punkten auf Panama in den letzten Spieltag, allerdings verlor "El Tri" das letzte Gruppenspiel gegen Costa Rica mit 2:1.

Ein Sieg gegen die USA hätte Panama den Sprung auf den Playoff-Platz beschert, doch Graham Zusi und Aron Johansson erzielten in der Nachspiel zwei Tore und retteten so die ungeliebten Nachbarn aus dem Süden. Panama verlor das Spiel mit 2:3, Mexiko schaffte es in Brasilien bis ins Achtelfinale.

Mit den Mexikanern hat sich in den letzten Jahren eine Rivalität gebildet, schildet Jäger: "Mexiko ist definitiv der Erzrivale Panamas. Es gab vor einigen Jahren einen großen Skandal um nicht ganz unparteiische Schiedsrichter beim Gold-Cup-Semifinale zwischen Panama und Mexiko. Seitdem sind die Spiele zwischen den beiden Mannschaften besonders emotionsgeladen."

Beim Gold Cup 2015 bekam Mexiko in der zehnten Minute der Nachspielzeit einen Elfmeter zugesprochen, der die Mexikaner in die Verlängerung rettete. Dort erzielte Andres Guardado ein zweites Elfmeter-Tor, diesmal in der Nachspielzeit der ersten Hälfte der Verlängerung.

Fokus auf die Zukunft

Doch diese bitteren Spiele gehören endgültig der Vergangenheit an, Panama freut sich schon auf die Weltmeisterschaft in Russland. Nach der geschafften Qualifikation erließ der Präsident Panamas kurzerhand einen Feiertag. Einen "Hype" kann der Auslands-Österreicher Jäger allerdings nicht erkennen, denn: "Panamaer geben grundsätzlich 100 Prozent. Das gilt für die Fans und natürlich auch die Spieler."

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)



Wer sind die Spieler allerdings? Wenige der neuen Nationalhelden sind in Österreich oder in Europa bekannte Namen. Der 36-jährige Torhüter Jaime Penedo spielt für Dinamo Bukarest, Erick Davis bei Dunajska Streda in der Slowakei, Gabriel Torres bei Lausanne-Sport. Alle drei Akteure sind bei ihren Klubs Stammspieler. Ansonsten schafften es noch je ein Spieler aus der dritten spanischen Liga und aus der Reservemannschaft des KAA Gent in den letzten Kader Panamas.

Meister mit Ivanschitz

Auch in der nordamerikanischen MLS tummeln sich einige Spieler der Nationalmannschaft, wie zum Beispiel Roman Torres, welcher vorletzte Saison mit den Seattle Sounders und Andreas Ivanschitz den MLS Cup gewinnen konnte. Mit Fidel Escobar und Manuel Murillo stehen sogar zwei Teamkollegen von Daniel Royer bei den New York Red Bulls im Aufgebot von "Los Canaleros".

Die meisten Spieler von "La Marea Roja", wie die Nationalmannschaft Panamas auch genannt wird, spielen in der eigenen Liga, der Liga Panameña de Fútbol. Die dritte Liga ist nach Nationalheld Rommel Fernández benannt, Namensgeber des Nationalstadions von Panama.

Fernández spielte von 1987 bis 1993 in der spanischen La Liga, eine Saison sogar bei Valencia. Das Leben des Nationalspielers endete leider viel zu früh, am 6. Mai 1993 verstarb Fernández bei einem Autounfall.

Von den aktiven Spielern genießt Torwart Jaime Penedo so etwas wie Kultstatus. Der 36-Jährige bestritt in seiner Karriere 119 Länderspiele und schnürte zwei Jahre lang für LA Galaxy seine Schuhe.

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Die Menschen in Panama sind, sowie in Mittelamerika üblich überaus sportbegeistert, doch der Fußball hat in Panama einen besonderen Stellenwert. „Fußball ist auf jeden Fall eine der wichtigsten Sportarten hier. Wenn zum Beispiel ein Tag in der Schule ausfällt, ist eigentlich alles egal, nur die Sportstunde bzw. das Fußballspiel wird auf jeden Fall am nächsten Tag nachgeholt“, erzählt Jäger.

„Die Sportbegeisterung ist vor allem bei den Jugendlichen enorm. Wie in den meisten armen Ländern gibt es oft auch einfach nicht viel anderes zu tun“, berichtet der Auswanderer. Neben Fußball sind Baseball, Basketball und Rugby weit verbreitet.

Ist Russland eine Reise wert?

Im Juli 2018 ist es also zum ersten Mal soweit, Panama ist bei einer Fußball-Weltmeisterschaft vertreten. Was darf man sich von „Los Canaleros“ beim ersten Antritt erwarten?

Die Ausgangslage ist gelinde gesagt ungünstig, denn auf Panama wartet bei der WM eine Hammergruppe. Belgien, Tunesien und England sind die Gruppengegner des kleinen zentralamerikanischen Landes.

Ein Weiterkommen ins Achtelfinale ist ob der Konkurrenz im höchsten Maße unwahrscheinlich. Doch wenn „Los Canaleros“ mehr als ihre grundsätzlichen 100 Prozent geben, dann können sie zur Überraschung des Turniers avancieren.

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